Kraftvoll, klar, ungewöhnlich

Andreas Steiner und René Karrer bieten ihre Werbung unter dem Label rosarot an. Ein Agenturname, der nach Deutung verlangt und damit auch eine spannende Diskussion in Gang setzen kann. Ungewöhnlich ist auch: Die Agentur betreibt ein eigenes Modelabel.

Unbenannt-16j

Ihr Auftritt schafft auf den ersten Blick «eine Provokation – er erregt Aufmerksamkeit». Auf den zweiten Blick visualisiert rosarot die Philosophie, mit der René Karrer und Andreas Steiner ihre Werbung gestalten: Rot steht für eine kraftvolle und emotionale Kommunikation, Weiss steht für Einfachheit und Klarheit. «Zusammen ergibt das Rosarot.»

Viele Agenturen arbeiten mit Initialen oder benützen gängige Fachwörter aus dem Bereich des Marketings. Aber: Ein Briefkopf mit «RK Kommunikation » hätte bei den Rosaroten als Brand keinen Charakter, keine Botschaft gehabt. «Wir können nicht nur von Werbung sprechen, wir müssen die Werbung auch leben. Wir wollten mit unserer Agentur eine Welt aufbauen», philosophiert Karrer. Die Wahl hat dem Werber bis heute recht gegeben: «Wir haben noch nie jemanden erlebt, der uns ein zweites Mal nach unserem Namen gefragt hat. Einmal gehört, ist er im Gedächtnis. Werbung also.» Auch wenn der Name heute ein Teil des Erfolgs ist, barg dieser ganz zu Beginn trotzdem ein gewisses Risiko. «Wir wurden für eine Präsentation der Kampagne Bonviva von der Credit Suisse eingeladen und haben dazu eine Offerte auf rosarotem Papier geschrieben. Den Auftrag haben wir dann trotzdem bekommen.» Auch heute noch können die Auftritte polarisieren, wenn Karrer und Steiner einer Geschäftsleitung konsequent in rosaroten Hemden entgegentreten. «Meistens kommen wir bei einer Präsentation in den Raum, und das Eis ist sofort gebrochen. Heute spielen wir mit den Vorurteilen rund um diese Provokation.» Das Handwerk für ihre Spielereien haben die beiden Geschäftspartner sowohl theoretisch wie praktisch fundiert erworben.

René Karrer wählte den Weg über die Fachhochschule mit Fokus Marketing und Kommunikation, worauf verschiedene Engagements auf Agentur- wie auch auf Kundenseite folgten. Nach dem Studium arbeitete er zuerst bei Credit Suisse im Bereich Product Management. Danach wechselte Karrer in die Kommunikationsabteilung, wo er zentral verschiedene Marketing-Kampagnen begleiten durfte. Das Betreuen der Budgets führte zu regem Kontakt mit Agenturen. Und weil er dort mehr Freiheiten beim Ausleben auch eigener Ideen ausmachen konnte, wechselte Karrer schliesslich als Berater auf die Agenturseite.

Darauf half er beim Aufbau einer Merchandisingagentur in Bern. Damit ist der spätere Initiator des Labels AD.M erstmals auch mit dem Bereich Textil in Kontakt gekommen. «Wir haben Kollektionen entworfen für Audi. Dazu musste ich für die Herstellung Betriebe in Portugal, der Türkei und China besuchen.»

All diese Erfahrungen führten 2007 zum Entscheid, eine eigene Agentur gründen zu wollen. Es war ein «Bauchentscheid». Als René Karrer zum ersten Mal Vater geworden war, sagte er einen Tag spä- ter zu seiner Frau: «Das ist der richtige Moment, um mich selbstständig zu machen.» Als Tochter eines ebenfalls Selbstständigen hat seine Frau die Motivation verstanden. «Etwas Eigenes auf die Beine stellen, weil man der Meinung ist, die Dinge anders und natürlich auch besser machen zu können. In unserem Fall mit Leidenschaft, ansteckender Begeisterung und klarem Kundenfokus.»

