Kreativ programmiert

Im Jahr 1985 hat ein Computer-Grafik-Illustrator aus Luzern Pionierarbeit geleistet. Ludek Martschini hat als erster Schweizer die programmierte Kreativität gestartet.

Am Luzerner Seebecken, einige Kilometer ausser halb des Zentrums, hat Ludek Martschini vor 30 Jahren die Räumlichkeiten einer ehemaligen Kaffee-Bar gemietet. Dort machte er als Grafiker die ersten Schritte in die Selbstständigkeit, gerade aus San Francisco zurückgekehrt. Hinter ihm lag eine einjährige Weiterbildung für Computer- Grafik-Illustration an der Academy of Art Collage in San Francisco. Damit war er der Erste in der Schweiz. Eine Ausrüstung hierfür zu besorgen, gestaltete sich entsprechend als schwierig. Denn die hierfür angebotenen Computer wurden nicht nur für eine noch relativ unbekannte Tätigkeit gebraucht, sie waren auch sehr teuer. «Das waren wirklich riesige Maschinen aus Kalifornien, aus der Filmindustrie von Spielberg», erzählt Martschini. Für die Arbeit damit mussten die Studenten sich wörtlich warm anziehen, denn die Räume wurden wegen der Computer auf 14–15 Grad heruntergekühlt. «Wir hatten immer eine kalte Nase», kommentiert er ungerührt. Illustriert wurde mit Tablet und Pen. Auch Befehle funktionierten über das Tablet. Schlussendlich fand Ludek Martschini eine Möglichkeit, ein solches Gerät zu besorgen und in seinem Atelier in Luzern aufzubauen. Mediale Aufmerksamkeit war ihm sicher. Von Grossunternehmen wie Calida oder Globus bis zum Verband Swiss Graphic Designer erhielt er Einladungen, die Funktionalität des Geräts vorzuführen. Als er das Ganze in der Kunstgewerbeschule Luzern vorführte, sei er ausgelacht worden. «Nie wird ein Grafiker an einem Computer arbeiten», zitiert er deren Reaktion vor 30 Jahren. Er sei sich aber sicher gewesen, dass der Computer nur ein Hilfsmittel ist und zukünftig nicht mehr wegzudenken sein werde. «Man kann auch heute nicht einfach einen Knopf drücken und schon kommen die kreativen Ideen», sagt Martschini. Man müsse nicht meinen, man sei kreativ, «bloss weil man eine solche Kiste hat». Mit dieser Überzeugung im Rucksack begann er 1985 als Computer- Grafik-Illustrator und gründete die Agentur Ideart Design & Werbung.

Intimes Ambiente am Vierwaldstättersee

Die Räumlichkeiten der Agentur Ideart liegen einige Autominuten vom Zentrum Luzern entfernt, direkt am Vierwaldstättersee, mit eigenem Seeanstoss und Blick auf die Alpen. Vor der Gründung von Ideart Design & Werbung war Ludek Martschini erst noch für einige Zeit bei einer Agentur in Zürich tätig. Trotz Grossprojekten als Junior Art Director, etwa für Toblerone, Air France oder Citroën, gefiel ihm diese Arbeit nicht besonders. «Ich musste vor allem adaptieren, wollte aber lieber selber entwerfen», erklärt er. Da er es vor 30 Jahren vorzog, für kleinere Unternehmen ein Projekt von Grund auf selber durchzuführen, machte er sich im Herbst 1985 selbstständig.

Ein Jahr später gründete er gemeinsam mit einem Partner die Agentur Ideart in jungen Jahren. «Ich fing aus dem Nichts an», erzählt er, stolz und begeistert auf seinen Start zurückblickend. Für Kollegen im Musikbusiness begann er mit Arbeiten für Platten-/ CD-Cover, was aber finanziell nicht besonders lukrativ gewesen sei. Im Laufe der Zeit ergaben sich dann aber immer mehr Aufträge. «Wir waren aber nie riesig », sagt Martschini. Maximal sechs Mitarbeiter beschäftigte er. Mit an Bord seit 25 Jahren ist sein Bruder, Peter Martschini, der sich um Produktion und Administration kümmert. Heute arbeiten sie noch zu zweit, Ludek als Illustrator und Grafiker, Peter kümmert sich um die Produktion und um alle administrativen Angelegenheiten – für alle übrigen Aufgaben arbeiten sie gerne mit Freelancern zusammen. Meistens sind das Texter/Konzepter, die sie beiziehen. Aber auch Marketing-Strategen oder andere Spezialisten werden je nach Projekt beigezogen. «Das fördert den Austausch», so Martschini. Als die Agentur am grössten war, hat sich Ludek Martschini dann noch hauptsächlich um die Organisation neuer Aufträge und die Kundenpflege gekümmert, während die Grafiker im Atelier seine Arbeiten machten. Er habe sich dann gefragt, «was mache ich da eigentlich?» Das Gestalten hat ihm schnell gefehlt. So entschied er, gemeinsam mit seinem Bruder und einem Unternehmensberater, die Agentur wieder zu verkleinern. Das Atelier besteht aus einem kleinen Zweiraumbüro mit einer Kaffee-Ecke, die als Sitzungszimmer dient. «Auftraggeber, die uns hier besuchen, schätzen das intime Ambiente», weiss Martschini.

