Social Selling: So nutzen Vertriebler das volle Potenzial der Business-Netzwerke

Challenger-Sales-Typen nehmen potenzielle Kunden an die Hand und zeigen ihnen neue Wege auf. Auf LinkedIn können sie ihren Ansatz ins Netz verlängern und viel mehr Prospects abholen als zuvor. Wie sie hier genau vorgehen, beschreibt Florian Hohenauer von Hotwire in seinem Beitrag über State-of-the-Art «Social Selling» im B2B-Kontext.

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Wer verkaufen will, muss viel Kaffee trinken, richtig? Denn es geht doch nichts über eine möglichst enge Beziehung zum potenziellen Käufer? Möglich. Es gibt allerdings einen anderen Ansatz, der noch mehr Erfolg verspricht: den Challenger-Sales-Ansatz, welchen Matthew Dixon und Brent Adamson in ihrem Bestseller «The Challenger Sale» beschrieben und den Erfolg empirisch belegt haben. Die Kurzfassung: Vertriebler, die ihre Kunden an die Hand nehmen, ihnen neue Wege aufzeigen und die alten in Frage stellen, sind erfolgreicher als die «Hard Worker», die «Relationship Builder» aka «Kaffeetrinker», die Einzelkämpfer und diejenigen, die reaktiv helfen, Probleme zu lösen.

 

Challenger sind erfolgreicher

Dixon und Adamson identifizierten eine überdurchschnittlich hohe Quote von Über-Performern in der Gruppe der Challenger. Sie befragten Unternehmen, welche Vertriebler zu den Top-20-Prozent ihrer Mannschaft gehören würden. 39 Prozent der Top-20 waren Challenger-Typen. Über alle Gruppen hinweg machen Challenger nur 27 Prozent aus. Challenger verfügen über sehr viel Fachwissen und können dieses gut vermitteln. Sie sind Experten, denen Kunden vertrauen, wie auch die Zahlen nahelegen. Mit ihnen an der Seite lassen sich Kunden auf neue Ansätze und Technologien ein. Challenger-Sales-Profis haben sich einen Trusted-Advisor-Status erarbeitet. 

 

Business-Netzwerke: ein Glücksfall

Challenger standen in der Vergangenheit allerdings auch immer vor einer grossen Herausforderung: Ihr Ansatz braucht Zeit. Sie konnten ja immer nur einen Interessenten auf einmal beraten, ihn so mitnehmen, überzeugen, gewinnen. Der Erfolg der Business-Netzwerke ist ein Glücksfall für Challenger. Dort haben sie nun die Möglichkeit, über ihr öffentliches Profil Wissen zu teilen und Expertise zu vermitteln – an viele Menschen gleichzeitig. So legen sie schon vor dem Erstkontakt den Grundstein für eine erfolgreiche Sales-Beziehung. 

 

Customer Journey im Vertrieb

«Social Selling» beschreibt zunächst einmal nur den Ansatz, Soziale Netzwerke für den Vertrieb zu nutzen. Im Markt für FMCG funktioniert Social Selling völlig anders als im B2B-Bereich, auf den wir uns hier konzentrieren wollen. Im Business-Kontext geht es oft um erklärungsbedürftige Produkte und Lösungen, hohe Investitionsbeträge und lange Entscheidungsprozesse. Die klassische Customer Journey ist hier noch recht stabil und linear: Zunächst gilt es, die Aufmerksamkeit potenzieller Kunden zu gewinnen. Dann können Unternehmen erklären, was sie allgemein tun, was sie für den Interessenten in seiner ganz spezifischen Situation tun können, was sie besser tun als andere und warum der Interessent möglichst jetzt handeln sollte.

 

LinkedIn als optimaler Partner

Auch Challenger müssen Interessenten durch diese Journey führen. Im Kontext von Social Selling ist das weltweit grösste Business-Netzwerk LinkedIn hier der optimale Partner. LinkedIn versammelt inzwischen mehr als 13 Millionen Mitglieder in Deutschland, Österreich und der Schweiz und mehr als 15 Millionen deutschsprachige Mitglieder insgesamt. Damit liegt das Netzwerk nicht mehr weit hinter Xing, und bietet Challengern darüber hinaus einen enormen Vorteil: Die Möglichkeiten, eigene Inhalte zu veröffentlichen, sind bei LinkedIn weit besser als bei Xing. Dementsprechend hat sich bei LinkedIn eine lebhafte Timeline mit vielen Interaktionen entwickelt, auf der sich Mitglieder auch Inspiration holen und sich nach Business-Partnern umsehen.

