Wertschöpfung und Datenhoheit in der Marketing Automatisierung

Digitale Kundenschnittstellen schaffen über Personalisierung und relevanten Content einen Mehrwert. Sarah Seyr von Idea2 erklärt, wie es mit einem lokalen digitalen Setup gelingt, die Möglichkeiten von Automatisierung und KI auszuschöpfen und Bedenken zum Thema Datenschutz auszuräumen.

Marketing Automatisierung

Digitalisierung hat die Kundeninteraktion nachhaltig verändert, Personalisierung und Automatisierung sind dabei anhaltende Trends. Die Herausforderung besteht darin, am richtigen Punkt in der Customer Journey mit den passenden Inhalten gezielt Wert zu vermitteln. So gilt Content in der Kommunikation und im Marketing als König, personalisierter Content ist jedoch der Eroberer. Mit schlauen Algorithmen und Künstlicher Intelligenz gelingt es, hier einen Unterschied zu machen.

 

Digitale Kundenschnittstelle und KI  

CRM und Marketing Plattformen sind aktuell populär und bieten integrierte Lösungen für eine Vielzahl von Use Cases. Kunden werden mit personalisiertem Content bedient, eine Vielzahl an Daten zu Kundeninteraktionen gesammelt. Künstliche Intelligenz unterstützt dabei, aus Datenmengen Sinn zu machen, und mit diesem Kundenwissen auf individuelle Kundenerwartungen gezielter zu reagieren. Ein Beispiel dafür sind Algorithmen, die aus einer Kombination von Kundendaten den nächsten wahrscheinlichen Schritt bestimmen können. Besonders relevant ist dies, wenn wir die Kundenbeziehung bis zum Kauf, also den Sales Funnel betrachten. Die Frage ist, womit kann ich den Kunden in jedem Schritt einen Mehrwert bieten, damit sie oder er den Weg mit meinem Unternehmen weiter geht?

In jedem Schritt gilt es nützliche Erkenntnisse zu gewinnen und konkrete Massnahmen abzuleiten. Und genau hier besteht auch die grösste Herausforderung: Gerade wenn es um die Datensammlung geht, können Unternehmen schnell dem Aktionismus verfallen und Datenmengen produzieren, aus denen sie dann gar keinen Sinn machen können. Auf der anderen Seite finden wir ständig ändernde Erwartungen der Kundinnen und Kunden, die (noch) nicht erfüllt sind – oder das Unternehmen schlichtweg nicht erkannt hat.

Schliesslich geht es ja nicht um den Einsatz von Algorithmen und KI zum Selbstzweck, sondern darum, gezielt Wert zu erhalten oder einen neuen Mehrwert in der Interaktion zu schaffen.

 

Wertvolle Interaktionen aus menschlicher und wirtschaftlicher Sicht

Für uns Menschen ist eine Interaktion dann wertstiftend, wenn zum richtigen Zeitpunkt relevanter Content vermittelt wird. Zum Beispiel wenn ich etwas lerne, wenn mich etwas weiterbringt oder auch wenn mich etwas beruhigt, mir eine Angst nimmt oder auch einfach nur die Zeit vertreibt. Dabei kann es sich also um etwas mehr oder weniger Informatives oder Unterhaltsames handeln – eben, es kommt darauf an. Aus Business-Sicht ist eine Interaktion dann wertschöpfend, wenn sie eine Konversion erzeugt, wenn Kunden die nächste Hürde nehmen und zum Beispiel uns ihre Zeit, ihre Daten oder ihr Geld geben.

Menschliche und wirtschaftliche Interessen stehen mehr oder weniger im Einklang miteinander. Technologische Möglichkeiten können vermitteln, verändern aber auch die Kundenerwartungen. Besonders gut erkennen wir dies zum Beispiel in der stetig sinkenden Bereitschaft zu Warten. Als Unternehmen benötigen wir demnach ein Setup, das es uns ermöglicht, stetig aufs Neue die Erwartungen der Kundinnen und Kunden zu erkennen und nicht nur zu reagieren, sondern auch aktiv und proaktiv zu handeln: Marketing Automatisierung mit Künstlicher Intelligenz.

 

Technologie und Wissen aufbauen

Um mithilfe von Künstlicher Intelligenz die Wertschöpfung in der Kundenkommunikation und -interaktion zu fördern, hat sich in der Praxis mit bereits etablierten Unternehmen ein schrittweiser Einführungsplan entlang von drei Entwicklungshorizonten bewährt: Basis schaffen, ausbauen, aufbauen.

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Im ersten Horizont schaffen wir die technische und organisationale Basis. Wir bestimmen die Rollen entlang der Customer Journey beziehungsweise des Sales Funnels und legen den Startschuss mit einem ausbaufähigen System. Der Übergang zum zweiten Horizont ist erreicht, wenn ausreichend Erfahrung in der Kundeninteraktion gesammelt wurde, um Content personalisiert zu gestalten. Denn im zweiten Entwicklungshorizont schöpfen wir das vorhandene Wissen voll aus. Mittels Algorithmen und KI werden Daten gezielter gesammelt und genutzt und Inhalte bis hin zur individuellen Ebene angepasst. Ist es gelungen, Produkte und Services treffsicher zu positionieren, so steht der Erweiterung im dritten Horizont nichts mehr im Weg. Neben dem kontinuierlichen Ausbau des Setups können nun auch komplett neue Angebote und Geschäftsmodelle in Angriff genommen werden.