Breit spezialisiert – eine Gratwanderung

Seine kreativen Ideen hat Ludek Martschini in vielen Bereichen gestalterisch eingesetzt, ohne sich dabei auf eine Richtung zu konzentrieren. Als Illustrator ist er heute vor allem für Verlage und Werbeagenturen tätig, Gestaltung liegt ihm aber generell. Martschini macht alles, was mit Gestaltung, Illustration, Grafik-Design zu tun hat – spezialisieren möchte er sich aber nicht. «Meine Arbeiten sind deswegen nicht weniger professionell», hebt er hervor. Denn was er mache, mache er richtig und mit Leidenschaft. Sein absoluter Lieblingskunde ist Perosa. Das Dessous- und Lingerie-Unternehmen vertraut schon über 13 Jahre auf seine Kreativität. Ludek Martschini reiste in all diesen Jahren jeweils mit zu den Perosa-Fotoshootings in aller Welt: Thailand, Malaysia, Bali, Borneo und Seychellen waren die schönsten Locations. Mit den entstandenen Fotoaufnahmen gestaltet Martschi-ni jährlich die Perosa-Dessous-und-Fashion-Prospekte. Er wäre eigentlich sehr offen auch für andere Richtungen, wie er betont: «Über Aufträge im Sport- oder im Kulturbereich würde ich mich auch sehr freuen.» Auch Verpackungen habe er jeweils gerne designt. So etwa zuletzt eine Verpackungslinie für die neu entwickelten Popcorn-Pralinen der Firma Maya Popcorn. Dieses Verpackungsdesign steht sogar noch in der Vitrine. Heute möchte sich Martschini gerne wieder vermehrt mit grösseren Projekten beschäftigen. Dafür fehlen ihm jedoch die entsprechenden Kunden. Früher hat Ideart diverse Projekte für Grosskunden, wie etwa BMW, Swatch, Emmi oder Migros umgesetzt. Dies habe ihm sehr gefallen, sagt Martschini, da er für solche Projekte oft eine grössere Bandbreite an Gestaltung und Ideen zur Verfügung hatte. Für solche Aufträge ist Ideart heute, als Zweimannbetrieb, nicht aufgestellt. «Schade, aber so ist das halt», schliesst Martschini lachend. Möglich wäre diese Gratwanderung für ihn aber doch. So ist er heute auf der Suche nach einer Partnerschaft, am liebsten mit einer grösseren Agentur.

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Ludek Martschini hat Ideart Design & Werbung 1985 mit einem Partner gegründet, dieser ist aber 1990 eigene Wege gegangen. Gemeinsam mit seinem Bruder, Peter Martschini, führt er die Agentur, ist gleichzeitig auch unabhängig von der Agentur als selbstständiger Illustrator tätig. Seit bereits über 25 Jahren ergänzen sie sich in Kreation und Produktion / Organisation, konzipieren alles vom Flyer über Prospekte bis hin zur Werbekampagne, Illustration und Packaging Design. «Und wir sind noch kein bisschen müde. Für ausgeschlafene Ideen fragen Sie am besten uns», heisst es auf der Website der Brüder. 1985–heute Inhaber und Geschäftsleitung, Kreation und Beratung, Akquisition Newbusiness, freischaffender Illustrator bei Ideart Design & Werbung, Luzern 2012–2013 Dozent für Grafik und Design beim Diplomkurs für Unternehmensführung bei Skugra Segra, Baar/Zug 1985 Grafiker/AD jun. bei der Werbeagentur Cash RSCG, Zürich 1985 Freelancer als Grafiker & Illustrator bei diversen Design Studios in San Francisco 1985 Grafiker & Illustrator bei Art Plus Inc. Advertising Agency, San Francisco 1984 Grafiker & Illustrator bei Reynolds & Association, San Francisco 1983–1984 Grafiker bei Schmid & Partner, Luzern, Werbeagentur BSW www.martschini.ch, www.ideart.ch

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Ludek Martschini hat 1985 als Computer- Grafik-Illustrator Pionierarbeit geleistet. Damit zog er auch die Aufmerksamkeit der Medien auf sich.

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Das Illustrationsbuch. Auf 80 Seiten lässt Ludek Martschini die Welt von Strichen, Farben und Flächen in Kombination zu einem Ganzen werden. Je nach Technik und Stil bekommen sie einen anderen Charakter.

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Um den Überfall auf Beat Schlatter grafisch darzustellen, hat die Schweizer Illustrierte Ludek Martschini angefragt. Er stellte das Ereignis aufgrund der Fakten über den Tathergang illustrativ dar.

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Perosa- Dessous-und- Fashion-Prospekte.

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Verpackungs linie für die Popcorn-Pralinen der Firma Maya Popcorn.

Ursina Maurer
 

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