Zeitgeist Report: Was die Schweiz bewegt – Interview mit Lukas Diem, TBWA\ Zürich

Lukas Diem, Strategy Director und Mitglied der Geschäftsleitung TBWA\ Zürich, spricht mit Werbewoche.ch über den neuen Zeitgeist Report und die wichtigsten kulturellen Trends der Schweiz.

Werbewoche.ch: Mit dem Zeitgeist-Report bringt TBWA\Zürich sich nicht nur als Agentur, sondern auch als «Thought Leader» in den Diskurs ein. Wie entstand die Idee zu dem Projekt?

Lukas Diem: Dass wir uns mit dem Thema Zeitgeist befassen, ist für die TBWA\ nichts Neues. Bereits in den vergangenen Jahren haben wir immer wieder Trends in der Schweiz untersucht und Content dazu entwickelt und diesen unter anderem auch in der Werbewoche regelmässig veröffentlicht. Mit dem neuen Zeitgeist Report wollten wir wieder frischen Wind in dieses Thema bringen und unserem Anspruch als führender Player im Bereich Cultural Intelligence gerecht werden.

 

Und warum ist es wichtig, dass Agenturen Trend-Reporte nicht nur kennen und für ihre Kund:innen analysieren – sondern auch selbst schreiben?

Als Agentur ist es unsere Aufgabe, sich mit Konsumentenverhalten zu befassen und die Marken unserer Kunden auf relevante Art in der aktuellen Kultur zu verankern. Vor diesem Hintergrund ist es entscheidend, sowohl vorherrschende Trends genau zu verstehen, als auch sich abzeichnende kulturelle Dynamiken frühzeitig zu antizipieren. Natürlich gibt es bereits zahlreiche andere Quellen, welche man da zu Rate ziehen kann, und das tun wir genau so wie alle anderen. Als Teil des TBWA\ Netzwerks haben wir aber ein Ass im Ärmel – Die Zeitgeist Spotter. Das sind rund 300 Kolleg:innen weltweit, die systematisch Trends und kulturelle Veränderungen dokumentieren. Die gesammelten Erkenntnisse werden jährlich in den sogenannten «Edges» zusammengefasst und uns zur Verfügung gestellt. Das allein ist bereits eine grossartige Grundlage, die wir seit jeher in unserer Arbeit einsetzen. Jetzt wollten wir aber einen Schritt weiter gehen und haben diese globalen Trends lokal validiert, in dem wir die Schweizer Bevölkerung dazu befragt haben. Damit haben wir jetzt ein noch klareres Bild davon, was die Schweiz heute bewegt und wohin sich Einstellungen und Verhalten der Menschen hierzulande entwickeln.

 

Unsere Welt verändert sich ständig und mit zunehmender Geschwindigkeit. Sich als Marke damit nicht auseinanderzusetzen, ist keine Option.

 

Was sind Ihre wichtigsten Ziele mit dem Report, und wie wird er bisher angenommen?

Mit dem Report teilen wir nun die wichtigsten Erkenntnisse aus dieser Studie. Im Hintergrund haben wir zudem eine umfassende Datenbasis geschaffen, die es uns erlaubt, in die Tiefe zu gehen und für unsere Kunden spezifische Erkenntnisse zu gewinnen. Ziel ist naturgemäss, dass dadurch unsere Arbeit, und damit der kommunikative Auftritt unserer Kunden weiter an kultureller Relevanz gewinnt. Das Interesse und die Rückmeldungen zum Zeitgeist Report zeigen uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Es liegt auf der Hand – unsere Welt verändert sich ständig und mit zunehmender Geschwindigkeit. Sich als Marke damit nicht auseinanderzusetzen, ist keine Option.

«Edges» Map aus dem Zeitgeist Report.
«Edges» Map aus dem Zeitgeist Report.

Wie sind Sie methodologisch bei der Erstellung vorgegangen? Das Ermitteln von Trends und gesellschaftlichen Entwicklungen kann ja ein heikles und komplexes Unterfangen sein…

