Heiss wie Wodka, dumm wie Brot

Anne-Friederike Heinrich, freie Mitarbeiterin der Werbewoche, über Fernsehen auf höchstem Niveau. 

In guten Zeiten sass ich, wenn der Abend den Regimentsstab an die Nacht abgab, vor Reich- Ranickis «Literarischem Quartett». Sie wissen schon: «Und so sehen wir betroffen / Den Vorhang zu und alle Fragen offen.» Diese Zeiten sind vorbei. Nicht nur, weil die bibliophile Bücherrunde seit Ranickis Abgang den Biss verloren hat, sondern – Ranicki ruhe in Frieden – weil ich heute den «Bachelor» schaue. Das nicht etwa wegen gesunkener intellektueller Ansprüche, die man Mamis ja gerne nachsagt: dada, gaga, lala. Im Gegenteil. Der aktuelle Bachelor, Vujo Gavric, ist literarisch mindestens ebenso bewandert wie der alte Pole und dabei noch etwas besser gebaut als Ranicki. Zu den Sternstunden der hohen Bachelor- Muse gehört zum Beispiel Vujos «ich habe mir etwas Romantisches einfallen lassen und zwar einen superschönen Sonnenuntergang». Das ist nicht etwa total plemplem, sondern Blaue Blume pur, der Zenith der Romantik. Wäre das Goethes Werther eingefallen, hätten er und Lotte vielleicht ein weniger tragisches Ende genommen. Aber IHM ist es nicht eingefallen, wir mussten erst auf Vujo warten. Von ausgeprägter Hirn- und Herzensbildung zeugt auch die Feststellung des Fussballers: «Im Jacuzzi, ohne Badekleider, viel Schaum und ein bisschen Sekt, das ist sehr intim. Da kann man wirklich besser miteinander reden.» Ja, wenn Effi Briest einen Whirlpool gehabt hätte …

Und allen, die die zauberhaften Aphorismen des Bachelors nicht (an) erkennen, sei gesagt: Ihr seid bloss neidisch – oder hat Euer Liebster schon mal einen eigenen Sonnenuntergang für Euch organisiert? Oder Euch gesagt, er sei geschaffen, um [Euch] zu lieben? Eben!

Vujo ist Voodoo

Dass 20 Minuten die dämlichsten Zitate dieses genial cleveren Junggesellen (bei Vujo handelt es sich bei «Bachelor» NICHT um einen Universitätsabschluss!) zusammenstellt, belegt, dass die Redaktorenkollegen des Qualitätsblättchens mal wieder nichts kapiert haben. Vujo ist ganz klar ein missverstandenes Genie. Doch zum Glück hat er 20 wahre «Ladys» um sich, die genau erkennen, wie umwerfend der Zürcher ist. «Du bist heiss wie Wodka!», fand zum Beispiel Kandidatin Olga. Das ist fein beobachtet. Und punktgenau formuliert.

Glücklicherweise hat sich der pfiffige Rosenkavalier mit einer Reihe Denta lassistentinnen umgeben. So kann er sich nach der Bachelor-Staffel von seiner Auserwählten gleich noch sein grauenerregendes T-Rex-Gefräss sanieren lassen. Aber das nur am Rande. Ranickis Gebiss war auch nicht schön. Entscheidend ist ja, was zwischen den Zähnen herauskommt – nein, ich meine nicht die Zunge, sondern eben die Belege höchster Geistesaktivität.

Klingender Hohlraum

«Wie man […] hineinruft, so schallt es heraus», sagt der Volksmund. Eigentlich «in den Wald», das gilt aber ganz besonders für Hohlräume. Vujo ist also die optimale Projektionsfläche für literarische Weisheiten und die ganze Fülle des Wohllauts, ein zweiter, ja besserer Ranicki. Denn hohler geht es nun wirklich nicht.

Vielleicht müsste man die literarische Prägung des «Bachelor» in der nächsten Staffel einfach noch ein wenig herausarbeiten, damit sie sich auch einfacheren Gemütern erschliesst, damit auch 20 Minuten mitschneidet, wie genial das Format und seine Protagonisten sind. Wie wäre es zum Beispiel mit einem knackigem Schlusssatz a la Reich-Ranicki beziehungsweise Bertold Brecht: «Habe nun 20 Ladys getroffen / Den Vorhang zu und alle sind besoffen.»

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