Making-of MM Magazin

Die Migros-Wochenzeitungen haben einen neuen Auftritt. Das Redesign ist inhouse gestaltet worden unter der Leitung von Doris Oberneder, Art Direction, sowie dem Layouter Pablo Tys.

Doris Oberneder hat ihre Ausbildung an der Grafik-HTL in Linz abgeschlossen. Nach einem kurzen Einblick in die Werbebranche entschied sie sich für eine Spezialisierung auf Editorial Design. Ihre Laufbahn brachte sie unter anderem zur Tageszeitung Die Presse in Wien, zur Berliner Zeitung und zu KircherBurkhardt Berlin, als die Agentur noch ein Start-up unter dem Namen MediaGroup Berlin war. Seit 2003 lebt Doris Oberneder in Zürich. Hier hat sie sich in der Redesign-Phase des Beobachters bewährt. Seit einem Jahr leitet Doris Oberneder das Layout der deutschen Ausgabe des Migros-Magazins und zeichnet verantwortlich für das Redesign.
 
Pablo Tys hat im belgischen Anvers an der Kunstakademie Illustration, Werbung und Fotografie studiert. Er startete als Fotograf für das Polizeimagazin «info-revue» und hat dort später als Layouter ein erstes Redesign gemacht. In der Folge wirkte er für die grösste Zeitung het Laatste nieuws in Belgien und wurde Art Director des Gondola magazine. Seit dem letzten Sommer arbeitet Pablo Tys für das Migros-Magazin.

WW: Welche Überlegungen führten dazu, dass ein Redesign in Auftrag gegeben wurde?
Doris Oberneder: Das letzte Redesign liegt fünf Jahre zurück. Das war aber eher ein Facelifting. Inzwischen hat man realisiert: Im Layout herrscht bereits ein bisschen Wildwuchs. Man kommt mit den Formen nicht mehr so klar. Sie lassen wenig Abwechslung zu.
Pablo Tys: In Umfragen, die vom Verlag regelmässig durchgeführt werden, wurden die Inhalte immer sehr positiv bewertet, aber das Layout war meistens in der Kritik. Es wurde als wenig modern empfunden. Auch die Leserführung und die Heftstruktur waren bei den Lesern und Leserinnen immer wieder ein Thema.
Oberneder: Selbst für mich war das Heft sehr unübersichtlich. Manche Aufteilungen waren aus Lesersicht nicht nachvollziehbar. Jetzt gibt es neu drei feste, klar abgegrenzte Teile. Diese wollten wir auch mit einer klaren Farbigkeit unterstützen. Jeder Teil hat seine eigene Farbe bekommen.
 
Ging es also in erster Linie um die Gestaltung? Wie war die Redaktion involviert? Oberneder: Nein, es ging um Gestaltung und Inhalt. Jede Rubrik wurde zur Diskussion gestellt. Einige Inhalte sind überdacht und geschärft worden, und gleichzeitig wurden neue Ideen für Rubriken eingebracht. Für die Ideensammlung und -auswertung hat jedes Ressort Arbeitsgruppen gebildet. Besonders der «Leben»-Teil ist noch einmal überarbeitet worden mit einer starken Fokussierung auf Ratgeber.
Tys: Bei einem gründlichen Redesign muss auch der Inhalt überdacht werden. Die Geschichten sollen kürzer werden, prägnanter. Auch sollen das französische und das deutsche Heft optisch mehr einander angeglichen werden.
Oberneder: Ich denke, es soll nach wie vor auch längere Geschichten geben. Mir ist der Heftrhythmus wichtig. Kurze Storys sollen wirklich kurz sein, dafür dürfen längere Geschichten lang sein. Wir wollen unterschiedliche Lesegewohnheiten bedienen.
 
Womit habt ihr angefangen?
Oberneder: Es sind verschiedene Diskussionsrunden organisiert worden mit Vertretern und Vertreterinnen aus der Redaktion, dem Verlag und dem publizistischen Ausschuss. Mir haben diese Workshops vor allem dazu gedient, herauszuhören, wie eng wir uns an den CD-Richtlinien der Migros orientieren müssen. Wie sehr ist das Migros-Magazin ein Corporate-Publishing-Produkt bzw. wie unabhängig bleibt es weiterhin? Die journalistische Unabhängigkeit wird sehr hochgehalten, aber wir werden uns mehr aus den vielfältigen Bereichen der Migros bedienen und unsere internen Spezialisten konsultieren, zum Beispiel aus dem Bereich Gesundheit. Vor allem der Beratungsteil wird davon profitieren.
 
Wie eng musstet ihr euch optisch an der Migros orientieren?
Oberneder: In den ersten Workshop habe ich bereits Beispiele mitgebracht, wie ein Magazin aussehen könnte, das sich an den CD-Richtlinien orientiert. Ich hab rasch bemerkt, dass mit den beiden Schnitten der Helvetica, die uns da zur Verfügung gestanden wären, wenig Spannung im Heft möglich sein wird. Dann habe ich Formen ausprobiert: Wie viele Schnitte bräuchte ich zusätzlich, um den journalistischen Inhalten besser gerecht zu werden und sie voneinander abgrenzen zu können?
 
