«Personalmarketing fristet immer noch ein Mauerblümchendasein»

Das Personalmarketing der VBZ, ausgeheckt von Ruf Lanz, sorgt seit Jahren über die Landesgrenzen hinaus für Furore. Im Interview erklärt der HR-Verantwortliche Jörg Buckmann, wieso er ein Fachbuch zum Thema geschrieben hat.

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WW: Die Recruiting-Kampagnen der VBZ sind bei der Deutschen Gesellschaft für Personalführung oder in Berlin bei den HR Excellence Awards ausgezeichnet worden. Was macht sie offensichtlich besser als die Kampagnen der Konkurrenz?
Jörg Buckmann: Das ist relativ einfach zu sagen: Wir machen frechmutigere Personalwerbung. Konkret: Wir versuchen, die Werbung für Personal genau so leidenschaftlich, emotional und professionell zu machen wie die Werbung für das Unternehmen und unsere Dienstleistungen. Das ist eine Grundhaltung, die aber gerade bei uns im HR nach teilweise anderen Kompetenzen als bisher ruft. Wir investieren auch ganz bewusst in gute Personalwerbung und nehmen für grössere Kampagnen die Unterstützung unserer «Hausagentur» Ruf Lanz in Anspruch. Auch darum kommen unsere Werbekampagnen – egal ob für die VBZ oder für das Personal – aus einem Guss.
 

Aufgrund welcher Erfahrungen finden Sie die richtige Sprache für ihre Zielgruppen?

Es gehört zum Job im HR, den Markt zu kennen. Auch das ist ja gar nicht so schwer, schliesslich führen wir täglich Bewerbungsgespräche. So schärft man den Blick dafür, wo interessante Zielgruppen sind, fast automatisch. Dazu kommt natürlich die Erfahrung. Nehmen wir zum Beispiel die Trampilotinnen und Trampiloten. Für diesen Quereinsteigerberuf suchen wir jährlich 60 neue Arbeitskolleginnen und -kollegen. Wir haben gemerkt – und da ist uns die sogenannte Frühfluktuation ein schmerzhafter und teurer Fingerzeig –, dass Menschen aus Dienstleistungsberufen und vor allem auch mit Erfahrung in der gewöhnungsbedürftigen Schichtarbeit überdurchschnittlich schnell Tritt fassen. Von dieser Erkenntnis ist der Schritt hin zur Definition der richtigen Zielgruppen nicht mehr weit. Für diesen Beruf sind es Menschen aus der Gastronomie, dem Verkauf und anderen Dienstleistungsberufen.
 

Ist es nicht etwas beleidigend oder vielleicht sogar zynisch, von «Trampiloten» zu sprechen?

Ach was, lassen wir die Kirche doch im Dorf – und die Piloten in ihren Airbussen und Boeing. Obwohl, wir meinen es sehr wohl ernst mit dieser Berufsbezeichnung, weil sie sehr wohl auch gut auf die Tramcockpits zutrifft. Allein schon einmal optisch und von der Positionierung her – fragen Sie eine Trampilotin einmal, wie es sich anfühlt, hinter der riesigen Scheibe durch den pulsierenden Verkehr von Zürich zu gleiten. Man oder eben Frau ist mittendrin, ganz vorne, im Zentrum. Und auch das Berufsbild hat sich in den letzten Jahren geändert: Unverändert ist die hohe Verantwortung und Konzentrationsfähigkeit – so wie bei den Piloten der Lüfte. Immer wichtiger wurde der Kundendienst und die Information im Störungsfall. Und ein gutes, professionelles Auftreten. Anhand der Berufskleider lässt sich diese Entwicklung sehr schön nachzeichnen. Übrigens: Für viele Trampilotinnen und Trampiloten ist dieser Beruf auch ein Traumberuf, fast ein bisschen wie eine Lokführerin oder ein Lokführer für die Stadt.
 

Wie wichtig ist für Sie das Aufgreifen der Kampagne in den anderen Medien sowie Social Media?

Sehr wichtig. Wir versuchen, den geänderten Kommunikationsbedürfnissen der Zielgruppen zu folgen. Darum mixen wir klassische Medien, die bei einer breit angelegten Kampagne nach wie vor Sinn machen, mit neuen. Wir setzen also auf Radiowerbung genauso wie auf Blog oder Facebook.
 

Wie ist das Feedback zur Kampagne in Zahlen?

Die Zahlen der Kampagnen, im Moment läuft bereits die dritte, sind sensationell. Bei einer Verdoppelung der Bewerbungen von Frauen von 16 auf 31  Prozent darf man aber wohl diesen Ausdruck bemühen, finde ich. Bis 2012 lag der Anteil von Frauen, die im Tram ganz vorne sitzen, bei 21 Prozent. 2013 wurden dank der zielgruppenfokussierten Ansprache über 40 Prozent Frauen angestellt. Und das ohne Quotenvorgaben, sondern nur durch gezielte, gute Personalwerbung. Eine, die auch Spass macht, ein bisschen frech und mutig ist – oder eben frechmutig, wie wir das nennen.
 

Sie haben zum Thema «Personalwerbung» ein Buch geschrieben. Was hat Sie dazu «getrieben»?

In erster Linie haben mich ganz einfach die pure Freude und die Leidenschaft für das Thema Personalmarketing in die Tasten greifen lassen. Denn diese, und das war ein zweiter Motivator, fristet noch immer ein gehöriges Mauerblümchendasein. Dabei stehen wir doch, so kann man landauf landab lesen, bekanntlich oder angeblich im «war for talents». In der Personalwerbung kommt davon weiss Gott noch ziemlich wenig an. Darum habe ich ein Fachbuch geschrieben oder besser gesagt, es zusammen mit Fachleuten aus der Schweiz, aus Österreich und Deutschland herausgegeben, welches einerseits 13 gute Praxisbeispiele enthält und andererseits die Einstellung thematisiert, die es im HR braucht, um endlich pfiffigere Personalwerbung zu machen. Ich erlebe oft, dass mir HR-Kolleginnen oder Kollegen rückmelden, sie fänden die Personalwerbung der VBZ auffällig und aussergewöhnlich, sie würden auch gerne in diese Richtung gehen. Mein Buch soll auf eine unterhaltsame Art und Weise ein paar Tipps und vielleicht auch eine Portion Mut geben, genau das zu tun. Unterhaltsam heisst, dass das Buch keine akademische Abhandlung ist, sondern eher ein Geschichtenbuch. Denn ich porträtiere fünf spannende Persönlichkeiten, welche die fünf Essenzen von Frechmut verkörpern. Unser Werber Markus Ruf gehört dazu, aber auch Künzli-Besitzerin Barbara Artmann und drei weitere Personen, die im HR etwas zu sagen haben. Meine natürlich gänzlich unbescheidene Hoffnung ist, dass die fast 300 Seiten Papier wenigstens ein winzig kleines Saatkorn an  Inspiration für frische Personalwerbung in die Köpfe der Personaler pflanzen.

Interview: Andreas Panzeri

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Ruf Lanz hat für die Verkehrsbetriebe Zürich ein Stelleninserat für Trampilotinnen in Form einer Modereportage gestaltet (Werbewoche.ch berichtete).

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Demnächst im Buchhandel und bereits als E-Book beim Springer Gabler Verlag.

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