«Doofer Werbegag»: Frank Baumann wettert, Bergün hebt Fotoverbot auf

Zumindest die Experten, die vom Blick befragt wurden, lassen an der Bergün-Kampagne von Jung von Matt kein gutes Haar. Die Aufhebung des Verbots ist beschlossen – und war längst geplant.

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Das Interesse der Medien ist gross und Bergün seit zwei Tagen in aller Munde. Nachdem am Dienstag die Mitteilung über ein angebliches Fotoverbot in Bergün verschickt wurde, betrat das Bündner Bergdorf, das sonst vor allem durch den Schlittelsport bekannt und beliebt ist, die vermutlich grösste öffentliche Bühne in seiner Geschichte.

Bereits am Dienstag zeichnete sich nach einem Blick in die Kommentarspalten der grossen Newsportale ab, dass die Aktion aber vielen Menschen in den falschen Hals geriet und vor allem falsch – nämlich als ernst gemeintes Verbot – verstanden wurde (Werbewoche.ch berichtete).

«Absolut doofer Werbegag»

In der Donnerstags-Ausgabe des Blick treten zwei Prominente nach. Ex-Werber Frank Baumann hat nicht viel, bzw. nichts übrig für die Aufsehen erregende Aktion und nimmt entsprechend kein Blatt vor den Mund: «Für mich ist die plumpe Aktion der Bergüner ein absolut doofer Werbegag. Das ist nicht nur schädlich für die Bergüner, es ist auch kontraproduktiv für den Tourismus im Allgemeinen.» Der «verzweifelte» Ort sei offensichtlich vom Aussterben bedroht, um ein Fotoverbot ins Leben zu rufen, mutmasst der Direktor des Arosa Humorfestivals. «Mit etwas Grips hätte man zu effizienteren Mitteln greifen können, um Besucher anzulocken», sagt er zu Blick. Und: «So ein dummes Witzli kostet zwar nichts, bringt aber mit Sicherheit auch keine zusätzlichen Touristen».

Der zweite Experte, den Blick befragt hat, ist ganz Baumanns Meinung. Der 80-jährige Hotelier Art Furrer findet, es sei «völliger Stumpfsinn». Furrer geht wie viele Kommentatoren nicht auf den augenzwinkernden Charakter der Kampagne ein: «Touristen fotografieren gerne alles.» Das sei doch die billigste Werbung die es gebe – das Verhalten von Bergün gerade in dieser Zeit deshalb «völlig daneben».

Internationales Medienecho

Derweilen hat die Kampagne auch international ein Medienecho ausgelöst. Er sei «kaputt», aber es gehe ihm gut, sagt der Bergüner Tourismusdirektor Marc-Andrea Barandun gegenüber der Nachrichtenagentur SDA: «Seit zwei Tagen läuten meine drei Telefone gleichzeitig».

Die SDA schreibt denn auch, die Aktion werde im restlichen Bünderland «eher belächelt». Der Tenor: Die Aktion hält sich ohnehin nicht länger als ein paar Tage in den Medien, hingegen könne man mit dem Verbot in kurzer Zeit viel Goodwill verspielen bei anwesenden Gästen. Und die Touristen in Bergün reagieren laut Umfragen der Bündner Medien verwirrt bis verärgert. Man wolle ja nicht den Kirchturm nach Hause nehmen, sondern ein Bild davon, wird ein Zürcher Wanderer von der Südostschweiz zitiert.

Dennoch: Die Aktion hat mit einem kleinen Budget das ebenso kleine Bergün innert kürzester Zeit auf die öffentliche Landkarte katapultiert. Und hat so bei vielen Leuten, die bisher noch nie etwas vom Bündner Bergdorf gesehen oder gehört haben, eine aktive Neugier geweckt haben. Das zeigt ein Blick in die Google Trends: Die Suche nach Bergün hat nach dem Launch der Kampagne weltweit – und besonders auch in Deutschland – sprunghaft zugenommen.

Bergün hebt Verbot auf

Ob es sich bei der Kampagne wirklich nur um ein «dummes Witzli» handelt, wird sich also noch zeigen. Beziehungsweise handelte – denn laut 20 Minuten hat Bergün trotz zwischenzeitlicher Beteuerungen, daran festzuhalten, inzwischen verlauten lassen, das Verbot an der nächsten Gemeindeversammlung wieder aufzuheben. Dies stehe in der Antwort, die die Gemeindekanzlei Bergün am Donnerstag an eine Person verschickt habe, die sich über das Fotografierverbot beschwerte.

Wie die SDA am späten Donnerstagnachmittag schreibt, sei die rasche Aufhebung von Anfang an geplant gewesen. «Das Fotoverbot ist eine Aktion in mehreren Akten mit einer geplanten Dramaturgie», so Cyrill Hauser von Jung von Matt/Limmat. «Wir haben mit Kontroversen gerechnet», sagt er zur Nachrichtenagentur. Vom Ausmass der negativen Kommentare sei man nicht überrascht worden. Zudem würde sich die negative Welle bereits jetzt legen und positive Kommentare sich häufen. Im Ausland sei die Aktion von Anfang an positiver aufgenommen worden als in der Schweiz. (hae)

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