Die ersten Aufträge hat René Karrer noch ganz allein und mit Freelancern bewältigt. Bald brauchte es aber eine erste Mitarbeiterin. Der zweite Mitarbeiter war Andreas Steiner, ein «All in One»-Paket, der dann später auch zum Partner wurde. Andreas Steiner absolvierte ein Studium der Publizistik an der Universität Zürich. Sein beruflicher Weg führte von Anstellungen in PR- und Werbeagenturen über die Marketingabteilung in einem internationalen Tourismusunternehmen wieder zurück in die Agenturwelt. 2007 stiess Steiner zu rosarot. «Die Arbeit in einer Agentur ist extrem abwechslungsreich und der Mitaufbau einer solchen macht die Arbeit natürlich doppelt spannend.» So musste Steiner auch nicht lange überlegen, als er Ende 2008 das Angebot, als Partner bei rosarot einzusteigen, erhielt.

In fünf Jahren zur Wunschgrösse

Seither ist die Agentur mit ihren Kunden kontinuierlich gewachsen. Aus anfänglich kleinen Projekten sind im Laufe der Zeit immer grössere geworden. Beispiele dafür sind die AMAG oder die Neue Aargauer Bank (NAB), welche rosarot fast seit der Gründung begleiten darf – bei der AMAG mittlerweile mit schweizweiten Kampagnen. Oder auch die Credit Suisse, für die Karrer und Steiner vor allem in ihrer Anfangsphase sehr viel gearbeitet haben. «Für die Firmenentwicklung sind solche Kunden natürlich prägend. Prägender als einzelne Kunden ist aber eigentlich die Vielfalt unserer Engagements. Glücklicherweise dürfen wir immer noch Kunden aus grundverschiedenen Bereichen mit ebenso unterschiedlichen Bedürfnissen und Zielen betreuen, sodass wir unsere Denk- und Herangehensweise bis heute sowohl in der Tiefe als auch in der Breite stetig weiterentwickeln konnten.» Die Projekte reichen von der Kreation eines Eistee-Neuauftritts über Mailing-Ideen für Swisscom und die internationale Eventkommunikation für BARRY CALLEBAUT bis zur Messekonzeption für die Zürich-Versicherung. Und die Kernkompetenz? «Wenn wir auf unsere Projekte zurückschauen, dann haben wir schon so ziemlich alles machen dürfen: klassische Werbung, Branding, Dialog- und Direktmarketing, Unternehmenskommunikation, Packaging, Online-Werbung und Event-Kommunikation. Wir lieben die Vielfalt, die Abwechslung, die Herausforderung. Deshalb nennen wir uns gerne eine Boutique-Agentur. Also die kleinere, aber feinere Werbeagentur, mit der Liebe zum Detail, stilvoll und immer mit packender Idee, klarem Konzept sowie emotionalem Design.» Gewinne bei Kreativwettbewerben sind kein Ziel. Auf Wunsch des Kunden hat rosarot aber auch schon beim DM-Award eingereicht und dabei auf Anhieb gewonnen.

Mit der Credit Suisse und der NAB ganz zu Beginn hatte rosarot die Kredibilität, als Kleinagentur auch mit grossen Budgets umgehen zu können. Das Wachstum erfolgte in erster Linie, weil die Kreativen von ihren Kunden rege weiterempfohlen wurden. «Habt ihr schon mal einen Messestand gebaut?» Nein, war die kurze Antwort von rosarot. Ja, diejenigen des Kunden. «Das hat uns gestärkt, motiviert und zu Höchstleistungen angetrieben. Allen Kunden sind wir bis heute dankbar, dass Sie uns vertrauten – unserem Kommunikationsgespür, unseren Stärken betreffend Idee, Konzept und Design.» Um diese Vielfalt richtig zu spiegeln, heisst das Unternehmen in seiner Ganzheit auch rosarot Ideennetz. Fest angestellt sind 11 Mitarbeitende. «Eine Grösse, auf die wir stolz sind und in der wir in Zukunft auch weiterarbeiten möchten. Die Nähe zu unseren Kunden ist für uns elementar. Darum möchten wir auch weiterhin selbst operativ tätig bleiben», ist Karrer und Steiner sehr wichtig. Zur Arbeitsteilung hat sich mit den Jahren herauskristallisiert, dass Steiner vor allem für Konzept und Text zuständig ist. Karrer zeichnet in erster Linie für die kreative Leitung und die Beratung verantwortlich. Ideen werden aber immer noch gemeinsam gefunden und entwickelt.

