«Wir wollen unsere Arbeit nicht davon beeinflussen lassen»

Mit Yves Marty und Gianluca Trezzini haben es zwei junge Branchenvertreter in die Forbes «30 under 30» geschafft. Werbewoche.ch hat mit den Gründern der seit 2018 tätigen Agentur Marty–Trezzini gesprochen.

Yves Marty (links) und Gianluca Trezzini von Marty–Trezzini wurden in die Forbes «30 under 30» platziert. (Bild: zVg.)

Werbewoche.ch: Marty-Trezzini erhalten als Personen – und als Agentur – die Anerkennung des wichtigsten Wirtschaftsmediums der Welt: Herzlichen Glückwunsch, Gianluca Trezzini und Yves Marty, für eure Platzierung in den Forbes «30 under 30» des Jahres 2022. Wie habt ihr von Eurer Platzierung erfahren?

Yves Marty: Vor einigen Monaten hat uns Forbes mitgeteilt, dass wir auf der Shortlist für die 30 under 30 Nomination sind und die Jury bis November die Listmaker aussucht. Danach haben wir jedoch bis zuletzt gezittert.

Gianluca Trezzini: Erst um Mitternacht, am Veröffentlichungsdatum der Liste, haben wir schliesslich ein Gratulationsmail von Forbes erhalten. Das hat uns vor einer schlaflosen Nacht bewahrt. Wobei viel geschlafen haben wir dann natürlich auch nicht mehr.

 

Wie habt ihr gefeiert?

Marty: Bereits als wir am Morgen unser Büro betraten, empfing uns unser Team mit Mimosas in den Händen. Das gemeinsame Anstossen war ein wunderschöner Moment: Zu sehen, wie stolz unsere Mitarbeitenden auf uns aber auch auf sich selbst sind. So ist diese Nomination in unseren Augen ein Verdienst des gesamten Teams.

Trezzini: Am Abend feierten wir dann in der Kronenhalle und im Odeon am Bellevue weiter. So hat sich auch ein wenig ein Kreis geschlossen, denn unsere Idee zur Gründung von Marty—Trezzini kam bei einem Mittagessen im Odeon vor knapp fünf Jahren.

 

Was bedeutet euch diese «Auszeichnung» persönlich – und was bedeutet sie für die zukünftige Arbeit der Agentur?

Die Auszeichnung macht mich stolz und ist eine wunderbare Anerkennung für unser Engagement und den Drive, den wir in den letzten Jahren an den Tag gelegt haben. Neben dem Studium eine Firma in einem sehr kompetitiven Sektor aufzubauen, hat uns durchaus vor Herausforderungen gestellt. Diese Auszeichnung gilt für mich als Wertschätzung, dass sich die harte Arbeit gelohnt hat.

Marty: Mich freut es zudem, dass wir durch unsere Nomination die Kreativbranche auf der Forbes Under30-Liste repräsentieren können. Die Auszeichnung kann uns sicher die eine oder andere Tür öffnen, soll aber unsere Arbeit an sich nicht beeinflussen — denn die Qualität steht schon seit Beginn immer im Zentrum unserer Projekte. Ich hoffe jedoch, dass wir durch diese zusätzliche Resonanz weitere kreative Köpfe auf uns aufmerksam machen können, die künftig vielleicht in unserem Team arbeiten möchten.

 

Eure Agentur gibt es seit 2018. Von Beginn an war klar: Ihr macht sowohl Kreation und Strategie als auch Produktion – ein für die Branche ungewöhnliches Konzept. Welche Erfahrungen habt ihr mit diesem Approach in den vergangenen Jahren gesammelt?

