Déformation professionelle – Berufskrankheiten in Werbung und Marketing

Axel Eckstein, Executive Creative Director bei Leo Burnett Schweiz, schreibt in der Werbewoche über Pathologisches in Werbung und Marketing. In der zwölften Folge: Kunde-Staupe (procure distemper).

Beschreibung

Die Kunde-Staupe ist eine Viruserkrankung, die bei Unternehmen auftreten kann, welche Leistungen von anderen Unternehmen beziehen. Charakteristisch für die Erkrankung ist eine extreme Preissensibilität, begleitet von einer stark verminderten Fähigkeit zur Qualitätswahrnehmung.

Anfangsstadium

Das Kunde-Staupe-Virus aus der Familie der B2B-Viren gelangt über den Shareholder-Value-Ansatz in das Unternehmen und befällt dort zunächst die Einkaufsorgane, wo es sich stark vermehrt. Nach einigen Monaten kommt es zu ersten Verhaltensauffälligkeiten (Sparzwangstörungen) gegenüber Werbeagenturen, wie dem Versand von Preisanfragen und Confidentiality-Agreement-Formularen. Parallel dazu zeigt sich eine fortschreitende Schwächung des Marketingapparates.

Endstadium

Im weiteren Verlauf durchlebt das Unternehmen die eigentliche Pitchphase, an deren Ende der Agenturentscheid steht. Der Zuschlag läuft über einen Reflexbogen und findet genau dann statt, wenn die vom Unternehmen spezifizierten Schwellenwerte mit den Angaben eines Anbieters übereinstimmen: Preis pro Ideeneinheit (Halbfabrikat), Lieferfrist, Lagerfähigkeit der Kampagne und Haftung bei Ausbleiben der bestellten Werbewirkung.

Prophylaxe

Die einzige Schutzmöglichkeit besteht in der Impfung. Zur Grundimmunisierung empfiehlt sich bei jungen Einkäufern der Besuch der Marketingabteilung; bei älteren Einkaufsleitern der Besuch eines Filmdrehs.

Bisher erschienen:

Director’s Cut (conceptus amputatis)
Lach-Stau (risum interrupta)
Vorzeitiger Markenerguss (ejaculatio logo praecox)
Ideen-Wundliegen (decubitus idea)
Panisch-progressive Störung (morbus pendulum)
Margenentzündung (gastritis profit)
Erfolgsschielen (strabismus successus)
Goldfieber (febre auri)
Platitourette (repetitio nausea)
Visueller Fetischismus (stimulus best practice)
Probonose (thrombosis facsimile)
 

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