Programmatic Advertising: «Die Schweiz hat grosses Potenzial»

Kampagnen werden effizienter, flexibler und dynamischer. Maximilian Weigel, Managing Director bei Yahoo Germany, hat mit Werbewoche.ch über die Vorteile und die zukünftige Entwicklung von Programmatic Advertising gesprochen.

(Bild: zVg. Yahoo)

Werbewoche m&k: Maximilian Weigel, wir sprechen heute über die Adtech-Plattform von Yahoo. Was können Sie grundsätzlich dazu sagen?

Maximilian Weigel: Mit fast 900 Millionen Usern pro Monat ist Yahoo heute noch immer die drittmeist besuchte Plattform im Internet. Neben dem Consumer Business haben wir über die letzten Jahre zudem unser Adtech-Business ausgebaut – dort bieten wir sowohl unseren Kunden als auch Werbetreibenden die Möglichkeit, Werbekampagnen auch über die Emerging Channels «inventaragnostisch» auszuspielen. Das heisst, dass wir zwar immer noch unsere starken Consumer Brands haben, hier aber im Auftrag unserer Kunden agnostisch mit der Kampagnenaussteuerung unterwegs sind.

 

Können Sie das genauer erklären?

Wir versuchen nicht künstlich, irgendwelche Kampagnen auf unser Inventar zu schieben, sondern gehen holistisch vor und versuchen, die bestmöglichen KPIs im Auftrag der Kunden zu gewährleisten. Wir sind komplett agnostisch, was das Inventar betrifft und mit nahezu allen relevanten Inventar-Quellen in den jeweiligen Märkten verbunden. Sei es einmal direkt auf unserer Supply-Side-Plattform oder durch die direkte Integration unserer Demand-Side-Plattform auf die weltweit oder lokal gängigen SSPs. Das ist ein sehr offener Ansatz. Der Dreh- und Angelpunkt ist unsere Omnichannel-Plattform in der Mitte.

 

Was bietet es konkret für Vorteile, wenn man Ihre Leistungen in Anspruch nimmt?

Wir sind in der Lage, die umfassenden Media-Mixes unserer Kunden vollständig End-to-End zu betreuen. Dabei können die Kunden ihre Werbegestaltung selbst umsetzen oder wir übernehmen das komplett für sie. Das heisst, der Kunde kann seine Kampagnen in unsere DSP einstellen und auf diverse Exchange-Plattformen zugreifen. Er ist dabei inventarunabhängig und auch frei in der Formatwahl. Das heisst, er kann klassische Display-Kampagnen, Video-Kampagnen und Native-Kampagnen schalten oder eben auch die Emerging Channels, wie Audio, Connected TV oder Digital Out Of Home, nutzen. Mit dem Vorteil, dass wir alles aus einer Hand bieten können: Targeting und Messung finden ebenfalls vollständig bei uns statt. Also es braucht nicht auch noch externe Vendoren, die zusätzliche Messungen machen oder verschiedene Targeting-Kriterien validieren.

 

Relevant für die Ziele des Werbekunden ist wohl auch, welche Kanäle da bevorzugt werden. Da bieten Sie auch Beratung an?

Das ist einer unserer grössten Vorteile im Vergleich zu unseren globalen Wettbewerbern. Auch von Direkt- und Agenturkunden erhalten wir das Feedback, dass wir sehr stark in der Beratung sind. Natürlich kann der Kunde, falls er das Knowhow hat und auch sein Media-Marketing-Mix schon definiert ist, dies im Testverfahren komplett autark und autonom von uns angehen. Wir können aber auch das komplette Kampagnen-Handling übernehmen und dem Kunden beispielsweise empfehlen, vielleicht auch mal andere Zielgruppen zu testen – oder eben unsere Plattform zu nutzen, die ihnen auch diverse Audience-Insights gibt sowie unter vielem anderen auch mit Look-Alike-Modeling arbeitet. Da können wir auf die bereits erwähnten 900 Millionen Nutzer im Monat zurückgreifen, also auf einen sehr grossen und soliden Datensatz.

 

900 Millionen Nutzer weltweit …wie sieht es im DACH-Markt oder in der Schweiz aus?

Wir bei Yahoo Deutschland haben uns vor mehreren Jahren dazu entschieden, die Schweiz komplett isoliert zu betrachten und anzugehen – nicht im DACH-Mix. Wir sind in den jeweiligen Märkten unterhalb der DACH-Region einzeln aktiv. Mit Netgrowth sind wir in der Schweiz lokal sehr gut aufgestellt. Allein in der Schweiz haben wir 3,5 Millionen aktive User im Jahr.

 

Kann es aber sein, dass die Schweiz in Sachen Programmatic Advertising etwas hinten nachhängt?

Gespräche mit Netgrowth und unseren Kunden zeigen mir, dass die Schweiz hier sehr schnell aufgeholt hat und den europäischen Märkten eigentlich in nichts nachsteht. Zum Beispiel sehen wir besonders auf dem Schweizer Markt ein verstärktes Interesse an DOOH. Letztes Jahr haben wir in der Schweiz Kampagnen erfolgreich umgesetzt, weil wir auch mit den lokalen Playern im Schweizer Markt gut connected sind und unseren Werbetreibenden dort eine relevante Reichweite bieten können.