Seit Beginn merken wir, dass unser Geschäftsmodell bei der Kundschaft sehr gut ankommt — vor allem in der heutigen digitalisierten Welt, in der alles schneller gehen muss. Über die letzten vier Jahre konnten wir unsere zwei Standbeine «Agentur» und «Produktion» stetig mit neuen Skills stärken und ausbauen. Klar treffen wir auch immer wieder auf kritische Stimmen aus der Branche, die uns mitteilen, dass wir uns irgendwann für eine Seite entscheiden müssen. Wir sehen dies jedoch anders. Wir wollen weder klassische Werbeagentur noch Produktionsfirma sein. Sondern einfach Marty—Trezzini.

Trezzini: Für uns als Dienstleister aber auch für unsere Kunden resultiert unser Hybrid-Ansatz in erster Linie in einer effizienteren und klareren Kommunikation, kürzeren Entscheidungswegen und letztlich stimmigeren Resultaten. Eine Herausforderung liegt sicherlich darin, dass hier zwei verschiedene Arbeitskulturen aufeinandertreffen, die unterschiedlich funktionieren. Deshalb legen wir seit Beginn viel Wert auf unsere eigene Unternehmenskultur, die wunderbar harmoniert und meines Erachtens zu unseren grössten Stärken gehört.

 

Was waren die grössten Challenges, die ihr als Jungunternehmer meistern musstet?

Eine der grössten Challenges für uns war sicher, die Firma neben unserem Studium und ohne Fremdfinanzierung aufzubauen. Wir haben damals bei der Gründung den Entscheid gefällt, unser Unternehmen aus eigenen Geldern zu finanzieren – dies in erster Linie, um ein organisches Wachstum anzustreben und unsere Unabhängigkeit beizubehalten.

Marty: Aus dieser Herausforderung haben wir jedoch gelernt, Prioritäten zu setzen und mit viel Stress umzugehen. Man muss manchmal einfach auf gewisse Dinge verzichten, um das Interesse des Unternehmens im Fokus zu behalten. Ich denke, bei jeder Person, die eine Firma gründet, vermischt sich das Privat- und Arbeitsleben über die Zeit immer stärker. Dies soll aber nicht heissen, dass wir keine Work-Life-Balance haben. Wir sehen unsere Arbeit zeitgleich als Hobby, haben jedoch auch gelernt abzuschalten, wenn es notwendig ist.

 

Welche Projekte machen euch besonders stolz?

Trezzini: Besonders stolz sind wir auf ein Pro-Bono-Projekt, das wir vor einigen Jahren für den damals einjährigen Michael aus Deutschland umgesetzt haben. Der kleine Junge litt an der schweren Erberkrankung SMA, wofür die einzige Überlebenschance die einmalige Infusion eines Medikaments für 2,1 Millionen Euro lag. Um Spenden zu sammeln, durften wir die Videokampagne «Muscles for Michael» lancieren, die kurzerhand viral ging, zu Beiträgen in den grössten deutschen Medien führte und sich letztlich in ein Politikum verwandelte: Medienwirksam übernahm die Krankenkasse schliesslich Michaels Behandlungskosten, so dass unsere gesammelten Spendengelder für ein anderes Kind eingesetzt werden konnten.

Marty: Diese Geschichte hat uns beide stark geprägt, zeigte uns das Potenzial unserer Arbeit auf und treibt uns bis heute an. Es gibt viele weitere Arbeiten, auf die wir stolz sind. Insbesondere freut es uns immer, mit Kunden zu arbeiten, die seit dem Start von Marty— Trezzini auf uns gesetzt haben. Beispielsweise durften wir gerade kürzlich den Launch-Spot für das Schweizer Elektrofahrzeug Microlino produzieren. Lustigerweise war unser erster Spot, den wir mit Marty—Trezzini vor über vier Jahren umgesetzt haben, auch für den Microlino. Diese Loyalität und dieses Vertrauen bereitet uns viele Freude.

«30 under 30»-Erwähnungen bedeuten auch, dass man in den kommenden Jahren genau hinschauen wird, was für Arbeit Ihr macht – derartiges Lob ist ja auch immer eine Hypothek. Wie reagiert ihr darauf?

