Der Motz von Butz: D’Migros postet jetzt an äne a dr Gränze

Da muss man lesen, warum die letzten guten Mohikaner der Werbung das Handtuch werfen müssen.

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Ein Dolchstoss in die Schweizer Werbeszene hat sich die Migros-Tochter Interio mit der Kündigung des Etats bei der Neuen LGK und der Vergabe der Werbeaufgaben an die Münchner Agentur Fashioncom geleistet. Mir bleibt die Spucke weg. Da beklagt sich der Detailhandel, dass die Konsumenten ihre Einkäufe im nahe gelegenen Ausland tätigen. Es soll sich dabei um Milliardenbeträge handeln, die der Migros, dem Coop und dem übrigen Rest entgehen.

Die Neue LGK, eine klassische Werbeagentur, die aus den guten Agenturen Y&R oder WHS herausgewachsen ist und der Interio in den letzten Jahren einen hervorragenden Werbejob geboten hat. Irgendwo habe ich doch gelesen: «Die Interio-Jubiläums- Kampagne verdoppelt die Frequenz am POS.» Es soll jedenfalls ein voller Erfolg gewesen sein. Sogar der Migros-Chef Bolliger antwortete in einem Interview der SonntagsZeitung vom 1. Februar zum Thema «Einkaufstourismus hat nichts mit Patriotismus zu tun» auf die Frage, ob das Sorgenkind Interio endlich wieder Gewinne erziele. «Nun gewinnt Interio deutlich Marktanteile. Der Umsatz wurde in einem leicht schrumpfenden Gesamtmarkt um zehn Prozent gesteigert.» Aber trotzdem, die Agenturinhaber sind nun gezwungen, nach 21 Jahren 15 Mitarbeiter zu entlassen und die Agentur zu schliessen.

Meine Theorie: Das grafische Gewerbe der Schweiz ist weltberühmt und deren Wurzeln sind heute noch spürbar. International geniesst die Schweizer Werbeszene im Grössenverhältnis einen hervorragenden Palmarès (siehe Cannes). Sechs Jahre war ich in Deutschland in der Werbung tätig. Einem Land, zehnmal so gross wie die Schweiz, aber nur etwa gleich kreativ wie die Schweizer. Warum sich Interio, ein ausschliessliches Einrichtungshaus ohne Modeartikel, für eine Agentur, deren Kerngeschäft im Fashion Business liegt, eingelassen hat, versteht eigentlich niemand. Gar niemand der Werbebranche versteht vor allem, dass das Interio- Budget jetzt von Bayern betreut wird und das Honorar ins Ausland geht.

Die Migros, Interio, Globus, Denner und was auch immer noch zu diesem Giganten gehört, lebt von einer Kundschaft, die ausschliesslich in der Schweiz zu Hause ist. Alle diese Sohn- und Tochterfirmen sind zu 100 Prozent reine schweizerische Unternehmen. Warum sollten denn jetzt Münchner für Interio bessere Werbung generieren? Vielleicht machen die das ja einfach nur günstiger.

Wer zu meinen regelmässigen Motz-Lesern zählt, weiss, dass derjenige, der bei der Kreation der Werbung Geld spart, schon auf verlorenem Posten ist. Ich werde mir die Werbefortsetzung für Interio als Motz-Kolumnist scharf unter die Lupe nehmen. Dass ich künftig anstatt im Globus Bellevue meine Einkäufe in Weil am Rhein tätigen werde, ziehe ich aus ökologischen Gründen noch nicht in Erwägung. Mein Aufsteller siehe Chapeau.

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Interio, eine Migros-Tochter, beide Unternehmen ausschliesslich auf dem Markt Schweiz tätig, leben von Kunden in der Schweiz. Sie selber aber kaufen die Werbung in Deutschland ein. Es trifft überhaupt nicht der Fall zu, dass diese Agentur Fashioncom etwas kann, was hier niemand könnte.

Chapeau!
Für das Super-Bowl-Spektakel in den USA, wo die höchsten Einschaltpreise bezahlt werden, hat Fiat für den 500X einen originellen Spot mit viel Italianità und einer treffenden Pointe zum Produktvorteil realisiert. Werbung, wie sie sein sollte:
 

https://www.youtube.com/watch?v=YAcLViTHDOo

Theophil Butz, Grafiker, Werbeagentur-Inhaber, Inspirator und seit mehr als drei Jahren auch noch Motzer für die Werbewoche- Leser. Sachdienliche Hinweise bitte an theophil@undbutz.ch.

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