Was heisst Schnitt?
Oberneder: Das sind Schriftsorten, zum Beispiel die Helvetica Regular und Helvetica Bold. Hier entstand in den Workshops die einhellige Meinung: Wir müssen uns nicht an die CD-Schriften halten. Wir können vom Magazin her denken und auch völlig andere Schriften verwenden.
Tys: Das war schon ein erstes positives Zugeständnis für eine grosse Freiheit in der Gestaltung.
Oberneder: Auch der Titel wurde diskutiert: Bleiben wir bei «Migros-Magazin» oder gehen wir zurück in der Tradition und nennen es zum Beispiel «Wir», um die Eigenständigkeit zu betonen. So wie ja auch der «Brückenbauer» einen eigenständigen Titel hatte.
Tys: Davon ist man abgekommen. Wir bleiben beim «Migros-Magazin». Aber wir lassen beim Cover den Balken weg, der uns in der Gestaltung zu stark einschränkt.
 
Wie ist es weitergegangen?
Oberneder: Wir haben die Chefredaktion gebeten, ein vollständiges Briefing zu machen. Wir wollten erst loslegen, wenn das Briefing wirklich wasserdicht ist und alle offenen Fragen ausdiskutiert worden sind. Was heisst jünger? Was heisst frischer? Wenn man jung und modern sein will, könnte man theoretisch auch gleich ein Online-Magazin machen.
Tys: Es wurde entschieden, dass das Migros-Magazin ein klassisches Printprodukt bleiben, aber noch stärker durch die Online-Inhalte ergänzt werden wird. Das Printprodukt soll vermehrt auf zusätzliche Angebote im Internet verweisen.
Oberneder: Als wir die Eckdaten beisammen hatten, zogen wir uns zwei Wochen zurück und arbeiteten wirklich ausschliesslich für dieses Projekt. In dieser Zeit wurden wir für die anderen Aufgaben entlastet. Wir haben im Layout ein super Team. Es hat absolut zuverlässig und toll funktioniert, wie die Leute während unserer Freistellung unsere Rollen mit übernommen haben. Zum Teil haben wir das Team mit Freelancern ergänzt.
Tys: Wir haben uns eine feste Struktur auferlegt, weil wir wussten: zwei Wochen ist sehr knapp bemessen für ein Redesign. Jeden Tag haben wir ein Etappenziel festgelegt und überprüft, immer mit den Hauptaussagen des Briefings vor Augen.
Oberneder: Unser Ziel war, zum Schluss ein fertiges Heft auf den Tisch zu legen.
 
Habt ihr das geschafft?
Oberneder: Ich habe unsere zweiwöchige Retraite bereits zu Hause vorbereitet. Wir haben mit Sky- Fonts gearbeitet, einer Art Mietoption zum Austesten von Schriften. Da konnten wir aus dem Vollen schöpfen. Ich habe für den Einstieg in den Workshop bereits Varianten ausgedruckt. So konnten wir diese Entwürfe diskutieren und weiterentwickeln. Am dritten Tag wollten wir uns für eine oder mehrere Schriften entschieden haben. Unser CD Bruno Boll ist uns beratend zur Seite gestanden und hat uns aufgemuntert, mutig zu sein, uns aber freie Hand gelassen.
 
War es immer klar, dass das neue Design intern gemacht werden soll?
Oberneder: Das war immer klar. Ich bin vor einem Jahr auch deswegen eingestellt worden. Man wusste damals: Das Magazin will demnächst ein grösseres Redesign angehen und ich hatte bereits Erfahrung in diesem Bereich. Dass Pablo Tys dann im August noch zu unserem Team gestossen ist, war ein grosser Glücksfall. Frisch, offen und neugierig war er genau richtig als Sparringspartner.
Tys: Wir haben beide international Erfahrung und versucht, über den Tellerrand zu blicken. Doris Oberneder hat schon mehrere Publikationen in Deutschland, Österreich und der Schweiz gestaltet. Ich selber komme aus Belgien. Doris und ich haben sofort harmoniert und uns bei der Gestaltung sehr gut ergänzt.
 