Nervös macht uns der Platz auf der «30 under 30»-Liste nicht. Unsere Arbeit wollen wir nicht davon beeinflussen lassen, denn unser Streben nach hoher Qualität hat nichts mit der Liste zu tun. Natürlich spornt uns die Nomination aber an, unsere nächsten Ziele zu erreichen.

Trezzini: Wir freuen uns sehr auf alles, was noch kommt und wir haben grosse Pläne für die Zukunft, welche wir mit unserem Team erreichen möchten. Langweilig wird es uns also bestimmt nicht.

 

Aus Eurer Perspektive: Wohin entwickelt sich die Kommunikationsbranche in der Schweiz? Was muss die «Agentur der Zukunft» bieten können, um erfolgreich zu sein?

Marty: Die Kommunikationsbranche in der Schweiz ist im Wandel, wie überall auf der Welt. Wir merken, wie sich die Anforderungen der Kunden fortlaufend ändern. Wenn man als Dienstleister stehen bleibt, läuft man erstaunlich schnell Gefahr, den Zug zu verpassen und irrelevant zu werden. In der Kreativindustrie haben wir jedoch eigentlich die wohl besten Voraussetzungen zur Innovation und zum «Andersdenken» — diese Chance müssen wir nutzen. Ich kann mir vorstellen, dass die Kreativität in Zukunft einen noch höheren Stellenwert einnehmen wird, um den Kampf um die Aufmerksamkeit der Konsument:innen erfolgreich zu meistern. Ich wünsche mir für die Zukunft, dass in der Schweizer Werbebranche mehr Kollaboration, auch zwischen verschiedenen Agenturen, stattfinden wird.

Trezzini: Die «Agentur der Zukunft» muss am Puls der Zeit sein, auf Trends blitzschnell reagieren können und ihrer Kundschaft ein sehr flexibles und anpassungsfähiges Dienstleistungsangebot bieten können. Die Schweizer Kommunikationsbranche muss mit ihrer Innovationskraft und dem hohen Wirtschaftsniveau im weltweiten Vergleich wieder oben mitspielen können. Es kann nicht sein, dass wir an den Cannes Lions letztes Jahr leer ausgingen. Yves, wann holen wir unseren Löwen?


Gianluca Trezzini Gianluca hat seine Passion für das Unternehmertum bereits früh entdeckt. In der Schule betrieb er ein Vermittlungsbüro für Menschen, die Senioren in der Nachbarschaft in ihrem Alltag entlasten wollten. Während seinem Jurastudium an der Universität Zürich Co-gründete er dann mit Yves Marty das Creative House Marty—Trezzini. Neben der Geschäftsführung leitet er heute die Produktionsabteilung des Unternehmens. Nebenbei betreibt er eine Managementagentur, die junge Talente aus der Film- und Musikbranche betreut.

Yves Marty ist in Zürich aufgewachsen, hat Betriebswirtschaftslehre an der HSG studiert und dort auch den Master in Business Innovation absolviert. Durch einen Nebenkurs an der Universität ist er schliesslich auf seine Passion des Filmemachens gestossen und konnte kurz darauf eine Web-Serie für SRF produzieren. Anschliessend gründete er während seines Studiums gemeinsam mit seinem Jugendfreund Gianluca Trezzini das Unternehmen Marty—Trezzini. Heute ist er als Teil der Geschäftsführung vor allem für die strategische Weiterentwicklung des Unternehmens sowie für unterschiedliche Kundenmandate im Kreativ- und Produktionsbereich tätig.

Marty—Trezzini vereint Strategie, Kreation und Produktion unter einem Dach. 2018 in Zürich gegründet, realisiert die Agentur Kampagnen und Marketingstrategien sowie Film-, Foto- und Content-Produktionen für jedes Format und jeden Bildschirm. Die Agentur betreut Kunden wie Amazon, Rivella, Twint oder Schweiz Tourismus umsetzen.

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