As is well known, the dead live longer

AMBIENT MEDIA Zuerst ironisch belächelt, dann kritisch beobachtet, heute voll akzeptiert: Ambient Media ­hatte einen schweren Start. Doch als die Angst vor dem Tabubruch überwunden war, entwickelte sich die neue Form der Werbung im direkten Out-of-Home-Umfeld der Zielgruppe äusserst positiv. Vichy-Kosmetikwerbung im Damen-WC.Vor 20 Jahren habe ihm ein smarter Marketingleiter das baldige Ende von Ambient […]

Klomuni
Vichy-Kosmetikwerbung im Damen-WC.Vor 20 Jahren habe ihm ein smarter Marketingleiter das baldige Ende von Ambient Media vorausgesagt, erinnert sich Dan Furrer. Doch beirren liess sich der CEO der Face AG für Kommunikationsdesign davon nicht. Ein Glück, denn als die ersten Hürden genommen waren, entwickelte sich sein Unternehmen zum Vorreiter in Sachen «Umgebungsmedien». Daher blickt Furrer beim Jubiläum im Mai auf mehr als nur den Firmenerfolg zurück. Der mutige Gründer prägte den Schweizer Markt für Ambient Media auch entscheidend mit.Von Smart zu FaceEigentlich begann die Erfolgsgeschichte schon, bevor die neue Werbeform im Out-of-Home-Bereich ihren heutigen Namen erhielt: «Wir waren wild und hungrig», erzählt Furrer, «und träumten davon, kreativ zu sein». Kurzentschlossen hätten sie Anfang der 90er-Jahre ihre eigene Werbeagentur gegründet. Die Smart CSA Communication Services AG bot damals noch klassische Werbung an. Und dort in Kloten, an einem ganz speziellen Ort, kam Furrer die zündende Idee: «Wann immer ich ein Kunden-Briefing erhielt, brachte ich die Informationen auf ein Papier und hängte es an die WC-Tür.»Die eigenwillige Art, den Gedanken am stillen Örtchen freien Lauf zu lassen, erwies sich als Impulsgeber, dem Furrer beharrlich folgte: «Ich war total davon überzeugt, dass das WC ein idealer Werbeort ist, der künftig wichtig werden wird», sagt er, dort hätten sie die ganze Aufmerksamkeit der Zielgruppe. Das innovative Angebot nannte er treffend «Klommunikation» – ein Name, der hohe Medienresonanz, aber auch grossen Widerstand erzeugte. Die Geschichte ist bekannt, sorgte Furrer doch mit der WC-Kommunikation schon für Furore.Fehlenden Geschäftssinn kann man dem Ambient-Media-Vordenker nicht nachsagen, auch nicht fehlende Risikobereitschaft: Um sich ganz aufs neue Kerngeschäft konzentrieren zu können, gründete er 1995 dafür ein eigenes Unternehmen. Etwa zur gleichen Zeit entbrannte in Grossbritannien die Diskussion um die neue Werbeform der «non-traditional out of home media», in deren Verlauf Ambient Media ihren Namen erhielt. Doch da war Furrer mit seiner Face Action Marketing GmbH bereits einen Schritt weiter.Originelle Werbeaktion für Ford. Die Idee erinnert an die bekannte Film-komödie mit Julia Roberts «Die Braut, die sich nicht traut».Vom Tabuprodukt zur Swiss Marketing TrophyAm Anfang sei die Präsentation der unorthodoxen Geschäftsidee schon als Affront verstanden worden, gibt Furrer zu. Seiner Begeisterung schadete das aber nicht. Dagegen erhöhte es die Motivation, das Management des ersten potenziellen Kunden mit einem Gratistest zu überzeugen: Ein Infoplakat über das Arzneimittel Prostasan der Bioforce AG, aufgehängt in Restaurant- und Raststätten-Toiletten in der Nähe von Apotheken, brachte Erinnerungswerte und Umsatzsteigerungen, von denen klassische Werber nur träumen konnten – und Furrer den ersten begeisterten Kunden.Dem damaligen Bioforce-Marketingchef Felix Häfliger – heute berühmter Kochbuch-Autor – sei der Durchbruch zu verdanken, erklärt Dan Furrer, und fügt rückblickend hinzu, es seien immer ganz mutige, vorausdenkende Menschen gewesen, die das Potenzial der «Klommunikation» erkannt hätten. Mit ihnen kam der Erfolg: Bayer entdeckte den unkonventionellen Point of Interest für Alka Seltzer, die Migros für Anti-Pickel-Salbe und die Presse für attraktive Schlagzeilen.Ein 10vor10-Beitrag 1998 und die Swiss Marketing Trophy für die Bioforce-Kampagne 1999 gaben der «Klommunika­tion» endgültig Rückenwind. «Danach ist das Tabu kontinuierlich gebrochen», sagt Furrer und fügt stolz hinzu, man könne über die WC-Werbung sagen, was man will, «eines ist klar, sie funktioniert».Während das zielführendste Werbemedium der Welt, wie er es nennt, in Grossbritannien gerade erst startete, dann aber schnell zum Höhenflug ansetzte, überwanden Schweizer Firmen den Tabubruch, den das neue Me­dium mit sich brachte, eher langsam. Doch die Akzeptanz nahm zu, was Furrer mit dem Unterschied zu klassischen Medien begründet: «In diesem