«Youtube eignet sich vorzüglich zur Kundenbindung»

Le Mob und Encore Pictures sind ab sofort wieder vereint. Bart Wasem und Jürg Steudler legen ihre Firmen per 1. März zusammen und treten wieder unter dem Namen Regardez auf. Ebenfalls Teilhaber von Regardez wird Matthias Zurbriggen. Doch nicht nur Name und Führung ändern sich: Regardez steigt auch ins videobasierte Content-Marketing ein. 

Wasem und Steudler wollen einen Schritt in Richtung Zukunft machen und ins videobasierte Content-Marketing einsteigen. In den vergangenen Monaten haben sie sich intensiv darauf vorbereitet. Wir besuchten die Filmemacher an der Zurlindenstrasse und sprachen mit Ihnen über die Erweiterung ihres Dienstleistungsangebots.

WW: Sie legen Ihre beiden Firmen auf Anfang März wieder zusammen. Was gab den Anlass dazu?
Bart Wasem: Durch die räumliche Nähe und die gemeinsame Infrastruktur sind wir in den letzten Jahren bereits wieder eng zusammengerückt. Zudem haben wir ohnehin die meisten Projekte gemeinsam realisiert, so gesehen war dieser Schritt logisch. Eine gemeinsame Firma ist administrativ weniger aufwendig und wir müssen im Zeitalter von Social Media nicht sämtliche Kanäle mehrfach ­bewirtschaften.

Neu ist auch, dass Sie das videobasierte Content-Marketing stark vorantreiben wollen. Warum ­gerade jetzt?
Jürg Steudler: Wir beobachten die Entwicklungen auf diesem Gebiet seit Langem. In den vergangenen zwei Jahren ist hierzulande einiges ins Rollen gekommen. Der werbefreie Streaming-Dienst Netflix kam in die Schweiz, die nationalen Telekommunikationsanbieter führten zeitversetztes Fernsehen ein. Werbeblöcke kann man mittlerweile komplett umgehen. Das macht es immer schwieriger für die Werbe­wirtschaft, über die klassischen Kanäle ihre Botschaften an die Konsumenten zu bringen.
Wasem: Im Internet findet eine ähnliche Ent­wicklung statt. Ad-Blocker sind mittlerweile sehr verbreitet und werden bei gewissen Herstellern schon fest in den Webbrowser eingebaut. Darum muss ein Umdenken stattfinden.
Steudler: Es sind vermehrt Filme gefragt, die einen kognitiven oder emotionalen Mehrwert bringen und deshalb gerne freiwillig angeschaut werden. Film kann besser als jedes andere Medium Emotionen vermitteln und eignet sich daher für das Transportieren von Markenbotschaften. Aber die Art und Weise, wie wir Filme künftig gestalten, muss stärker bei den Zielpersonen beginnen und auf ihre Bedürfnisse und Motivationen ausgerichtet sein.
Wasem: Für die Kreativen ist das eine grosse Chance. Sie sind nicht mehr so sehr auf maximal 30 Sekunden limitiert und können ihre Ideen wieder der Länge überordnen.

Sie haben Sich auf YouTube-Channel-Marketing fokussiert. Warum ist YouTube der zentrale Kanal für videobasiertes Content-Marketing?
Wasem:
Hierzulande ­sehen Viele in YouTube vor allem einen Abspiel­kanal für die Jungen. Aber zahlreiche inter­nationale Unternehmen setzen bei ihrer Marketingkommunikation bereits stark auf YouTube. Sie tun das mit gutem Grund: YouTube ist nicht nur ein digitaler Videoplayer, sondern auch die zweitgrösste Suchmaschine der Welt und ein intensiv genutzter Social-Media-Kanal mit Sharing-, Liking- und Kommentarfunktionen.
Steudler: Darum eignet sich YouTube vorzüglich zur Kundenbindung. Die Unternehmen können die gewonnenen Abonnenten regelmässig mit eigenem Content in Berührung bringen.
Wasem: Zugleich erreichen sie via Suchfunktion auch User, die sich nicht an den Unternehmens­kanal binden, sondern sich einfach über ein Thema oder ein Produkt informieren wollen. Video ist sehr convenient. Es ist viel einfacher, den Play-Knopf zu drücken als einen Beitrag zu lesen.

Welche Unternehmen betreiben YouTube-Channel-Marketing bereits erfolgreich – und was kann man von ihnen lernen?
Steudler:
Es sind oft Marken mit vielen verschiedenen oder erklärungsbedürftigen Produkten. Gute Beispiele sind Edeka, Volvo Trucks und Sennheiser. Diese Unternehmen betreiben umfangreiche Channel, welche sie geschickt mit der eigenen Website und ihren Social-Media-Kanälen verbinden. Die Videos sind teilweise aufwendig produziert, andere aber handwerklich schlicht, im Stil von Video-Bloggern, gehalten. Da findet man Storytelling-Formen wie in klassischen Werbespots neben typischen Corporate Movies, redaktionellen Beiträgen und Musikvideos, die sich alle gegenseitig ergänzen. Google spricht hier von der HHH-Strategie. Interessant ist auch, dass erfolgreiche YouTube-Filme meist eine längere Lebensdauer haben als herkömmliche Werbespots.

Sie produzieren seit über 20 Jahren Werbefilme. Kennen Sie das Erfolgsrezept für YouTube-Filme?
Wasem:
Ich denke, am erfolgreichsten ist die richtige Mischung aus Kreativität, Authentizität und Relevanz. Althergebrachtes Film- und Werbewissen funktioniert nicht mehr vorbehaltlos. YouTube ist dynamisch und bleibt in vielem schwer berechenbar. Ein einfaches Erfolgsrezept kennt selbst Google nicht. Sicher ist: Ausprobieren und iteratives Optimieren wird wichtiger. Nur wer nichts wagt, macht sicher das Falsche.

Wie sieht Ihr Angebot genau aus?
Steudler:
In Zukunft stellen wir ganze Channel auf die Beine. Wir kreieren den Mikrokosmos eines Channels, also Begrüssungsvideos, Header, Thumbnails, Playlists und so weiter. Zudem bieten wir die Betreuung und die Bewirtschaftung des Kanals an. Das beinhaltet auch die Aufbereitung von bestehenden Filmen für den YouTube-Channel sowie die Schnittstelle zu den Online-Marketing-Agenturen, beispielsweise für die Verknüpfung des Channels mit Online-Kampagnen.

Sie haben sich in den vergangenen Monaten entsprechend weitergebildet. Wo haben Sie das gemacht und welche Schwerpunkte haben Sie dabei gelegt?
Steudler:
Wir sind momentan häufig bei Google anzutreffen und nehmen rege an deren Seminaren teil. Zudem besuchen wir Workshops, meist in Deutschland. Kulturell sind uns die Deutschen näher als die Amerikaner – und im Content-Marketing ebenfalls weiter als wir. Am wichtigsten für uns ist aber das Beobachten und das Ausprobieren sowie der Erfahrungsaustausch.

Interview: Simone Isliker 

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