Digitale Reife: Grosse Unternehmen holen auf

Die Universität St. Gallen, das Beratungsunternehmen Crosswalk und Best of Swiss Web haben erneut die digitale Reife von Unternehmen untersucht.

Die zweite Auflage des «Digital Maturity & Transformation Report 2016» zeigt: Grosse Unternehmen haben gegenüber dem Vorjahr deutlich aufgeholt, das Management interessiert sich stärker für die digitale Transformation und: Digital reife Unternehmen beurteilen die wirtschaftlichen Effekte ihrer Transformation positiver als weniger reife.

Die Digitalisierung der Geschäftswelt schreitet mit grossen Schritten voran, die regelmässige Überprüfung des eigenen Geschäftsmodells ist daher eine Notwendigkeit. Nichtsdestotrotz ist noch nicht allen Unternehmen klar, was es wirklich braucht, um im neuen digitalen Wettbewerb zu bestehen. Auch bezüglich der unternehmenseigenen digitalen Reife bestehen unterschiedliche Auffassungen. Bei dieser Problematik setzen das von der Universität St. Gallen (IWI-HSG), dem Strategieberatungsunternehmen Crosswalk und ‚Best of swiss Web‘ entwickelte «Digital Maturity Model» und der darauf basierende «Digital Maturity Check», eine Online-Befragung, an: Die beiden Instrumente ermöglichen Aussagen zur digitalen Reife eines Unternehmens und zeigen auf, wo Handlungsbedarf besteht. Bereits zum zweiten Mal haben die beiden Partner Universität St. Gallen und Crosswalk Unternehmen verschiedener Branchen eingeladen, an der Untersuchung teilzunehmen. Mit knapp 550 Personen konnten sie die Teilnehmerzahl im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppeln – das Interesse an einer Standortbestimmung rund um das Thema Digitalisierung hat nochmals zugenommen.

Nun liegen die Ergebnisse, zusammengefasst im «Digital Maturity & Transformation Report 2016», vor.

Die wichtigsten Erkenntnisse:

Grosse Unternehmen haben aufgeholt: Während im vergangenen Jahr Unternehmen mit weniger als 100 Mitarbeitenden die höchsten Reifegrade erreichten, weisen grosse Unternehmen nun durchschnittlich die besten Werte auf.

Die digitale Transformation ist definitiv im Bewusstsein des Managements angekommen: Zwei Drittel der Befragungsteilnehmer sind auf Geschäftsleitungs- oder Abteilungsleiterstufe tätig.

Unternehmen aus der Kommunikations- und Informationsbranche sind am besten gerüstet – die Industrie hat weiterhin Aufholbedarf: Unternehmen aus der verarbeitenden Industrie erreichen wie im Vorjahr nur niedrige Reifegrade.

Die Themen Prozessdigitalisierung und Customer Experience erhalten noch wenig Aufmerksamkeit: Die Reifegrade bei diesen Themen sind die niedrigsten der gesamten Untersuchung.

Digital reife Unternehmen beurteilen die Erreichung wirtschaftlicher Ziele positiv: Teilnehmer aus Unternehmen mit einem hohen Reifegrad zeigen sich bei der Einschätzung des Erfolgs der digitalen Transformation deutlich positiver als Umfrageteilnehmer von digital wenig reifen Firmen.

Die zweite Auflage des Reports mit Informationen zum Modell, den Resultaten der Befragung inklusive branchenspezifischen Auswertungen und Handlungsempfehlungen kann kostenlos unter Crosswalk.ch/dmtr2016 bestellt werden.

Wer gewinnt «Swiss Digital Transformation Award»?

Ebenfalls zum zweiten Mal wird am 7. April 2016 im Rahmen der Award-Gala von Best of Swiss Web der «Swiss Digital Transformation Award» verliehen. Der Preis geht an Unternehmen oder Organisationen, die ihre digitale Reife besonders verbessern konnten. Die Jury stützt sich bei der Vergabe der Auszeichnung unter anderem auf das «Digital Maturity Model». Erster Gewinner im Jahr 2015 war die SBB.

Die Nominierten für den Swiss Digital Transformation Award

Zwischen letztem November und Ende Januar diesen Jahres haben rund 400 Unternehmen und Organisationen den umfangreichen Fragebogen «Digital-Maturity-Check» des IWI der Univerität St. Gallen ausgefüllt. Diese Selbstdeklaration war gleichzeitig die Qualifikationsvoraussetzungen für den Unternehmenspreis «Swiss Digital Transformation Award». In einem mehrstufigen qualitativen Beurteilungsprozess der Fachjury haben es schliesslich folgende neun Unternehmen auf die Shortlist geschafft (Werbewoche.ch berichtete): Alpha Sprachwelt, Axa Winterthur, Interio, Medela, Post CH, Sanitas, Swiss Life, Victorinox, Wincasa.

