Umfrage «Euro Schock»: Ulrich Tacke

Werbewoche-Umfrage zur wirtschaftlichen Entwicklung nach dem «Euro Schock» und dessen Auswirkungen auf die Kommunikations- und Werbebranche: Ulrich Tacke, Managing Director, MEC Switzerland

Eine Krise hat noch keinem geschadet. Denn Krisen haben einen positiven Effekt. Sie sensibilisieren und schärfen den Blick für Dinge, die offensichtlich sind, aber ohne den nötigen Druck oft verdrängt werden. Schweizer Verbraucher wurden vom Schritt der SNB zwar überrascht, aber sie geniessen ihre gestärkte Kaufkraft. Immerhin hat es eine derartige hohe und schlagartige Aufwertung noch nie in der europäischen Wirtschaftsgeschichte gegeben. Für die grossen und multinationalen Unternehmen kommt der Schnitt weniger überraschend. Sie haben im Franken immer Chance (Marge) und Risiko (Kosten) zugleich gesehen. Kostenintensive Prozesse, wie z. B. der Druck von Zeitschriften, wurden bereits vor geraumer Zeit ins benachbarte Ausland verlegt. Umgekehrt werden Produkte, die im Euroraum produziert werden, in lokaler Währung verkauft. Im Klartext: Es wird in Franken verdient und in Media-Franken investiert. Da hat der Wechselkurs wenig Einfluss. Und wer in der Schweiz produziert, wirbt und verkauft, braucht sich um den Euro nicht zu scheren. Bis zu dem Punkt, wo die geliebte Schweizer Uhr exportiert wird. Mit einem unmittelbaren und drastischen Verfall der Mediabugets brauchen wir nicht zu rechnen. Die Freigabe des Franken wird vielmehr das strategische Umdenken im Medien- und Werbemarkt forcieren und den seit langem laufenden Wandel deutlich beschleunigen. Dabei wird der Fokus ganz sicher auf den digitalen Medien liegen, aber weniger in Kanälen als Content. Den Kunden geht es um Inhalte und nicht unbedingt um die haptische Zeitung oder das Tablet.

Diese Entwicklung ist nicht neu, wird aber Verlage weiter drängen, auf Geschichten und weniger Druckerei und Distribution zu setzen. Dasselbe gilt für Bewegtbild. TV ist auf dem Weg zum Second Screen, den primären hat man heute in der Tasche. Fakt ist, Schweizer Konsumenten haben genauso viel Geld wie vorher (oder mehr), und auch die lokal erhältlichen Produkte werden billiger. Aber was, wenn die Kaufkraft zum Einkauftourismus wird? Um den inländischen Absatz zu halten, werden nur wenige Auftraggeber ihr Marketingbudgets reduzieren wollen. Allerdings erwarten sie für ihr Geld Qualität. Und genau hier wird der starke Franken die Schweizer Medien- und Werbeindustrie treffen. Die Kosten für hochwertige Dienstleistungen sind faktisch 1:1 mit dem Euroraum vergleichbar.

Ideen und Konzepte kennen keine Grenzen, und es sollte eigentlich egal sein, ob sie in London oder Bern entwickelt werden. Das Controlling sieht das anders. Agenturen müssen sich durch ihre Positionierung und lokalen Mehrwert klar differenzieren. Daran werden sie von ihren Auftraggebern gemessen. Das ist nicht neu und war schon immer so. Nur mit den neuen Marktgegebenheiten wird das strategische Umdenken – der Digital & Data Shift – zur zwingenden Notwendigkeit für alle im Media- und Marketinggeschäft.

 

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