 

Finden und gefunden werden

Wie sieht nun ein optimaler Social-Selling-Prozess auf LinkedIn aus? Immer mehr Vertriebler arbeiten mit dem LinkedIn-Sales-Navigator. Mit diesem Tool können sie interessante Kontakte in einer eigenen Timeline sammeln und sehen deren öffentliche Updates. So können sie den optimalen Zeitpunkt der Ansprache besser einschätzen. Kontaktieren sie den Kontakt dann zum Beispiel über ein LinkedIn-InMail, wird sehr wahrscheinlich Folgendes passieren: Bevor die adressierte Person antwortet, sieht sie sich das Profil des Absenders an. Wer kontaktiert mich da? Für welches Unternehmen arbeitet die Person auf welcher Stelle, ist das jemand, dem ich antworten sollte? 

 

Profilcheck vorbereiten

Auf diesen Profilcheck sollten Challenger perfekt vorbereitet sein. Folgende Aspekte sind wichtig: Ist das Profilbild professionell? Unterstützt das Hintergrundbild einen guten ersten Eindruck? Ist die Positionsbeschreibung allgemeinverständlich und weist sie auf die eigene Expertise hin? Existieren drei bis fünf Sätze Profilbeschreibung, die etwas mehr Hintergrund vermitteln? Sind die Karrierestationen gepflegt und ebenfalls mit Kurzbeschreibungen versehen? Sind Skills hinterlegt und von anderen bestätigt? Gibt es vielleicht sogar Referenzen? Soweit zur Pflicht, nun zur Kür: Sind die Inhalte, die der Vertriebler regelmässig in der Timeline oder im LinkedIn Blog teilt interessant und hilfreich? Lässt sich daraus auf sein Kompetenzgebiet schliessen?

Wer auf diese Fragen viele positive Antworten erhält, kann sehr wahrscheinlich mit einer Antwort auf die eigene Anfrage rechnen. 

 

Keine Zeit für Inhalte

Die kurzen und langen Inhalte, die jeder auf LinkedIn teilen kann, spielen gerade für Challenger tatsächlich eine entscheidende Rolle – und genau daran scheitern viele Social-Selling-Programme derzeit noch. Hier könnten Challenger ihre Expertise perfekt vermitteln, ihre Leser herausfordern, neu zu denken, Trends und geschäftsrelevante Entwicklungen aufzeigen. Vertriebsmitarbeiter wissen um diese Möglichkeit und haben das Potenzial auch erkannt – dass sie es trotzdem nicht schaffen, Inhalte zu teilen, liegt letztendlich am Zeitmangel. «Weiss ich, wir hatten all die Trainings, aber ich komme nicht dazu» – diese Aussage habe ich schon zu oft gehört. 

 

PR an Bord holen

Es gibt eine erstaunlich einfache Lösung für dieses Problem: Die Vernetzung mit der PR-Abteilung. Die PR arbeitet tagtäglich an nichts anderem, als die erklärungsbedürftigen Produkte und Lösungen des eigenen Unternehmens unterschiedlichsten Zielgruppen zu vermitteln. PR-Profis arbeiten auch über die Produktebene hinaus, verknüpfen ihr Unternehmen mit den grossen, gesellschaftsprägenden Debatten. PR-Profis haben alles, was Challenger-Sales-Profis brauchen – die Story und vor allem ganz viel Content. 

 

Professionelle Vorbereitung

Ein einfaches Copy-Paste der Inhalte ist allerdings nicht zu empfehlen. Der Weg zum Challenger-Sales-Profi und zu erfolgreichem Social Selling auf LinkedIn sieht folgendermassen aus:

  1. Challenger identifizieren: Starten sie klein, wir testen erst einmal. Fünf Vertriebler, die eine Affinität zu Sozialen Medien haben und in Bereichen arbeiten, die Ihr Unternehmen gerne besser unterstützen will, müssen identifiziert werden. 
  2. Themenworkshop: Bevor die Profile der Vertriebler optimiert werden, muss klar sein, wer für welche Themen steht. Oft gibt der Vertriebsbereich Themen vor, aber nicht immer. Neben der Expertise der Vertriebler sollte hier auch eine Aussenperspektive einfliessen: Welche Themen sind gerade spannend für den Markt? Ein optimales Ergebnis eines Workshops: Wir haben Vertriebler den Themen zugeordnet, zu denen sie viel wissen und die am Markt auch gerade auf grosses Interesse stossen. 
  3. Themenkalender: Für jeden Vertriebler sollte die PR-Abteilung nun schon einen Redaktions- oder Themenkalender entwickeln: Zu welchem Aspekt wird in welcher Frequenz und in welchem Umfang welcher Inhalt ausgespielt – diese Fragen werden darin beantwortet. So wissen Vertriebler und PR-Profis wann was ansteht und können besser planen. 
  4. Profiloptimierung: Die Optimierung der individuellen Profile kann parallel zur Erstellung des Kalenders passieren. Die oben genannten Punkte sind hier wichtig. Da Profile dann besonders aussagekräftig sind, wenn Dritte die eigenen Skills bestätigen oder Referenzen erteilen, sollten sich die Vertriebler nicht scheuen, Kollegen oder Vorgesetzte um genau diese Bestätigungen zu bitten. 
  5. Short-Content-Service: Sind die Profile optimiert, geht es darum, laufend gute Inhalte zu teilen. Zwei, dreimal die Woche kurze Inhalte, zum Beispiel Links zu spannenden Artikeln oder Analysten-Berichten mit einer kurzen Einordnung, Insights aus Konferenzen oder Kurzberichte von Veranstaltungen etc. All das kann die PR-Abteilung vorbereiten und in täglichen oder wöchentlichen «Social Sharable»-Mails an die betreffenden Vertriebler geben. 
  6. Lange Artikel: Die langen Artikel sind die Königsdisziplin auf LinkedIn – hier hat jeder Platz und multimediale Möglichkeiten, Wissen zu teilen. Auch diese Artikel kann die PR durch Ghostwriter vorbereiten lassen. Ist ein Artikel erstellt und auf LinkedIn gepostet, sieht ihn zunächst nur das Netzwerk des Vertrieblers. Wird der Artikel geklickt und gelesen, kann es passieren, dass der LinkedIn-Algorithmus den Beitrag bemerkt und dem LinkedIn-Redaktionsteam zur Weiterverbreitung vorschlägt. Passiert das, lassen sich sehr gute Reichweiten mit tausenden von Lesern erzielen. 
  7. Lead-Generation-Content: Erklärungsbedürftige Themen oder Lösungen lassen sich auch als Ebook gut vermitteln. PR und Marketing arbeiten oft gemeinsam an der Erstellung und am Rollout solcher Lead Generation-Dokumente, vergessen aber den Vertrieb. Gibt es solche Ebook, sollten Vertrieber ebenfalls einen Long-Form-Post dazu erhalten und sie ausserdem auch selbst über LinkedIn – es ist möglich, Nachrichten auch mit PDF-Anhängen zu versehen – zu verteilen. 
  8. Profi-Lösungen: Oft beginnen koordinierte Social Selling-Programme sehr pragmatisch. Das PR-Team liefert den ersten fünf Social Sellern Inhalte individuell per Email zu. Kommen dann aber mehrere Vertriebsteams dazu, lohnt sich die Anschaffung einer Profi-Lösung, um Inhalte zum Weiterteilen bereitzustellen. 
  9. LinkedIn-Gruppen: Auf LinkedIn kann jedes Mitglied Gruppen anlegen. Challenger sind Experten und die Chancen stehen gut, dass andere den Experten-Content lesen und diskutieren wollen. Warum also nicht eine Gruppe zum Kernthema starten oder sich aktiv an anderen Gruppen beteiligen? 
  10. Erfolg messen: Die LinkedIn-Bordmittel reichen aus, um den Erfolg der eigenen Präsenz zu messen und ggf. nachzujustieren. Eine nette Spielerei ist LinkedIns Social Selling Index, eine Art Benchmark, mit dessen Hilfe jeder sehen kann, wie gut ihn LinkedIn im Bergleich zu anderen schon in Bezug auf Social Selling einschätzt. 

LinkedIn hat sich in einer eigenen Studie angesehen, wie sich Social Selling auf die Ergebnisse auswirkt. Hier ein Auszug aus der Pressemeldung zur Studie: «Wer im Vertrieb soziale Medien einsetzt, um sich besser über seine Kontakte zu informieren oder eine Beziehung zu ihnen aufzubauen, ist erfolgreicher – sowohl was das Erreichen der Vertriebsziele betrifft als auch in Bezug auf das Gehalt. 58 Prozent der Befragten haben demnach ihre Ziele erreicht. Fast drei Viertel (72 Prozent) der erfolgreichen Vertriebler in dieser Gruppe setzen auf Social Selling.»

Das ist doch nochmal eine schöne Motivation zum Schluss, meinen Sie nicht? Meine ich auch. Wie beginnen wir nun am besten? Mit einem Kaffee würde ich vorschlagen. Am Prozess wird deutlich, wie wichtig es inzwischen geworden ist, über die Silo-Grenzen der eigenen Bereiche hinauszuschauen. In welcher Position sind Sie aktuell tätig? In der PR? In der Werbung? Haben Sie sich denn schon mit Ihrem Vertriebsteam ausgetauscht und die Möglichkeiten eines Social Selling-Programms erforscht? Höchste Zeit für einen gemeinsamen Kaffee, würde ich sagen. Der ist für diesen Fall dann doch immer noch die beste Methode, um Menschen zusammenzubringen und ein erfolgreiches Social Selling-Programm auf die Beine zu stellen.

Florian-Hohenauer---SSI

* Florian Hohenauer leitet die Geschäfte der Kommunikationsberatung Hotwire im DACH-Raum. Hotwire unterstützt unter anderem LinkedIn seit 2012 bei der Kommunikation im DACH-Markt. Ausserdem begleitet Hotwire Social-Selling-Projekte und bringt dafür Sales, PR und Marketing zusammen.

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