Häufig erleben wir Unternehmen jedoch bereits im ersten Horizont zögerlich, beim Aufsetzen und Ausprobieren, weil sie zu grossen Respekt vor dem zweiten Horizont mit den organisationalen Veränderungen haben und sich den dritten Horizont gar nicht erst vorstellen können. Ein typische Herausforderung, die uns begegnet, kann so beschrieben werden: Unser bestehendes Business gerät unter Druck, wir müssen neue Angebote und Business Modelle testen, haben erste Ansatzpunkte, sind uns jedoch eigentlich nicht so sicher, denn obwohl wir eine Vielzahl an Kundendaten haben, haben wir wenig echtes Kundenwissen und an der Digitalkompetenz arbeiten wir auch erst noch. So zeigt sich häufig eine Überforderung aufgrund all der genannten Themen.

 

Auf offene Systeme und Datenhoheit setzen

Hier hilft wiederum das Vorgehen entlang der drei Horizonte, denn in jedem gibt es klare Entscheidungen, die es zu treffen gilt – insbesondere bei der Frage nach den richtigen Tools.

Im Horizont eins stehen Unternehmen vor der Anbieter-Wahl. Die präsentesten Marketing-Automatisierungs-Plattformen sind Software-as-a-Service-Anbieter (SaaS) mit Subscription Model für ihre Cloud. Die Lösungen versprechen Einfachheit, Kauf und Setup mit wenigen Klicks, sind jedoch ungeeignet für viele Unternehmen in Europa, die um Datensicherheit besorgt sind. Denn Daten sind in den USA, oder irgendwo. Ausserdem sind diese Lösungen kostspieliger auf die längere Sicht. Der Preis steigt häufig mit der Kundenanzahl. Demgegenüber gibt es freie Software auf lokalen Servern, die das Problem mit den Daten obsolet macht und in der Betreibung kostenlos ist. In der Schweiz setzen wir seit einiger Zeit auf die Open-Source-Marketing-Automation-Platform Mautic.

Für Schweizer Unternehmen bieten sich in dem offenen Modell alle Möglichkeiten der Automatisierung, individuell gestaltbar und unbegrenzt ausbaufähig. Die Entscheidung, die Unternehmen treffen müssen, ist also: Worauf möchte ich bauen? Leiste ich mir den Initialaufwand für eine eigene Lösung mit lokalen Daten und personalisierter Integration? Oder reicht mir auch mittelfristig eine SaaS-Lösung und stellt es kein Problem für mein Unternehmen und meine Kunden dar, wenn ich Daten in die USA schicke?

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Aus den gesammelten Dann können wir im Horizont zwei Learnings ableiten und das System schlauer machen. Kennen wir erste Antworten auf die Frage: Welchen Wert bringen können wir wie transportieren, wie können wir beim Kunden Wert schaffen? So können wir Algorithmen und Künstliche Intelligenz ausbauen und weitere Tools integrieren. Auch SaaS-Lösungen ermöglichen hier eine Vielzahl an Integrationsmöglichkeiten und Schnittstellen. Mit einer Open-Source-Lösung wie Mautic sind tiefere Integrationen möglich. So kann Mautic beliebig in die vorhandenen Systeme und Geschäftsprozesse eingebunden werden. Dies kann für ein Unternehmen einen Unterschied ausmachen in der Automatisierung und Personalisierung – und somit schliesslich beim Kunden.

Wer seine Aufgaben im Horizont eins und zwei gemacht hat, verfügt schliesslich über die nötigen Fähigkeiten und Tools und das nötige Kundenwissen, um neue Angebote und neue Businessmodelle ausbauen zu können. Was erfahrungsgemäss schwer fällt in der Planung, ist die Perspektive nicht als zeitliche, sondern als qualitative zu sehen. Es gibt ein qualitatives Gate, das es zu schaffen gilt. Fortschritt ist spürbar. Das dauert unterschiedlich lange. Wir wissen es, wenn wir es wissen. Unternehmen erkennen, wenn sie mit ihren Kundeninteraktionen und Content einen Nerv getroffen haben, wenn nicht nur bessere, sondern stabile Ergebnisse erzielt werden. Genau hier tun sich für Marketing- und Kommunikationsbereiche in Unternehmen neue Möglichkeiten zur Entfaltung ihrer Kompetenzen auf.

 

Chance für die Position des Marketings

Aus Sicht von Marketers bieten sich Potenziale für die Weiterentwicklung des eigenen Bereichs in engerer Zusammenarbeit mit der Produktentwicklung beziehungsweise dem Experience Design entlang der drei Entwicklungshorizonte. Denn wertstiftende Kundeninteraktionen sind nicht länger nur Beilage in der Customer Experience zum Produkt oder Service, sie werden immer mehr zum Kerngeschäft. Die Rolle des Marketings in Unternehmen wandelt sich entsprechend. Marketing Automatisierung und Künstliche Intelligenz ist kein einmaliges Technologie-Investment, sondern beinhaltet den gezielten Auf- und Ausbau von Ressourcen und Fähigkeiten.

* Sarah Seyr ist Partner bei Idea2.ch und gestaltet digitale Businessmodelle und Kundenschnittstellen mit Automatisierung und KI. Sie spricht an der AI Zürich zum Thema «Kollege AI» darüber, wie wir uns KI wertstiftend zunutzen machen.

 

Dieser Artikel wird im Rahmen einer Medienpartnerschaft zwischen AI Zürich und Werbewoche.ch veröffentlicht. Passend dazu findet am 26. März 2020 die «AI for Business»-Konferenz in Zürich statt. Expertenwissen rund um das Thema Artificial Intelligence, spannede Inputs und die Möglichkeit zum Netzwerken mit führenden Köpfen der Branche – wer das erleben will, findet auf Ai-zurich.ch alle Infos und Tickets.

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