ZKB und Raiffeisen testen intelligente Werbebildschirme – ohne das Wissen der Kundschaft

Personalisierte Werbung hält auch im Out-of-Home-Bereich Einzug. Zwei Schweizer Banken führen aktuell Pilotprojekte durch. Datenschützer warnen – viele juristische Fragen sind noch offen.

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Wie die Schweiz am Wochenende in der aktuellen Ausgabe schreibt, haben in der Schweiz erste Firmen mit dem Einsatz von intelligenten Werbebildschirmen begonnen. Die Zürcher Kantonalbank etwa hat seit Mai Bildschirme im Einsatz, welche auf den Kunden abgestimmte Inhalte anzeigen. 30-Jährige etwa sehen Twint-Werbung, 40-Jährige Vorsorgepakete und 60-Jährige Nachlass-Optionen – letzteres sei «schon etwas brutal», so ein ZKB-Mitarbeiter zur Zeitung. Selbst Kinder werden erkannt, bei ihnen erscheint das ZKB-Maskottchen Filou.

Möglich machen das drei Kameras an der Decke. Diese erfassen die Kundschaft ohne ihr Wissen. Ein Hinweis sei nicht nötig, da weder Gesichter erfasst, noch gespeichert würden, so die ZKB. Einen ähnlichen Einsatz testet zur Zeit auch die Raiffeisen-Bank in St. Gallen.

Technisch steht hinter den schlauen Bildschirmen das St. Galler Startup Advertima, welches nach dem rasanten Start bereits Büros in Deutschland, Thailand und Argentinien eröffnet hat. Algorithmen werden mit hunderttausenden von Bildern gefüttert und lernen so, wie beispielsweise Frauen und Männer aussehen. Die Technologie soll auch Stimmungen von Menschen analysieren können – also merken, ob jemand lacht oder grimmig schaut. Darüber hinaus soll es in Zukunft möglich werden, aufgrund der Analyse von Mikroexpressionen die «echte» Gefühlslage von Menschen zu erkennen.

Migros ist Investor

Advertima-Chef und Mitgründer Iman Nahvi beteuert, man habe sich von Datenschutzexperten mehrfach bestätigten lassen, dass man sich im Rahmen der Gesetze bewege. Kameras in sensiblen Geschäften wie Apotheken etwa kämen nicht zum Einsatz.

Für die Technologie interessieren sich viele Werbetreibenden – teilweise ziemlich konkret, wie es den Anschein macht. So ist etwa der Migros Genossenschafts-Bund seit 2015 strategischer Partner und seit 2017 Investor bei Advertima.

Bei den den aktuellen Tests der ZKB und der Raiffeisenbank habe man auf das Informieren der Kundschaft verzichtet, weil es rechtlich nicht nötig sei und es sich«nur» Pilotprojekte, sagt Nahvi zur Schweiz am Sonntag. Für die definitive Lancierung habe man aber Kommunikationsstrategien vorbereitet. Den Menschen solle damit klargemacht werden, dass es sich um eine «freundliche, vertrauenswürdige Technologie» handle.

Juristische Grauzone

Ganz so unproblematisch, wie es die Werbetreibenden darstellen, ist das Thema aus Sicht des Datenschutzes nicht. Auch wenn im Fall der ZKB ein Zugriff auf die komplett anonymisierten Daten nicht möglich sein soll – weder durch die ZKB selbst, noch durch Advertima oder andere Drittparteien. Der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte habe sich noch nicht mit dieser Technologie befasst, sagt eine Sprecherin. Allerdings müssten Passanten informiert werden, wenn Gesichtserkennung zu Werbezwecken eingesetzt werde. Schlussendlich gehe es um biometrische Daten und das Ziel sei personalisierte Werbung – das Argument, dass keine personenbezogenen Daten erhoben würden, ziehe also nicht.

Dass die Passanten nicht auf die Analyse aufmerksam gemacht werden, findet auch auch ZHAW-Marketing-Dozentin Adrienne Suvada heikel. Es fehle aber bisher eine spezifische Gesetzgebung für den Einsatz solcher Technologien.

Mit ihrer Einschätzung, dass viele Leute diese ohne Einwilligung nicht goutieren würden, dürfte Suvada richtigliegen. Das zeigt etwa das Beispiel von Valora: Das Unternehmen analysierte 2016 im HB Zürich Handy-Daten (Werbewoche.ch berichtete) und kassierte dafür einen Shitstorm. Und die deutsche Supermarkkette beendete 2017 nach kritischen Rückmeldungen ein Projekt, bei dem Kunden an der Kasse analysiert wurden, um ihnen Alters- und Gendergerechte Werbung vorzuspielen. (hae)

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