Gesundheitsorganisationen fordern totales Zigaretten-Werbeverbot

Die Tabakindustrie zielt mit ihrer Werbung direkt auf Kinder und Jugendliche. Diesen Vorwurf erheben Gesundheits-, Präventions- und Jugendorganisationen. Sie verlangen daher im neuen Tabakproduktegesetz ein totales Werbeverbot.

Der Bundesrat hat dazu letztes Jahr eine Vernehmlassung durchgeführt. Im Vorentwurf schlug er vor, Werbung auf Plakaten, in Kinos, Print- und elektronischen Medien zu verbieten. Weiterhin erlauben will er hingegen Werbung am Kiosk sowie das Sponsoring von Open-Air-Festivals und anderen Veranstaltungen. Mit dieser Lösung glaubt der Bundesrat einen Kompromiss zwischen den Interessen des Gesundheitsschutzes und jenen der Wirtschaft gefunden zu haben.

Der Berner SP-Ständerat Hans Stöckli, Präsident der Schweizerischen Gesundheitsligen-Konferenz, sprach am Dienstag vor den Medien in Bern jedoch von einem Alibi-Gesetz. Die Vorschläge des Bundesrats genügten nicht, um zu verhindern, dass Jugendliche ständig mit Tabakwerbung konfrontiert würden. Und dies, obwohl die Tabakverordnung Werbung verbiete, die direkt auf diese Zielgruppe ausgerichtet sei.

Werbung für Kinderaugen

Eine Studie, die Präventionsorganisationen in den beiden letzten Jahren in der Westschweiz durchgeführt haben, belegt Stöcklis Befund: In fast 40 Prozent der Verkaufsstellen, die für Tabakprodukte werben, fanden sich die Werbung oder Tabakprodukte unmittelbar neben den Süssigkeiten. In 35 Prozent der Fälle war die Werbung auf Höhe von Kinderaugen angebracht. «Eye level is buy level», rief Thomas Beutler von der Tabakprävention Schweiz eine alte Marketing-Regel in Erinnerung.

Auch auf Kartbahnen, in Spielsalons und auf den bei Kindern und Jugendlichen beliebten People-Seiten von Gratiszeitungen werde für Zigaretten geworben. Auf Festivals seien die Tabakkonzerne mit Anlässen, Verkaufsständen und Partyzelten präsent. «Die Tabakwerbung ist im Alltag des meist jugendlichen Zielpublikums omnipräsent», ist Beutler überzeugt.

Zigaretten würden darin nicht nur als nicht schädlich, sondern als positives Produkt angepriesen, sagte Andreas Tschöpe, Geschäftsleiter der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände. «Assoziiert werden sollen Dinge wie Coolness, Entspanntheit, ein lockerer Lebensstil.»

Ein bewusster, verantwortungsvoller Konsumentscheid sei unter diesen Umständen kaum möglich. Tschöpe antwortete damit den Gegnern des Tabakproduktegesetzes, die in Werbeverboten einen Eingriff in persönliche Freiheitsrechte sehen. «Ein Entscheid ist nur wirklich frei, wenn er bewusst gefällt wird», sagte er.

Verbot kostet nichts

Eine am Montag veröffentlichte Studie von Sucht Schweiz hat ergeben, dass in der Schweiz 7 Prozent der 15-Jährigen täglich rauchen. Das sind zwar so wenige wie noch nie. Für Lungenliga-Direktorin Sonja Bietenhard steht jedoch fest, dass die heutige Tabakprävention ungenügend ist. Der Jugendschutz rechtfertige weiter gehende Massnahmen. Und die wirksamste und günstigste Prävention sei über den Tabakpreis und Werbeeinschränkungen zu erreichen, sagte Ständerat Stöckli. «Man darf nicht vergessen: Ein Gesetz kostet nichts.»

Das sehen der Gewerbeverband und die Organisationen von Tabak-, Werbe- und Medienbranche anders. Teils befürchten sie Einbussen, teils sehen sie in den Verboten eine ideologisch geprägte Bevormundung der Bürger.

Zwischen diesen beiden Lagern ist der Kampf um die Tabakwerbung in vollem Gang. In diesem aufgeheizten Klima muss der Bundesrat nun entscheiden, wie es mit dem Tabakproduktegesetz weitergeht. Eine Botschaft will er gegebenenfalls in der zweiten Jahreshälfte 2015 verabschieden. Vorgesehen sind neben Werbeverboten auch konsequente Alterskontrollen oder Regeln für E-Zigaretten. (SDA)

Teaserbild: Lungenliga.ch
 

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