Das stimmt. Nicht alles, was in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird, ist automatisch ein Trend. Trends sind zudem nicht zwingend in der gesamten Gesellschaft relevant, und auch nicht jeder ändert sein Verhalten, nur weil andere es tun. Da gilt es eben, genau hinzusehen. Wie oben erwähnt, haben wir als zunächst die von unseren Zeitgeist Spottern global dokumentierten Trends auf ihre Relevanz in der Schweizer Gesellschaft geprüft. Dazu haben wir für jeden Trend abgefragt, ob dieser erstens beobachtet wird und zweitens, ob die Befragten selbst sich als Teil dieser Bewegung sehen. Am Ende konnten wir so einordnen, wie sehr sich der jeweilige Trend in Schweiz bereits manifestiert. Um der Diversität innerhalb der Bevölkerung gerecht zu werden und zu verstehen, in welchen Teilen der Gesellschaft ein Trend in welchem Masse auftritt, haben wir die Befragten segmentiert. Hier war die Omnicom Media Group mit ihrem Research Know-how ein wertvoller Partner. Wir haben nicht einfach nach demographischen Merkmalen segmentiert, sondern anhand von Interessen und Affinitäten zusätzlich Cluster innerhalb der Bevölkerung identifiziert. Wir glauben, dass uns das ein noch viel präziseres Bild davon gibt, wo sich Trends in der Schweiz abzeichnen. Aus diesen Erkenntnissen haben wir dann Handlungsempfehlungen für Markenkommunikation, sowie für Kommunikations- und Medienplanung abgeleitet.

 

Es geht häufig um eine Art von Rückbesinnung

 

Was sind – Ihrer Meinung nach – die wichtigsten Erkenntnisse des Zeitgeist-Reports

Von den 36 «Edges», also den global dokumentierten Trends, sind zehn in der Schweizer Gesamtbevölkerung zu beobachten, weitere zehn Trends zeichnen sich in einem oder mehreren Segmenten ab. Thematisch geht es um nachhaltigen Konsum, Mobilitätsverhalten, neue Schönheitsideale und eine sich verändernde Einstellung zu Leistung und Arbeit. Besonders spannend und teilweise überraschend war zu sehen, welche Teile der Bevölkerung auf welche Trends ansprechen. So zeigt der Report unter anderem, dass ursprünglich höchst persönliche und private Themen wie Gesundheit, Körper und Ernährung immer mehr zum zentralen Thema von gesellschaftlichem Diskurs werden. In der Schweiz sehen sich vor allem junge Frauen dadurch häufig unter Druck gesetzt. Auch das eigene Medien- und Konsumverhalten wird von dieser Gruppe mehr und mehr hinterfragt und zum Teil radikal umgestellt, um Belastungen und Stress entgegenzuwirken. Allgemein stellen wir fest, dass es häufig um eine Art von Rückbesinnung geht. Sei es im Kontext von Werten und Traditionen, dem Umgang mit Daten und Technologien oder unserer Einstellung zur Natur.

 

Werden Sie in den kommenden Jahren verstärkt darauf setzen, nicht nur Trends in Ihre Arbeiten zu integrieren – sondern diese selbst auch zu antizipieren, oder gar zu setzen? Wohin geht da der Weg?

Definitiv ja. Cultural Intelligence soll als Standbein der Agentur weiter gestärkt und ausgebaut werden. Wir glauben fest daran, dass unsere Kunden davon profitieren. Mit «TBWA\ Shift» haben wir zudem kürzlich einen neuen Geschäftszweig ins Leben gerufen. Als Markenberatungs- und Innovationsplattform, die auch eine Kooperation mit dem Zürcher Think Tank W.I.R.E umfasst, arbeitet das Team interdisziplinär an der Früherkennung von Opportunitäten, die sich durch kulturelle und technologische Veränderung ergeben. Ob wir damit in der Lage sein werden, selbst Trends zu setzen, wird sich weisen. Jedenfalls möchten wir damit sicherstellen, dass wir gemeinsam mit unseren Kunden «ahead of the change» sind und kulturellen Wandel nicht nur antizipieren, sondern prägen.


Über den Report:

Im Zeitgeist Report 2022 stellt die TBWA\ Zürich in Zusammenarbeit mit der Omnicom Media Group Switzerland die wichtigsten kulturellen Trends der Schweiz vor. Basierend auf Erkenntnissen von über 300 global agierenden «Zeitgeist Spottern» wurde die Schweizer Bevölkerung zu mehr als 30 Trends befragt. Das Ergebnis zeigt auf, welche dieser globalen Trends in der Schweiz besonders relevant sind und wirft einen genauen Blick auf deren Bedeutung für Marken und Kommunikation. Der digitale Report kann unter www.zeitgeist-spotter.ch kostenlos bezogen werden. Eine streng limitierte Printversion ist per Bestellung via planning@tbwa.ch erhältlich.

Die Studienautor:innen Clara Burki, Strategic Planner; Lukas Diem, Strategy Director und Mitglied der Geschäftsleitung, TBWA\ Zürich
Die Studienautor:innen Clara Burki, Strategic Planner; Lukas Diem, Strategy Director und Mitglied der Geschäftsleitung, TBWA\ Zürich

Weitere Artikel zum Thema