 

Wie funktioniert es eigentlich auf Seite der Publisher? Kommen diese auf Sie zu oder gehen Sie auf die Publisher zu?

Das ist ein recht differenziertes Vorgehen. Zum einen betrachten wir das natürlich aus Sicht der klassischen Markt-KPIs, wo sich die grossen Inventarquellen in den jeweiligen Bereichen befinden. Zudem haben wir ein eigenes Supply Team, das unseren Bestand an Werbeinventar verwaltet und die direkte Ansprache übernimmt. So stellen wir sicher, dass wir in allen relevanten Kernmärkten auch eine entsprechende Reichweite hinter den Formaten haben. Eine Erkenntnis aus den letzten Jahren ist: Wenn etwas zu kleinteilig und zu fragmentiert angeboten wird, dann skaliert es nicht – besonders bei den Emerging Channels. Deswegen ist es unerlässlich, dass auch die grossen Player lokal angebunden sind. Wie anfangs erwähnt, ist hierbei eine Option, dass unser Supply Team mit den Inventar-Ownern spricht, also mit den Werbe-Eigentümern in den jeweiligen Märkten, und Interesse an ihrem Inventar bekundet. Wir bieten ihnen an, ihr Inventar auf unserer SSP zur Verfügung zu stellen oder ihre eigene SSP mit unserer DSP zu verbinden.

 

Ab welcher Grössenordnung ist das Thema Programmatic Advertising für Kunden interessant?

Es gibt keine Eintrittsbarriere. Das ist ja das Schöne am programmatischen Angebot und der programmatischen Nachfrage: Man stellt sein Inventar zur Verfügung – entweder auf unserer Exchange, oder man ist schon mit einer Exchange verbunden und lässt uns dann unsere DSP connecten.

 

Wie können Werbetreibende, die noch nie mit dem Thema zu tun hatten, mit Ihnen Kontakt aufnehmen?

Ich rate für das Onboarding von Inventar immer zuerst mit dem Supply Team zu sprechen. Oft ist es ja so, dass man sehr viel Arbeit und Mühe in sein Inventar steckt, womit auch eine gewisse Erwartungshaltung entsteht. Deshalb sollten die Qualitätsanforderungen mit uns abgestimmt werden – oder beispielsweise auch, ob es Kundenausschlüsse gibt. Einfach um zu wissen, wo wir uns beidseitig begegnen und was dann das bestmögliche Outcome sein wird. In der Schweiz wendet man sich am besten an unsere Kollegen von Netgrowth. Ein Vorteil unserer globalen Struktur ist, dass wir für jeden Bereich Spezialisten haben, die dann die ersten Schritte begleiten.

 

Das hört sich alles sehr kompliziert an.

Im Prinzip sprechen wir nur von digitaler Werbung. Eine Eigenart unserer Branche ist, dass viele Anglizismen und eigene Begriffe benutzt werden. Grundsätzlich geht es darum, die klassischen Medien in die digitale Welt zu transportieren und dort nahtlose Kampagnen aufzusetzen. Man kann Schritt für Schritt aus der alten, klassischen Welt auch in die diversen Kanäle der neuen, programmatischen Welt vordringen.

 

Wie sehen Sie die Zukunftsentwicklung?

Die grössten Herausforderungen, die in den nächsten Monaten und Jahren auf uns zukommen werden, betreffen Identity und Datenschutz – also, was mit Cookies passiert. Bei Third-Party-Daten wird es viel Bewegung geben. Diverse Plattformbetreiber werden damit beginnen, ihren First-Party-Datenschatz wieder aufzubauen. Folgende Fragen wird man sich dabei in der neuen Welt stellen müssen: Wie viel muss man investieren? Braucht man überhaupt First-Party-Daten? In dieser Beziehung besitzen wir bei Yahoo schon einen sehr wertvollen Schatz mit unseren Usern. Wir werden auch weiterhin alles daransetzen, die Daten transparent und in Einvernehmlichkeit mit unseren Usern zu generieren und vertrauensvoll damit umzugehen.

 

Wie sehen Sie die zukünftige Entwicklung in der Schweiz?

In der Schweiz sehen wir sehr viel Potenzial – Wachstum im zweistelligen Bereich. Wir sind uns der Besonderheiten der Schweiz bewusst und werden deswegen auch nicht versuchen – wie es andere grosse amerikanische Unternehmen gerne tun – irgendwie eine deutsche Go-to-Market-Strategie auf den Schweizer Markt anzupassen. Wir agieren hier sehr individualisiert und lokalisiert.


Maximilian Weigel ist seit 2019 Managing Director Germany bei Yahoo. Er begann 2012 seine Karriere im Verizon-Konzern und bekleidete verschiedene Management-Rollen. In den vorangegangenen Jahren arbeitete Weigel unter anderem für Unternehmen wie Ecircle, PeterPays sowie Interone Worldwide.

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