3D-Printing – der ewige Trend im Umbruch

Jeden beliebigen Gegenstand auf Knopfdruck ausdrucken – so lautet das einfache und fast magische Versprechen, das hinter 3D-Printing steckt. Wie steht es eigentlich um den «ewigen» Emerging Trend 3D-Printing, der mittlerweile auf eine über 30-jährige Geschichte zurückblickt?

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Ein Gastbeitrag von Sandro Morghen, Senior Experience Designer bei Nexum Schweiz.

Nur wenige Technologien wurden in den vergangenen zehn Jahren so intensiv und vielseitig beleuchtet und von den Medien so aufmerksam verfolgt wie 3D-Printing; und vermutlich kaum eine Technologie ist so breitgefächert und ausgestattet mit so vielerlei technischen und kommerziellen Implikationen wie die im Grunde einfache Idee, jeden nur erdenklichen Gegenstand auf Knopfdruck zu reproduzieren.

Die Fülle der Anwendungen, welche vom profanen Marketinggag bis zur anspruchsvollen Hightech-Innovation reicht, umfasst eine Vielzahl von Lebens-, Wirtschafts- und Wissenschaftsbereichen: Während das Anfertigen von verblüffend detailgetreuen Miniaturstatuen der eigenen Person, das Ausdrucken kleiner Schmuckgegenstände oder die Herstellung einfacher Ersatzteile noch zu den trivialeren Einsatzgebieten gehören, scheint das Spektrum des Erreichbaren um ein Vielfaches grösser. So arbeiten Forscher bereits heute an den Grundlagen, um demnächst weitaus futuristischer anmutende Erzeugnisse wie menschliches Gewebe, Implantate oder gar Kunstfleisch durch den 3D-Drucker zu pressen. Sensationsmeldungen aus der Welt des 3D-Printings sorgen regelmässig für Schlagzeilen in den Medien. So etwa wurde 2014 das erste 3D-gedruckte Auto vorgestellt – 44 Stunden dauerte der Druckvorgang, und im April dieses Jahres erblickte der erste nach dem 3D-Printing-Verfahren hergestellte Roboter, der ohne weitere Montagevorgänge auskommt, gewissermassen das Licht der Technologiewelt.

Die Macht der Daten

Für eine hitzige Diskussion sorgte 2013 der damals 25-jährige amerikanische Internet- und Waffenaktivist Cody Wilson, der die kompletten 3D-Druck-Daten für das Ausdrucken einer funktionierenden Schusswaffe im Internet veröffentlichte. Die Debatte, welche Wilson einen Platz in der Rangliste des «Wired Magazine» der 15 gefährlichsten Menschen weltweit einbrachte, machte deutlich, dass die «Magie», die sich hinter der Technologie verbirgt, nicht nur durch die Konstruktion der 3D-Drucker alleine zu erklären ist, sondern zu einem wesentlichen Anteil auch von den zur Verfügung stehenden 3D-Druckdaten bestimmt wird. Denn wird ein 3D-Drucker nicht mit den entsprechenden Daten gefüttert, ist er ungefähr so nützlich wie ein Smartphone ohne Internetverbindung.

Daher überrascht es auch nicht, dass sich 3D-Printing zunehmend zu einem primär daten- und internetgetriebenen Phänomen entwickelt. Die Firma Makerbot, Pionierin in der Herstellung von 3D-Druckern für den Heimgebrauch, hat mit der Website thingiverse.com ein soziales Netzwerk für 3D-Druckdaten geschaffen und steht stellvertretend für den Trend zur immer stärkeren Digitalisierung der Technologie. Auf der Website laden User die Druckdaten ihrer selbstdesignten 3D-Entwürfe hoch, laden die Werke anderer herunter und sind daneben mit Likes, Kommentaren und Shares aktiv. Thingiverse gilt als Erfolgsstory – die Plattform meldet beachtliche Wachtsumszahlen. Das Angebot der gegenwärtig über 50'000 verfügbaren Designs reicht von Werkzeugen, Gadgets und Spielzeugen über Schmuck, Haushaltshilfsmittel und Kunst bis hin zu Zubehör für 3D-Printer. Die zur Schau gestellten Arbeiten erweisen sich mal als sehr, mal als mässig nützlich, zeugen aber insgesamt von einer lebendigen Bewegung, getragen durch eine begeisterte Fan-Community, welche die Vision und Faszination antreibt, Objekte jederzeit, und das ist bemerkenswert, unabhängig von Unternehmen und einer organisierten Fabrikation, zu Hause am Schreibtisch herzustellen. Makerbot selbst sieht seine Zukunft längst nicht mehr ausschliesslich in der Entwicklung von 3D-Druckern, sondern zunehmend im Ausbau des thingiverse-Universums, und hat im April dieses Jahres die eigene Produktion nach China ausgelagert, was unter Experten als Zäsur gilt.

