Wirkung zwischen Reizen und Absaugen

In diesen Tagen ist ZaK, die «Zeitung für anregende Kommunikation», an 2500 Interessierte verschickt worden. Für In Flagranti ist das mehr als Eigenwerbung. Die Agentur will mit dem Heft auch die Macht der Reize erkunden.

Reizen ist ein Urtrick der Werbung. Doch: Funktionieren Reize in der Werbung überhaupt noch? Kann man ohne Reize werben? Und wie wirbt man mit? Das sind Fragen, die sich die Strategen und Kreativen der Agentur In Flagranti in Lyss in ihrer jüngsten Forschungsarbeit stellen. Publiziert wurden die Resultate im hauseigenen Magazin ZaK oder «Zeitung für anregende Kommunikation». Das Heft hat eine Auflage von 2500 und wird an «Freunde und Kunden» verschickt. Die Eigenwerbung ist aber auf einem sehr kleinen Niveau. «Bis zu 90 Prozent des Inhalts dienen dem Forschungsthema», erklärt Lorenz Schmid, Partner und Leiter Beratung bei In Flagranti. «Wir sind mehr als eine Werbeagentur», heisst es in der Eigenwerbung. Mit einem solchen Claim sei es deshalb entscheidend, dass man immer wieder zu neuem Wissen komme und dieses auch behandeln könne. «Wir wollen Wissen transferieren, vertiefen und sensibilisieren», meint Franziska Wehrle, Leiterin Marketing.

Bei der Suche nach Themen «interessieren uns immer wieder solche, die im grossen Geheul untergehen », erklärt Texter und Stratege Jon Andrea Florin. «Es gibt dauernd neue Buzzwords. Im Moment ist Transmedia-Storytelling angesagt. Wir aber hinterfragen vermeintliche Gewissheiten, zum Beispiel dass man weiss, wie der Durchschnittsschweizer tickt oder wie Reize wirken.» In Flagranti ist gemäss Florin überzeugt: «Reiz ist ein Thema, das langsam zu kurz kommt vor lauter Content. Aber Reiz ist etwas, das mit Werbung ganz eng verbunden ist. Diese funktioniert nicht ohne. Auch in der Natur nicht: Kein Hirsch kann brünstig werben ohne Brunstgeschrei. Keine Blume fällt auf ohne Lockstoffe oder bunte Blüten.» Um dem Phänomen und den Mechanismen der Reiz-Wirkung auf die Spur zu kommen, hat In Flagranti mit den Spezialisten von Management Tools in Beckenried zusammen eine Forschung gestartet.

«Diese Firma verstand es hervorragend, auf unsere Problemstellung einzugehen», findet Schmid. Als Basis für die Reiz-Studie haben verschiedene Teams bei In Flagranti für das fiktive Mineralwasser «Zakua» möglichst differenzierende Anzeigen entworfen. Diese sollten jeweils ausgeprägt mit einem Reiz arbeiten. Motto: «Was macht mich neugierig?» Nach dem Studium unzähliger Arbeiten aus dem weiten Feld der Werbung wurden dazu vier Grundreize definiert: Das Kindli-Schema, «mit dem Jöh-Effekt, der auch mit Tieren funktioniert». – Sex und Erotik, «was einem sofort in den Sinn kommt». – Physische Reize, «was sehr direkt auf die Sinne wirkt» – sowie schliesslich Irritation. Zu jedem dieser vier Reize wurde ein fiktives Inserat gestaltet. «Die vier Reize hätten wir mit bestehenden Produkten nicht testen können, denn bei bekannten Inseraten ergibt sich beim Messen ein grosser Störfaktor», weiss Florin.

Bei Management Tools wurden die Anzeigen dann 40 Probanden vorgelegt. Gemessen wurden innerhalb 5 Sekunden der Blickverlauf sowie die Verweildauer auf den einzelnen Elementen. «Es war für uns eindrücklich, wie ein starker Reiz die ganze Wahrnehmung absorbieren kann. Die Aufmerksamkeit ist zwar gegeben. Man schaut hin, beschäftigt sich mit dem Gezeigten, was auch die Heatmaps zeigen. Aber ein zu starker Reiz saugt alles von der Marke ab. Niemand hat mehr gewusst, um was es geht, und schon gar nicht, wie die Marke heisst», nahm auch Schmid zur Kenntnis. Eine andere Erkenntnis: Innerhalb einer Sekunde muss man ein Inserat verstanden haben, sonst fällt es durch. «Was hochgradig irritiert, gefällt nicht», so Florin.

Die Resultate können natürlich nicht 1:1 in die weitere Arbeit einfliessen. Bei der Werbung ist nach wie vor «viel Bauchgefühl» bei der Gestaltung mit dabei. «Aber wir haben sehr viel gelernt und bei der Analyse anregende Diskussionen führen können», verrät Franziska Wehrle. Die nächste Forschungsidee steckt deshalb bereits in der Pipeline.

Andreas Panzeri

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Forschen mit ihren Teams bei In Flagranti: Jon Andrea Florin (l.), Franziska Wehrle, Lorenz Schmid.

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