superhektischen Überholspurleben mit Milliarden von Reizüberflutungen erreichen Anbieter ihre Zielgruppen damit nicht mehr, dagegen haben sie bei uns von 30 Sekunden bis zwei Minuten ihre volle Aufmerksamkeit und können mit ihnen spielen.»Von der Akzeptanz zur ExpansionAuch Furrer und sein 50-köpfiges Team aus kreativen Brandstiftern, leidenschaftlichen Mitdenkern und umher kreisenden Piloten spielen gern – mit überraschenden Effekten: Aus der Migros-Werbung in Fitness-Centern entwickelte er das Angebot «Shower-Power», realisierte für Carefree die erste grosse Sampling-Aktion in der Schweiz und hielt nebenbei Ausschau nach einem grösseren Domizil, um die explosionsartig steigende Auftragsflut bewältigen zu können.Die ehemals belächelte, dann heiss diskutierte Innovation Ambient Media hatte den Durchbruch geschafft. Um ihn zu nutzen, verliess der Vorzeigeunternehmer mit dem Faible für alte Fabriken die selbst renovierte Weberei im Tösstal, weckte Ende 2000 die verlassene Walzmühle in Frauenfeld aus dem Dornröschenschlaf und firmiert seither unter Face AG für Kommunika­tionsdesign. Danach ging es Schlag auf Schlag weiter.«Um hohe Qualität garantieren zu können, nahmen wir das Merchandising selbst in die Hand, schafften eine eigene Flotte von heute 32 Fahrzeugen an und eröffneten Niederlassungen und Lagerstandorte in Lugano, Lau­sanne und Bern-Hindelbank», erzählt Furrer. Die Expansion war schon deshalb nötig, weil die Face AG den Visual Merchandising Etat von Novartis hinzugewonnen und mit der monatlichen Dekoration von 1600 Apotheken und Drogerien in fünf Tagen einen Rekord aufgestellt hatte, der etliche Neukunden wie etwa Swisscom und Mercedes anzog – und die Branche aufhorchen liess.Erste Übernahmeangebote von Big Playern der Mediabranche folgten, doch Hotshot Furrer lehnte ab. Denn mit der steigenden Akzeptanz der Umgebungsmedien stieg die Nachfrage, ein Zeichen für die Marktkonzentration.
Dan_Furrer
Dan Furrer, Gründer und Inhaber der Face AG für Kommunikation.Von der Nische zur MasseDer Unternehmer mit Geschäftssinn war darauf vorbereitet und hatte die Angebotspalette peu à peu erweitert: Für das Rivella-Getränk Beauty Colada konzipierte er das «Beauty-Net», eine Kampagne, die ebenfalls auf dem Swiss-Marketing-Trophy-Siegertreppchen landete; am neu entwickelten «Lifestyle-Net» fand Coca-Cola für ihre Light-Variante Gefallen; und im Sampling-Bereich erfreute Cardinal Eve neue Zielgruppen.Ganz aktuell lanciert die Face AG gerade ihr neuestes Produkt: «Simple Sampling». Es verspricht, Produktneuheiten für 15 Rappen pro Sample ganz einfach und ohne Streuverluste ins direkte Umfeld der Zielgruppe zu bringen. Der Heimtiernahrungshersteller Mars biss sofort an, Lactacyd folgte, und schon bekunden weitere Konsumgüter-Multis daran reges Interesse. Neben all den Aktivitäten fand man bei der Face AG noch Zeit, ein eigenes Telefonmarketing-Team aufzubauen und im letzten Jahr ihr selbst entwickeltes Reporting-System i-POS live zu schalten.Die unternehmerischen Aktivitäten zeigen, dass die Grenzen von Ambient Media sich zunehmend verschieben – in alle Richtungen. Neben immer ausgereifteren Smartphones, die Am­bient-Werbung den Viral-Effekt ermöglichten, kamen der Face AG zwei weitere Trends entgegen: Zum einen braucht klassische Werbung neue Formate, meint Furrer, und legt den Finger in die Wunde: «Nachdem TV-Werbung im Zeitalter von YouTube, Netflix & Co. nur mit Mühe Zuschauer findet, Print unter Leserschwund leidet und auch die Online-Werbung nicht hält, was versprochen wurde, erfreut sich die ganze Klaviatur unserer Ambient-Media-Lösungen einer nie dagewesenen Nachfrage.» Zum anderen kombinieren die Anbieter der Umgebungsmedien den Marketingmix neu und verlängern traditionelle Massnahmen zum Verkaufspunkt.«Das Glück war uns hold», freut sich der Face-Chef darüber, dass der POS so stark an Bedeutung zulegte. Und natürlich ist er bestens gewappnet für die steigende Nachfrage nach Services aus einer Hand für Visual-Merchandising-Projekte, die «zunehmend komplexer und qualitäts­orientierter werden». Die Tatsache, dass die Umgebungsmedien mit klassischen Marketing-Disziplinen – und Social Media – zusammenwachsen, zeigt ihr Reifesta­dium: Ambient Media ist erwachsen geworden. Totgesagte leben bekanntlich länger.Dieser Artikel erschien in der Februar-Ausgabe von «Marketing & Kommunikation». Weitere spannende Infos zum Thema gibt es here.Author: Doris Gottstein

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