Das eigene Modelabel

Die Idee für ihr eigenes Modelabel AD.M hat rosarot dabei besonders gepackt. Sie ist René Karrer in seinen Ferien auf Sardinien in den Kopf geschossen und gedieh langsam im Alltag: «die modische Antwort auf die vielseitigen Ansprüche und Rollen des heutigen Mannes: das perfekte Poloshirt.» Mit der Arbeit in der Werbeagentur ist man natürlich permanent mit der Frage des «Aussehens» beschäftigt. Von da her seien Karrer und Steiner ziemlich affin, wenn es um den «Auftritt», um den «Look» von etwas oder jemandem geht. Kommt hinzu, dass man in der Kreativbranche nicht zwingend Anzug und Krawatte tragen muss. Die rosarote Lösung: Ein Poloshirt würde dem Mann mehr Freiheiten geben – sofern es sitzen würde – es ist bequem in ungezwungenen Situationen wie am Schreibtisch oder Zu hause. Wirft man ein Jackett drüber, wäre das Polo elegant und zu den meisten geschäftlichen Terminen passend. «Also haben wir damit angefangen, das Poloshirt weiterzuentwickeln. So lange, bis es einen perfekt sitzenden Kragen hatte, sodass dieser auch unter dem Jackett sitzt, bis die Schulterpartie straff blieb und bis das gesamte Material hochwertiger war als bei herkömmlichen Polos. Wir nannten es das Work.Life.Polo, weil es genauso in der Businesswelt wie auch im Privatleben passt», zeigt sich Karrer stolz auf die hauseigene Kreation. Der Name AD.M (ausgesprochen: ædm) ist eine Assoziation zum Archetypen Adam, welcher «absolute Männlichkeit» verkörpert. Die Aussprache ist modern und zeitgemäss. Das Label soll darum auch den modernen Mann in seiner neuen, vielfältigen Lebenswelt unterstützen.

Lanciert wurden die Shirts 2010 in einem Popup- Store als Test für drei Monate. Das Produkt ist dabei sehr gut angekommen, natürlich auch dank der «inhouse» realisierten Werbekampagne, welche TV-Spots, Webauftritt, POS-Gestaltung sowie Events und Promotionen umfasste. Die grösste Herausforderung daran: «Wir waren mit AD.M auf einmal unsere eigenen Kunden bei rosarot.» Am Anfang war der Aufbau des eigenen Modelabels «ein Job, für den man zusätzlich viel Freizeit opfert». Mit zunehmendem Erfolg wurde es aber bedeutend anspruchsvoller. «AD.M ist heute auf eine Grösse angewachsen, in der wir das Unternehmen nicht mehr neben dem Agenturgeschäft führen können. Darum haben wir per 1. Juli 2013 einen Geschäftsführer eingestellt, damit wir uns auch in Zukunft voll auf die Kommunikation – sprich auf die Agenturarbeit konzentrieren können.» Was den Auftritt und die gesamtheitliche Kommunikation betrifft, will rosarot AD.M noch eigenständiger vermarkten. «Wir wollen die Marke schärfen, von der Konkurrenz abheben und unsere Markenwerte emotional und klar vermitteln.»

Seit April 2012 werden die Polos von AD.M, neben dem Online-Shop und diversen Boutiquen in der ganzen Schweiz, auch im eigenen Flagship-Store am Zürcher Predigerplatz verkauft. Zudem werden stetig neue Vertriebspartner dazugewonnen. «Wir denken dabei auch an den deutschen Markt.» Die rosaroten Provokateure wollen es aber nicht nur beim Polo belassen. Die Marke AD.M soll mit Bedacht und, ohne den Kern der Marke zu verzerren, mit weiteren Produkten ergänzt werden. Zur Lancierung der aktuellen Kollektion haben die «Werber als Unternehmer » beispielsweise ein Parfüm kreiert. Bei einem «richtigen Schnüffler» liessen Karrer und Steiner einen AD.M-Duft entwickeln. Im Moment wird das Wässerchen noch in einem ansprechend bedruckten Standardglas angeboten. Ideen für die Kreation einer eigenen Flaschenform sind aber natürlich bereits vorhanden. Ob das Glas dann rosarot sein wird, ist noch offen.

Andreas Panzeri
 

Weitere Artikel zum Thema