Die Magie des Papiers

Alternative Kommunikationsformen nehmen zu. Ein Paradebeispiel ist das Corporate Publishing, das auch eine grosse Anzahl neuer Kunden anspricht, die bis heute wenig oder keine Kommunikation betrieben haben. von Karl Lüönd

Statistiken gibt es in der Schweizer Medienwirtschaft über fast alles, vorausgesetzt, es handelt sich um klassische Werbeträger. Die Stiftung Schweizer Werbestatistik ist die Top-Quelle, aber nur für Presse, Fernsehen, Radio, Aussenwerbung, Adressbücher, Direktwerbung und «Übrige ». Ihrem Arbeitsansatz liegt das klassische Verständnis von «Werbung» zugrunde. Dass sich die Werbeumsätze in der Schweiz vom Höchststand (2006: 5,241 Mia. Franken) auf 4,411 Milliarden (2012), also um 16 Prozent, reduziert haben sollen, ist wohl nur mit der überlebten Definition von «Werbung » zu erklären (www.werbestatistik.ch/Urs Wolfensberger, Leiter Marketing & Sales, WEMF, 5.6.2013). Gäbe es eine Möglichkeit, den gesamten Marketingaufwand der – sagen wir 1000 – stärksten Unternehmen der Schweiz zu erheben, hätten wir es in dieser Periode mit Sicherheit mit einer Steigerung von über 16 Prozent zu tun.

Im Hintergrund steht der grundlegende Wandel des Geschäfts in den meisten Branchen. Damit eng verknüpft ist die Heraufkunft alternativer Kommunikationsformen – ich sage: «alternativer», nicht unbedingt «neuer». Während seit Jahren alles den Social Media hinterher rennt, machen ganz klassische, aber auf den neuen Ansatz des Marketings adaptierte Kommunikationsformen in aller Stille hervorragende Geschäfte. Mein Paradebeispiel ist Corporate Publishing: die Verfertigung von Unternehmens- und Organisationsmedien nach der Formel von erfolgreichen Publikumsmagazinen und Zeitungen, aber auch multimedial und auf den digitalen Kanälen.

Ich sehe in diesem Bereich jede Menge leistungsstarke neue Firmen auftauchen, die allesamt unter dem Radar der Branchenstatistiker fliegen, aber inzwischen eine beachtliche Flughöhe erreicht haben. Eine kleine, willkürliche Auswahl: Arnold.Kircher- Burkhardt, BaselWest, Crafft, Infel, Medianovis, Primafila, Prime, Raffinerie, Swisscontent, Wirz Corporate… Ich sehe diese Firmen wachsen (ich schätze jährlich um 6 bis 12 %). Ich sehe sie vor allem immer exportfähiger werden, nicht zuletzt unter dem Druck ihrer Top-Kunden, der international tätigen grossen Schweizer Konzerne. Ich sehe toll gemachte, nach innen gerichtete Mitarbeitermagazine, etwa dasjenige der UBS (von Swisscontent) – und ich sehe vor allem jede Menge neuer Kunden: Museen, Theater, öffentliche Verwaltungen, Hilfswerke, Verbände…

Je erklärungsbedürftiger und intellektueller die Branche, je komplexer die Angebote, desto grösser deren Hinneigung zur Firmenpublizistik. Die Spitze nimmt wohl der Rückversicherer SwissRe ein, der schon 2001 allein für das Verzeichnis seiner Fachpublikationen ein 170 Seiten starkes Booklet gebraucht und nach den Angaben des Fachmagazins Horizont damals über hundert Unternehmensmedien betrieben hat.

In der Zwischenzeit sind viele dieser Medien – aus Kostengründen, versteht sich – ins Internet abgewandert, teilweise aber auch wieder zurückgekehrt in die Gutenberg-Galaxis, zum guten alten Papier. In einer grossen Versicherungsgesellschaft, wo die Zukunft des gedruckten Mitarbeitermagazins in Frage stand, ergab eine Mitarbeiterumfrage mit erdrückendem Mehr: Wir wollen unser Magazin auf Papier. Auch die Konsumenten interner Medien wissen oder spüren, dass die Werthaltigkeit der Druckmedien ungleich grösser ist als jede Botschaft auf dem Bildschirm.

Eigene Medien sind – ein kluges Vertriebskonzept vorausgesetzt – eine wichtige Alternative zu klassischen Werbeformen. Dass man mit CP Inhalte und Darstellungsformen kontrollieren kann, ist eine Binsenwahrheit. Je komplexer die Inhalte (und die Marktleistungen) sind, desto angezeigter ist Corporate Publishing, das ja längst auch in der Internet-Welt zu Hause ist und multimediale Lösungen zu vernünftigen Kosten erlaubt.

Dazu kommt: Corporate Publishing ist konkurrenzfrei, man kann es zeitlich genau auf laufende Marketingaktionen (etwa in stark filialisierten Firmen) abstimmen, es pflegt und vitalisiert die Marke, und es dient an vielen Orten auch als Basis für interessante multimediale Auftritte. Selbst wenn kräftig in Inhalte und Gestaltung investiert wird, wird die Rechnung unter dem Strich sehr, sehr vernünftig ausfallen.

Karl Lüönd ist freier Publizist und Buchautor
 

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