Was ist jetzt sichtbar neu?
Oberneder: Ganz neu ist sicher die Farbigkeit. Wir haben uns bewusst für reine Farben entschieden. Es nennt sich zwar «Migros-Magazin», wird aber aufgrund der hohen Auflage mit Zeitungspapier im Rotationsdruck hergestellt. Weil das Papier stark saugt und der Zeitungsdruck einen relativ groben Raster und grossen Farbzuwachs aufweist, haben wir uns entschieden, so reine Farben wie möglich einzusetzen. Jedes Ressort bekommt seine Farbe: der Menschen- Teil ein reines Cyan, der Migros-Teil natürlich das Migros-Orange und der hintere Teil wurde Grün. Ausserdem setzen wir als Spielmöglichkeit eine durchgängige Signalfarbe ein, ein reines Gelb. Gelb hat den Vorteil, dass es gut zu den anderen Farben passt, sich trotz seinem Signalcharakter gut unterordnet und mit schwarz beschriftet werden kann.
Tys: Ein anderes wichtiges Gestaltungselement ist der Rahmen.
Oberneder: Die Coop-Zeitung ist ja ebenfalls kürzlich redesignt worden. Dort wird der Druckrand, der im Zeitungsdruck aus technischen Gründen nicht bedruckt werden kann, zum Schluss weggeschnitten, so dass es randabfallend ist. Wir bleiben lieber beim grösseren Format und betonen den Druckbereich sogar noch mit einem Rahmen. Der Rahmen hat ja auch etwas Feierliches, so wie man ein Bild rahmt, um ihm mehr Bedeutung zu verleihen. Ausserdem ist es aus gestalterischer Sicht eine schöne Option, mit Weissraum zu arbeiten.
 
Was ist beim Cover neu geworden?
Oberneder: Da gibt es eine eigene Bildstrategie. Olivier Paky, der Leiter der Bildredaktion, hat ein neues Bildkonzept erstellt. Die Bilder sollen lebendiger werden und die Aufmerksamkeit des Lesers auf sich ziehen. Das betrifft natürlich nicht nur das Cover, sondern auch die Innenseiten. Von Layoutseite unterstützen wir die Bildwirkung durch einen grösseren Bildanteil.
 
Wofür habt ihr am meisten gekämpft?
Tys: Wir mussten gar nicht kämpfen, sondern sind sowohl in der Redaktion und im Verlag als auch durch unsere Migros-Kollegen sehr unterstützt worden. Wofür ich jedoch gekämpft hätte, wenn es nötig gewesen wäre, ist die Farbigkeit.
Oberneder: Uns war es ausserdem ein Anliegen, dass man die journalistischen Formen besser erkennt. Da sind wir auch in der Redaktion auf offene Ohren gestossen. Ein Rezept ist jetzt einfach ein Rezept. Wir müssen dazu nicht noch einen Promi abbilden. Wir wollten mehr auf die sachliche Ebene kommen, es reduzieren auf das, was es ist, und dafür tolle Rezeptfotos machen. Diese Rezepte korrespondieren nun auch mit dem Produkt der Woche, das auf der kleinteiligen Seite im Migros-Bund abgebildet wird. Die Inhalte gehen mehr zusammen. Das bedingt zum Teil eine engere Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Ressorts und zwischen Redaktion und Layout.
 
Die Redaktion hatte in diesen zwei Wochen aber kein Mitspracherecht?
Oberneder: Wir wollten verhindern, dass die Redaktion uns im kreativen Prozess einschränkt. Es ist uns ja schon vorher extrem viel zugetragen worden und ich wusste gar nicht mehr, wie ich den vielen Wünschen gerecht werden soll. Deshalb haben wir die Inputs gestoppt bzw. gesteuert. Die Chefredakteure Hans Schneeberger und Steve Gaspoz haben die Resultate der Gruppenworkshops aus den Ressorts entgegengenommen, geprüft und ins Briefing übernommen. Erst das Schlussergebnis wurde wieder zur Diskussion vorgelegt.
 
Wie ist das Resultat aufgenommen worden?
Oberneder: Sehr positiv. Nach dem ersten Heft, das wir nach der Retraite vorlegen konnten, mussten alle möglichen Formen umgesetzt und eine erste Nullnummer gedruckt werden. Diese wurde dann den verschiedenen Ausschüssen des MGB vorgelegt. Es mussten vom Anfangsentwurf bis zum Schlussresultat nicht mehr viele Änderungen vorgenommen werden.
 
Wird die Produktion nun komplizierter?
Oberneder: Es wird ein bisschen komplexer, aber wir arbeiten jetzt auch anders. Wir arbeiten mehr mit Bibliothekselementen. Jedes Element und jede Seite ist in der Bibliothek abgebildet und kann dort abgerufen werden.
Tys: Aber wenn man frei gestalten möchte oder muss, dann wird es wahrscheinlich aufwendiger. Wir arbeiten mit unterschiedlichen Spalten, was auch neu ist, und die Weissräume müssen einen gewissen Zusammenhang haben und stimmig sein.
 
Und dann?
Oberneder: Wir sind gerade daran, das Handbuch zu erstellen und die Abläufe etwas zu optimieren. Der hohe Qualitätsanspruch muss nun im Alltag beibehalten werden. Das kann mitunter recht fordernd sein. Die Schreibenden und Gestaltenden müssen gleichermassen die neuen Designkonzepte verinnerlichen und sich daran halten. Es wäre schade, wenn das neue Design bald wieder verwässert wäre. Und zum Schluss kommen noch die Extras dran, unsere monothematischen redaktionellen Beilagen.

Interview: Andreas Panzeri

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