Google überholt 2018 die Schweizer Medien bei den Werbeeinnahmen

2018 schöpfen Google und Facebook in der Schweiz voraussichtlich erstmals mehr Werbegelder ab, als die etablierten Schweizer Medien zusammen. Die Branche will nun endlich handeln.

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Die Debatte ist dringend nötig, wurde im Februar auf die Zeit nach der No-Billag-Initiative angekündigt (Werbewoche.ch berichtete), verschoben und soll nun endlich stattfinden: Die Schweizer Werbemarktplayer SRG, Ringier, Tamedia, Admeira, Goldbach, Swisscom und der Verband Schweizer Medien wollen sich an den runden Tisch setzen und unter der Leitung von KS/CS Kommunikation Schweiz diskutieren, was man gegen den ständig steigenden Abfluss von Werbegeldern an die IT-Giganten aus den Ausland tun will.

Während sich die Schweizer Player teilweise in den Haaren liegen, sich um die Publicitas-Nachfolge kümmern oder sich gegen die drohende Abschaffung des Service publics wehren müssen, kassieren Facebook und vor allem Google immer stärker ab. 2018 sollen die beiden US-Giganten gemäss Schweiz am Wochenende in der Schweiz erstmals die 2-Milliarden-Hürde knacken und damit die Werbeeinnahmen der gesamten Schweizer Medienlandschaft in den Sparten Print, Fernsehen, und Radio (ohne Online) überholen.

Werbeerträge von Google und Facebook wachsen schnell

Während die etablierten Medienakteure mit ständigen, strukturbedingten Rückgängen der Werbeeinnahmen zu kämpfen haben, legt die Konkurrenz aus Übersee zu: 50 Prozent soll das Wachstum von Google und Facebook 2018 betragen, schätzen Brancheninsider. Jetzt schon liegen die Schweizer Umsätze der beiden Konzerne eine halbe Milliarde Franken höher, als es Prognosen im Januar vermuten liessen.

Es scheint, als sei vor allem Google zum übermächtigen Gegner geworden – innert kürzester Zeit. So hat Media Focus dem Konzern 2016 einen Umsatz von «nur» 450 Millionen Franken zugeschrieben. 2018 könnten es gemäss Expertenschätzungen bereits 2,1 Milliarden (!) Franken sein. Rutschen die Schweizer Medien gleich stark ab wie im vergangenen Jahr – und damit unter die 2-Milliarden-Grenze –, dürfte also alleine Google mehr Werbeumsätze generieren als der Rest.

Weder Google noch Facebook kommunizieren lokale Daten. Gewisse Zahlen beruhen auf den Schätzungen gut informierter Brancheninsider.

Google & Co. sollen Beitrag an die Medien entrichten

Da Google und Facebook die Umsätze zu einem Teil mit externen journalistischen Inhalten machen, besteht schon länger die Forderung, dass die Tech-Konzerne einen Teil der Werbeeinahmen wieder den Medien zukommen lassen müssten. So etwa SP-Nationalrat Matthias Aebischer, der fordert, Google und Facebook müssten «einen finanziellen Beitrag leisten an das demokratische Mediensystem der Schweiz». Auch stört er sich daran, dass TV-Sender dazu verpflichtet seien, einen Teil ihrer Einnahmen dem Schweizer Film zukommen zu lassen, während etwa Anbieter wie Netflix keinerlei Regeln ausgesetzt sind und die gesamten Einnahmen ins Ausland abfliessen lassen. Schweizer Gesetze müssten auch im Internet gelten, findet Aebischer, der auch Präsident des Film-Dachverbandes Cinésuisse ist.

Allianzen als Konkurrenz aufbauen

Für Edi Estermann, Leiter der SRG-Medienstelle, gibt es nur einen Weg, um Google & Co. die Stirn zu bieten: Allianzen wie Admeira, «um mit einer gewissen Grösse dagegenhalten zu können». Das Vermarktungs-Joint-Venture wurde von SRG, Swisscom und Ringier unter anderem mit dem Ziel lanciert, eine schlagkräftige Konkurrenz zu Facebook und Google zu entwickeln. Seither wurde vor allem branchenintern über die Rolle der SRG gestritten. Mittlerweile plant die SRG, ihre Admeira-Anteile zu verkaufen (Werbewoche.ch berichtete). Admeira-Kritikerin Tamedia wiederum will mit der Übernahme von Werbevermarkter eine eigene Konkurrenz zu Google, Facebook – und Admeira – aufbauen.

Gemeinsame Plattform als mögliche Lösung

Inwiefern man sich am von KS-Präsident Filippo Lombardi geleiteten runden Tisch einig wird, bleibt offen. Die Rede ist etwa von einer gemeinsamen Plattform, welche mit Fördergeldern entwickelt werden und den Schweizer Medienanbietern für die Vermarktung zur Verfügung stehen soll. Laut Lombardi nur einer von verschiedenen Ansätzen.

«Neue nationale Plattformen für Marketing und Werbung» seien der richtige Ansatz, findet auch Bakom-Direktor Philipp Metzger im Interview mit der Schweiz am Wochenende. Diese müssten eine kritische Grösse haben, um im internationalen Kontext mithalten zu können – Kooperationen seien deshalb wichtig.

Wenn sich zwei streiten…

Solange sich die Schweizer Medien nicht zusammenraufen und eine schlagkräftige, funktionierende Allianz gegen den Abfluss von Werbegeldern schmieden, werden sich Google und Facebook weiter ins Fäustchen lachen und sich an den steigenden Milliarden-Umsätzen erfreuen. Vermutlich weiterhin ungestört von der Wettbewerbskommission, die ansonsten jede Fusion im Medienbereich akribisch prüft. Die Wettbewerbspolitik stosse bisweilen an Grenzen, sagt Bakom-Chef Metzger. Es zeige sich, wie schwierig es sein könne, Giganten wirkungsvoll ins Recht zu fassen oder gar aufzusplitten. «Marktentwicklungen sind oft schneller als Reglementierungsversuche. Giganten sind manchmal keine mehr, bevor man sie reglementieren kann. Weil sie Mühe bekunden, gegenüber neuen Produkten von Mitbewerbern zu bestehen.» (hae)

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