Media Investitionen in der Krise: Kann Intuition auch nach hinten losgehen?

Die Kürzung der Media-Spends angesichts der Pandemie ist, entgegen vieler anfänglicher Reaktionen, auf lange Sicht nicht die beste Entscheidung. Wer nach kurzfristigen Einsparungen strebt, beeinträchtigt nicht nur die Möglichkeiten für einen Wiederaufschwung, sondern verschleiert auch die wichtigste Tatsache: Wer jetzt handelt, kann seine eigene Position drastisch verbessern.

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Egal wie neuartig der aktuelle Ausbruch der breiten Masse erscheinen mag, so zeigt die Analyse bei genauerer Betrachtung historische Wiederholungen. Marktführer schrumpfen, während Konkurrenten Marktanteile erobern.

Nennen Sie es Rezession, Blase oder Krise, egal ob Anfang der 90er Jahre, 2000 oder 2008: Es ist allgemein bekannt, dass erst Einnahmen sinken und die Mediabudgets folgen. Doch laut einer kürzlich durchgeführten Umfrage ist ein überraschend hoher Prozentsatz von Unternehmen (14%) in der Lage, sowohl den Umsatz als auch die Gewinne trotz aller Hindernisse zu steigern.

Pizza Hut und Taco Bell haben nach der Pleite 1990-91 McDonald’s drastisch übertroffen. Nachdem sie ihre Werbeausgaben beibehalten oder erhöht hatten, stieg ein Jahr später ihr Umsatz (61% beziehungsweise 40%), während der Gigant 28% verlor. Mit einem ähnlichen Ansatz stieg der Umsatz von Amazon 2009 um 28%.

Wer aufmerksam ist, wird feststellen, dass das Verständnis der strategischen Entscheidungen, die diese Unternehmen in früheren Krisen getroffen haben, von entscheidender Bedeutung ist.

Derzeit sinkende Kosten

Hier sind grundlegende Bedingungen für Nachfrage und Angebot am Werk: Derzeit stehen reichlich Werbeflächen zur Verfügung und die Werbetreibenden halten sich mit dem Kauf zurück. Es ist also für jeden nachvollziehbar, warum die Kosten sinken. Für diejenigen, die sich nur oberflächlich mit den Ereignissen beschäftigen, ist es weniger offensichtlich: es ist ein traumhaftes Return-on-Investment-Szenario.

Das Internet als Ganzes hat Wachstum zu verzeichnen. Das Online-Geschäft bildet heute den Mittelpunkt des täglichen Lebens. Die Auswirkungen der Epidemie sind klar erkennbar: Schwankungen decken sich mit Lockdown-Ankündigungen, der E-Commerce-Verkehr ist im Vergleich zum Zeitraum 2006-16 um 20% gestiegen, und das Wachstum auf den westlichen Märkten ist stetig. Der Multimedia-Konsum steigt explosionsartig an, da die Menschen mehr Zeit zuhause verbringen. Die Nutzung von Geräten nimmt zu (70% geben an, dass ihre Nutzung von Mobiltelefonen als direkte Folge von Covid-19 im März 2020 zugenommen hat). Dies gilt auch für die Aufrufe von Websites und Videos, sowohl im Fernsehen als auch online. Mit der Zunahme von Inhalten nimmt auch die Werbefläche zu.

Gleichzeitig sind die Werbeausgaben weltweit rückläufig: Sie betragen 2,85% weniger als im vergangenen Jahr (Stand März). Die Einnahmen aus programmatischen Werbeanzeigen in den USA liegen über dem Durchschnitt (15% bis 28%). Alle EMEA Artefact-Kampagnen zwischen dem 6. Januar und dem 20. April weisen einen Rückgang der Preise für Online-Werbung auf.

Weniger Abnehmer und ein grösseres Angebot: Infolgedessen wird sich für diejenigen, die zuerst handeln, der Impact ihrer Kampagne aufgrund fehlender Konkurrenz zum Bruchteil des normalen Preises vervielfachen.

Möglichkeiten schaffen

Man kann den Schwerpunkt für intelligente Werbekampagnen zu Zeiten von Covid-19 auf einen von zwei Aspekten legen: entweder auf Awareness oder auf Conversions. Da es Unterschiede zwischen den Sektoren gibt, ist es für die Kurssetzung entscheidend zu wissen, wie die einzelnen Produktkategorien performen:

 

Aufschwung durch Awareness 

Wenn der Absatz in Krisenzeiten gering ist, kann die Beibehaltung einer starken Präsenz dafür sorgen, dass Verbraucher wiederkommen, sobald sich die allgemeine Situation verbessert (wie im Fall Pizza Hut). Bei der heutigen Pandemie bedeutet «Verbinden» die Zurkenntnisnahme sich ändernder Gewohnheiten und Ansichten sowie eine Vorausschau auf die Zukunft. Zwei Faktoren müssen dabei berücksichtigt werden. Zum einen der Zusammenhang zwischen Optimismus und erwarteten Ausgaben: Die am stärksten von dem Virus betroffenen Länder sind besonders betroffen, die Mehrheit plant monatelang mit einem schwierigen finanziellen Umfeld, die wenigsten rechnen mit steigendem Einkommen.

Es ist äusserst wichtig, Optimisten und Pessimisten differenziert anzusprechen. An zweiter Stelle stehen Dos und Don’ts: Zwar erwarten die Verbraucher nicht, dass Marken ihre Werbung einstellen, jedoch hängt die Aufmerksamkeit von der Wahl des Werbetons und -themas ab. Unternehmen sollten «darüber reden, wie die Marke im neuen Alltag hilfreich ist» und «nicht das Coronavirus ausnutzen, um [sich selbst] zu bewerben». Die Botschaften müssen entsprechend angepasst werden.

Gewinn von Marktanteilen durch Conversions

Da die Besucherzahlen von Einzelhandels-Websites auf +219% gestiegen sind, sollten Unternehmen, die in den leistungsfähigsten Produktkategorien tätig sind, sich den Umstand zunutze machen, dass die Conversion Rates nicht für jeden schnell zunehmen. Jetzt ist der ideale Zeitpunkt, um Druck auf die Wettbewerber auszuüben und gleichzeitig mittels Kampagnen zur Optimierung der Conversions den Umsatz zu steigern.

Die Geschichte zeigt deutlich: Unternehmen, die in Krisenzeiten entsprechende Medienstrategien verfolgen, können durchaus Erfolg haben. Aber das Timing ist von entscheidender Bedeutung, da nur die First Mover von dem kleinen Zeitfenster voll profitieren. Im Moment sind die Werbekosten niedrig und es ist viel Werbefläche vorhanden. Unternehmen, denen es derzeit gut geht, sollten sich auf Conversions konzentrieren, um den Umsatz weiter zu steigern und ihren Marktanteil zu vergrössern. Wer mehr zu kämpfen hat, kann sich einen Aufschwung sichern, indem er auf Awareness setzt: hier lassen sich Erfolge erzielen, wenn Werbebotschaft und -ton mit Bedacht gewählt werden.

* Florian Thiebaut ist Consulting Director bei Artefact.

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