Fachchinesisch: Was bedeutet eigentlich «klassisch»?

Benno Maggi erklärt in seiner Kolumne «Fachchinesisch» Begriffe aus dem Marketing- und Kommunikationsbereich. Dieses Mal geht es um den Ausdruck «klassisch» und seine Verwendung bei jüngeren und älteren Generationen.

Fachchinesisch

Wann genau dieses Wort sein Revival hatte, ist ungewiss. Geklärt werden sollte aber, in welchem Kontext es wieder lanciert wurde und wieso. Beginnen wir damit: Wieso sagen plötzlich alle, sobald etwas ein zweites Mal stattfindet, klassisch oder – schicker – classic? Beispiele gefällig? «Klassisch», das Mikrophon ist immer noch auf stumm, während einer im Bildfeld des Videocalls bereits wild gestikulierend zu reden beginnt. «Klassisch», wenn beim Teilen des Screens statt der erwarteten Präsentation Einblick in die Topographie des eigenen Desktops inklusive aller offenen Fenster gewährt wird. «Klassisch», wenn im Hintergrund des Homeoffice Dinge geschehen oder stehen, die wir lieber nicht sehen wollen. Solche Aussagen hört man mittlerweile sogar von Babyboomern oder anderen Vor-Millennials.

 

Alles, was nicht neu ist

Es sind alles Vorgänge, die bis vor kurzem nur in globalen Unternehmen und unter Remote Workern bekannt waren. Heute sind sie klassisch. Interessant ist dabei die Zeitspanne, in der sie es wurden: 4 Monate. Aber eigentlich wäre es doch klassisch, etwas klassisch zu benennen, wenn es beispielsweise die Antike, klassische Philologie (Griechisch/Latein), klassische Musik, Tanz, Malerei oder etwas aktueller, die klassische Rollenverteilung oder klassische Werbung betrifft. Aber Videocalls? Sorry, das ist höchstens typisch.

Also wer zum Teufel hat das eingeführt? Der Versuch einer Erklärung: Das Phänomen des schnellen Alterns neuer Tätigkeiten hat mit einem veränderten Geschichtsverständnis zu tun, das seine Wurzeln in der exponentiellen technischen Entwicklung der digitalisierten Welt hat. Bei Digital Natives wie der Generation Z und Y scheint der Rückspiegel oder – digital gesprochen – die Timemachine kaputt oder so eingestellt, dass er nur bis gestern reicht. Ihnen sei die Verwendung daher verziehen, denn in diesem Zeitfenster erscheint tatsächlich alles, was eben grad war, bereits als klassisch. Ältere der Branche aber sollten vielleicht lieber auf diese Wortwahl verzichten, falls sie sich noch an vorgestern erinnern. Ansonsten wirkt die Verwendung verkürzt.

Benno Maggi is co-founder and CEO of Partner & Partner. He has been eavesdropping on the industry for over 30 years, discovering words and terms for us that can either be used for small talk, pomposity, excitement, playing Scrabble, or just because.

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