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Social Network für die 3D-Printing-Community: Auf thingiverse.com entdecken User Hundertausende Produktentwürfe. (Bild: Screenshot thingiverse.com)

B2B und Prototyping im Fokus

So faszinierend die Grassroot-Bewegung der 3D-Printing-Nerds sein mag, den kommerziellen Durchbruch mit Consumer-Geräten auf jedem Schreibtisch hat sie bis anhin noch nicht geschafft. Dennoch prognostiziert das amerikanische Marktforschungsunternehmen IDC einen Anstieg der weltweiten jährlichen Investitionen in die 3D-Printing-Technologie von 11 Milliarden USD in 2015 auf an die 27 Milliarden USD bis Ende 2019. Die Fachwelt sieht im 3D-Printing in erster Linie eine Technologie, von der vor allem produzierende Unternehmen profitieren.

Das Forschungsinstitut hat im Rahmen ihrer Studie im Speziellen auch den Einsatz von 3D-Printing in der Automobilindustrie untersucht und fand heraus, dass 2015 3D-Drucker zu rund 90% für Prototyping bzw. Rapid-Prototyping-Zwecke im Einsatz waren. Lediglich zu 10% wird, laut IDC, die Technologie zu reinen Produktionszwecken verwendet.

Ein Technologie-Chamäleon

Hat 3D-Printing nun also als Prototyping-Technologie seine definitive Bestimmung gefunden? Dazu eine abschliessende Aussage zu machen wäre verfrüht. Denn die Veränderung ist eine der wenigen Konstanten des Phänomens 3D-Druck. Kaum eine Technologie hat sich über die Jahrzehnte, einem Chamäleon gleich, so stark gewandelt und immer wieder neu ausgerichtet, wie dies beim 3D-Printing zu beobachten war. Und kaum eine Technologie hat eine über 30-jährige Entwicklungsgeschichte hinter sich gebracht, ohne bislang den kommerziellen Mainstream erreicht zu haben.

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Eine kühne Idee wird erwachsen: HP hat sich mit der «HP Jet Fusion» Reihe im Highend-Bereich in Position gebracht. (Bild: HP)

3D-Printing im Wandel der Zeit

Erfunden wurde 3D-Printing 1983, nur wenige Jahre nach der Einführung des ersten IBM-PCs unter dem etwas sperrigen Begriff «Stereolithografie». Brachten vor Beginn der Internet-Ära die Verkleinerung der Geräte und immer wieder neue Materialien und verbesserte Druckverfahren 3D-Printing stetig weiter, scheint nicht zuletzt die fortschreitende Digitalisierung wie ein Brandbeschleuniger auf die Technologie einzuwirken. Noch nie waren die Erwartungen an die Möglichkeiten der 3D-Printing-Technologie so hoch wie heute. Und: Noch nie war die Euphorie gerechtfertigter als heute. Das hat mitunter auch mit den erstaunlichen Fortschritten zu tun, welche die Wissenschaft in Disziplinen wie Medtech, Foodtech, Materialforschung oder Nanotechnologie erreicht hat oder eben mit den Errungenschaften in Digitaltechnologien wie der Künstlichen Intelligenz oder Virtual Inventory (um z. B. 3D-Druckdaten im Web verfügbar zu machen).

