«Unser Film hat eine eigene Haltung»

Rund hundert Jungtalente nahmen letztes Jahr in Zweierteams am ADC Young Creatives Award teil, um nebst der Trophäe einen Platz an der Young Lions Competition in Cannes zu ergattern. Die Werbewoche stellt in einer Serie die vier Siegerteams vor.

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Hauptsponsor und Aufgabensteller war die Suva. Gesucht wurden Kommunikationsideen, um Lehrlinge vor Unfallgefahren am Arbeitsplatz zu schützen. Den Anfang machen Chris Sapiain Wetter und Raymi Mendoza, die Gewinner der Kategorie Film. Wir sprachen mit ihnen über gelungene Provokationen und Grenzüberschreitungen in der Werbung.

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WW: Euer Film handelt von Hassan, der wegen eines unappetitlichen, amputierten Fingers seine Spielkonsole nicht mehr richtig bedienen kann oder den BH seiner Freundin nicht mehr aufkriegt. Der Film endet mit der Aufforderung «besser luegsch». Macht ihr euch über Ausländer und Behinderte lustig?

Chris: Auf gewisse Art machen wir uns lustig. Wir kommunizieren emotional und unzensiert, damit Jugendliche einen Bezug zur Thematik bekommen. Sie finden sich in Hassan wieder, gerade wegen dieses Humors. Wir haben die Zielgruppe vorgängig analysiert und dazu unsere Kollegen aus der Baubranche befragt. Einer von ihnen heisst Hassan – aus Dank dafür, dass er uns einen Einblick in seine Welt gegeben hat, haben wir dem Protagonisten seinen Namen verpasst. Dieser Humor funktioniert nicht für alle, aber bei der Zielgruppe der Kampagne kommt er sehr gut an. Hassan findet den Film lustig.
Raymi: Wir wollen nicht auftreten wie Eltern, die sagen, dies und das sollst du nicht machen oder pass gut auf. Das geht bei einem Ohr rein und beim anderen wieder raus.
Chris: Genau. Die Botschaft von unserem Film ist: Du musst es selber wissen, aber «besser luegsch».
 

WW: Aber verulkt ihr nicht ein ernstes Thema?

Raymi: Ich denke nicht. Man überlegt sich im Nachhinein schon, dass ein Arbeitsunfall nicht lustig wäre. Die ernste Botschaft bleibt erkennbar. Wir zeigen anhand von Alltagssituationen wie Rauchen, Trinken oder Gamen: Es könnte wirklich mühsam sein, alle diese Dinge ohne Finger machen zu müssen.
Chris: Jugendliche in unserem Alter sind ziemlich abgestumpft gegen krasse Tatsachen. Es ist nicht so leicht, uns zu schockieren. Darum haben wir keine warnenden Unfallbilder gezeigt, sondern uns auf lustige Weise Gedanken über die Folgen gemacht.
 

WW: Seid ihr der Meinung, dass Werbung im Allgemeinen zu brav ist?

Raymi: Wir finden Spots in der Schweiz meistens langweilig und anspruchslos. Gerade Versicherungswerbung repetiert oft dieselbe lieblose Geschichte. Sie erklärt, wie sicher man bei einem Anbieter ist und dass man sich keine Sorgen machen muss. Viele Unternehmen lehnen sich nicht gerne aus dem Fenster und führen lieber fort, was bis anhin funktioniert hat.
Chris: Das hat auch viel mit der Kultur zu tun. Wir kommen beide aus Südamerika. Dort schaut man sich Werbung gerne an. Sie ist gewagter und darum unterhält sie. Man sitzt mit der Familie vor dem Fernseher und diskutiert darüber. Solche Botschaften kommen dann auch an.
 

WW: Wo sind für euch die Grenzen, die ein provokativer Werbefilm einhalten muss, was ginge definitiv zu weit für euch?

Chris: Rassismus. Die SVP-Plakate finden wir geschmacklos. Man kann schon mit Klischees spielen, aber dann sollte man sich über alle lustig machen. Eine humorvolle Perspektive finde ich okay, aber nicht gegen eine bestimmte Gruppe. Unser Film schafft die Gratwanderung, weil jedem Jugendlichen passieren könnte, was Hassan passiert ist.
Raymi: Vielleicht finden wir das aber einfach, weil wir uns nicht mit der SVP-Botschaft identifizieren können. Wenn man deren Einstellung teilt, findet man wahrscheinlich auch die Provokation gelungen.
Chris: Das ist das Problem. Wenn man alle ansprechen will, wird es grau. Darum hat unser Film eine eigene Meinung und eine eigene Haltung – direkt, unverfälscht und lustig.

Interview und Foto: Simone Isliker

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