Die Kommentare der Jury zu den Nominierungen 2016:

Alpha Sprachwelt

Bildung und Weiterbildung gehören zu den wichtigsten Grundlagen für den wirtschaftlichen Erfolg der Schweiz. Innovative Unternehmen wie die Alpha Sprachwelt nehmen somit eine wichtige Rolle in der Modernisierung des Bildungswesens ein. Mit der Digitalisierung der Kernprozesse mithilfe einer innovativen Branchenlösung hat die Alpha Sprachwelt aufgezeigt, wie man auch als kleines Unternehmen von der digitalen Transformation profitiert.

Axa Winterthur

Die digitale Transformation ist bei der Axa Winterthur voll angerollt und wird mit vielen verschiedenen Massnahmen vorangetrieben. So etwa im Bereich der Organisationsentwicklung (etwa mit einem Ressort für Transformation und Market Management) oder der Produkteinnovation (Drive Recorder, Connected Home, Hackathons, Kooperation mit Start-ups etc.). Dies und insbesondere das erlange Commitment beim Senior Management sowie die breite Abstützung des Programms in der Organisation wurden von der Jury positiv gewürdigt.

Interio

Auch der Möbelhandel wird immer digitaler. Interio setzt seit einiger Zeit konsequent auf Digitales Marketing: Guter Content, performante Kampagnen und zahlreiche Features auf der Website unterstützen den Webshop. Das Top Management trägt und unterstützt die entsprechenden Initiativen – verstärkt werden Mittel vom klassischen Marketing in den Digitalbereich verlagert. Social Media und diverse Touchpoints werden aktiv bewirtschaftet und als Dialoginstrument genutzt. Für die Jury ist Interio ein gutes Beispiel für einen online-aktiven Multichannel

Medela

Im Rahmen der digitalen Transformation baut Medela ihre Beziehungen zu den Zielgruppen stetig aus. So werden einerseits mit einem kanalübergreifenden Konzept neue Kundinnen angesprochen, anderseits wird die Kontaktdauer mit Kundinnen intensiviert und verlängert. Medela generiert dadurch bereits heute deutlich höhere Online-Umsätze.

Post CH

Die Schweizer Post hat im Bereich Digitale Transformation signifikante Fortschritte gemacht. Das bezieht sich nicht nur auf neue innovative Lösungen an den verschiedensten Schnittstellen zum Endkunden, wie zum Beispiel das neue Bezahlsystem Twint, das neue Online Portal oder die autonom fahrenden PostAuto Shuttles, sondern auch konzernintern wird kräftig digitalisiert.

Sanitas

Sanitas überzeugt ‘digital’ mit ihrem von VR und GL geführten, weitsichtigen und sehr gut strukturierten Vorgehen. Darüber hinaus setzt Sanitas mit Analytics einerseits und Two-Speed-IT (bzw. agile IT) andererseits auf das für die Zukunft wichtige Pferd hinsichtlich Big-Data und Fast-Implementation.

Swiss Life

Die digitale Transformation der Swiss besticht namentlich durch eine hohe Stringenz in den Dimensionen Strategie und Transformations-Management, aber auch bei Kultur und Expertise. Als eines der ganz wenigen untersuchten Unternehmen führt Swiss Life das Thema Digitalisierung in den übergeordneten vom Verwaltungsrat verabschiedeten strategischen Zielen (Stichwort «Swiss Life Strategie 2018»).

Victorinox

Die Transformation von Victorinox hin zu einem Multi-Channel-Retailer ist eine sehr spannende Entwicklung – die Eingabe gehört daher auf die diesjährige Shortlist. Gerade weil das Unternehmen mit seinem Brand und seiner Produkthistorie eigentlich prädestiniert wäre, «Digitalisierung zum Anfassen» zu leben, könnte daraus mittelfristig sogar eine veritable Erfolgsgeschichte vom Umgang mit Widrigkeiten, situativer Gewandtheit und Hochhalten von Markenwerten werden.

Wincasa

Bei Wincasa ist in Bezug auf die strategische Reife eine grosse Weiterentwicklung erkennbar. Dabei ist das klare Bekenntnis der Führung zum Digitalen Wandel einer der Schlüsselfaktoren. Die bisher in den Bereichen Prozessoptimierung und -digitalisierung erfolgreich realisierten Cases sind aus Sicht der Jury ein wichtiger Proof of Concept. Auch in Bezug auf IT-Alignment ist die Wincasa auf einem sehr guten Weg.

Die Jury-Mitglieder des «Swiss Digital Transformation Award»

Bramwell Kaltenrieder, Crosswalk (Jurypräsident)
Martin Armand, Infocentric Research
Sabine Berghaus, Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität St. Gallen
Beat Bühlmann, Yourposition
Patrick Comboeuf, Swiss Life
Dr. Tim Dührkoop, Namics
Dr. Florian Hamel, AXA Winterthur
Andreas Eggimann, Post Schweiz
Milos Radovic, Swisscom
Stephan Odermatt, UBS

 

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