3D-Printing war schon immer eng mit dem Fortschritt in anderen Bereichen verknüpft und so sehen Experten beachtliche Potenziale insbesondere in der Verwendung innovativer, neuer Materialien wie Kohlefasern, pulverisiertem Metal oder Titan, um die mechanischen, chemischen und thermischen Eigenschaften der gedruckten Erzeugnisse radikal zu verbessern. Auch die Fortschritte bei der Erforschung der Künstlichen Intelligenz sollen nach Meinung von Forschern 3D-Printing in nächster Zukunft noch weiter beflügeln. Bereits wurde das welterste Auto-Chassis vorgestellt, welches auf der Basis von AI-Algorithmen entworfen und anschliessend auf einem 3D-Drucker ausgedruckt wurde, und erst kürzlich sorgte die verblüffend detailgetreue Replikation eines Rembrandt-Gemäldes für weltweites Aufsehen. Dabei wurde der verwendete 3D-Drucker nicht etwa durch einen Menschen mit den notwendigen Daten gefüttert – die Programmierung erfolgte in diesem Fall durch Künstliche Intelligenz.

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Auto-Chassis aus dem AI-Labor: Intelligente Algorithmen entwerfen selbstständig eigene Designs und drucken diese auf dem 3D-Drucker aus. (Bild: Forbes.com)

Bei der distribuierten Produktion («Distributed Manufacturing») sind in näherer Zukunft ebenfalls Innovationen im Bereich des 3D-Printings zu erwarten, und geht es nach der Meinung von Experten, darf in Zukunft auch mit einer spürbaren Verkürzung der Druckvorgänge gerechnet werden, was wiederum weitere, aufregende Anwendungsfelder hervorbringen dürfte.

Bewegung im Schweizer Markt

Auch in der Schweiz wächst die Begeisterung für das Thema «3D-Printing». Zahlreiche Agenturen, Kreativateliers sowie sogenannte «Fablabs» bieten die unterschiedlichsten Dienstleistungen an. Das bisweilen bunte Serviceangebot umfasst das Anfertigen von 3D-Drucken ab mitgebrachten Daten, vergleichbar mit den traditionellen Print- und Copy-Shops, die Unterstützung bei der Herstellung von Rapid-Prototypes, aber auch Seminare und die Beratung in strategischen Themen in Bezug auf 3D-Printing. Und mit Herstellern wie beispielsweise Delta Tower sind längst auch 3D-Drucker «made in Switzerland» erhältlich.

Jede Innovation hat ihren Zeitpunkt

Ist es richtig 3D-Printing, angesichts der vielen Jahre, während derer wir bereits auf einen endgültigen Durchbruch in den Mainstream warten, als «Zangengeburt» zu bezeichnen? Schliesslich dürfen andere Technologietrends in der Vergangenheit von sich behaupten, in deutlich kürzerer Zeit ganze Märkte umgekrempelt zu haben. Denken wir an den vergleichsweise rasanten Aufstieg des Personal Computers oder an Apples iOS-Universum. Mag sein. Doch wenn uns die Geschichte eines gelehrt hat, dann die Weisheit, dass jede Innovation ihren Zeitpunkt hat, und das gilt auch für 3D-Printing.

Weitere Informationen und Quellen:

 

http://www.augment.com/blog/technology-trends-2016-augmented-reality-and-3d-printing/
http://www.talentinternational.com/is-3d-printing-the-next-hot-startup-trend/
http://news.mit.edu/2016/first-3d-printed-robots-made-of-both-solids-and-liquids-0406
http://www.theverge.com/2016/4/25/11503360/makerbot-manufacturing-outsource-china-industry-city
http://www.techrepublic.com/article/3d-printing-the-trends-that-will-change-the-game-in-2016/
http://www.forbes.com/sites/ricksmith/2016/01/12/8-hot-3d-printing-trends-to-watch-in-2016/#493d75f7319a
https://en.wikipedia.org/wiki/Cody_Wilson
https://de.wikipedia.org/wiki/3D-Druck
www.makerbot.com
www.thingiverse.com
https://en.wikipedia.org/wiki/Strati_(automobile)
http://www.pcworld.com/article/3053520/analytics/ai-just-3d-printed-a-brand-new-rembrandt-and-its-shockingly-good.html

 

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