Goethe war kein Werbetexter!

Der Duden bringt in seiner neuesten Version 5000 neue Wörter. Von Vollpfosten bis zur Vorständin ist so manches zu finden. Aber das alles hilft nicht gegen die Verluderung der Sprache. Von Karl Lüond, freier Publizist.

Mit Worten lässt sich trefflich streiten, mit Worten ein System bereiten, an Worte lässt sich trefflich glauben, von einem Wort lässt sich kein Iota rauben.» Es spricht Freund Mephisto im Faust I, Vers 1995 ff., und der war bekanntlich, wenn man es genau nimmt, ein teuflisch guter Kenner des menschlichen Wesens.
 
Fuchs, Reh und Wildsau, lebt im Frieden! In Zukunft jage ich vor allem Worte, Schlagworte, Worthülsen. Mein derzeitiges Lieblingswild ist der «Partner ». 
 
«Ihr echter Partner für feinste Spezialitäten» stand auf dem Lastwagen, der mir den Blick auf die Ampel versperrte. Darüber prangte das Logo einer Firma, die bekannt ist für billigen Convenience- Food. Müsste dann nicht, im Umkehrschluss, zum Beispiel die Firma Bianchi, die erlesenen Frischfisch in Umlauf bringt, ein «unechter Partner» sein? Was macht einen Partner überhaupt «echt»? Es muss die scheussliche Fabriksauce sein samt dem Fertiggemüse, das in all den Beizen, die es nicht besser können, unter Benutzung eines Mikrowellengeräts für 15 Stutz als Tagesteller dem «Partner» Gast zum Frasse vorgeworfen wird.
 
Inzwischen werde ich überall als «Partner» angemacht. Rail Event macht sich anheischig, mein «Partner für Schienenerlebnisse» zu sein, und IBSK ist «der Partner für Glaskratzerentfernung». Partner für Drucksachen und EDV-Gesamtlösungen schwirren zu hunderten durchs Netz, «Partner für Occasions- und Neuwagen» desgleichen. Ich stosse auf «Partner für Gewerbeimmobilien», Vermögensverwaltung und Gartendesign, für Registrierkassen, Kettensägen, professionelle Bauaustrocknung, aber auch für ambulante Anästhesie.
 
Was wahrscheinlich gar keine schlechte Idee wäre zum Schutz gegen die allgegenwärtige Verluderung der Begriffe. Denn was meint «Partner» eigentlich – vom persönlichen und intimen Bereich einmal abgesehen? Der Begriff umschreibt einen gleichberechtigten Teilhaber, einen, der – ein anderer Modeausdruck, sicherlich, aber hier passend – «auf Augenhöhe » mit mir unterwegs ist, ein gemeinsames Ziel anstrebt und im Erfolgsfall die Beute mit mir teilt. Laurel & Hardy waren Partner, meinetwegen auch Dick & Doof, Tim & Struppi, Adam & Eva, aber bitte keine Versicherungsvertreter oder Autoverkäufer.
 
Was wollen meine «Partner» für Versicherungen, Kettensägen und Glaskratzerentfernung wirklich? Sie wollen eine künstliche Nähe herstellen, wo bestenfalls eine Geschäftsbeziehung zur Diskussion steht. In Wirklichkeit wollen alle nur mein Bestes, und das sitzt hinten rechts. Aber frech setzen sie den Anspruch auf Exklusivität in die Welt: Ich bin ab sofort dein Partner und niemand sonst; untersteh dich, es mit anderen zu treiben…!
 
Wenn ich eine Kettensäge kaufe, brauche ich definitiv keinen Partner, sondern Ware gegen Geld, danke, adieu, Garantiefall vorbehalten! Auch wenn ich ein Auto kaufe oder etwas drucken lasse, will ich keine längerfristige Bindung eingehen – das tue ich höchstens dann, wenn ich nach Monaten und Jahren der guten Kundenbeziehung Vertrauen gefasst habe und freiwillig zur Wiederholung antrete. Zum Beispiel bei diesem reizenden Reisebüro, das mir letztes Jahr eine wunderschöne Sizilienreise zusammengestellt und nicht mit der Wimper gezuckt, sondern nur eine lächerliche Umtriebsgebühr verlangt hat, als das Ganze um Monate verschoben werden musste.
 
«Ihr Partner» ist in seiner Abgelutschtheit geradezu ein Beispiel für die Verluderung der Begriffe im Namen des allgegenwärtigen Marketings. Und wissen Sie was? Ich habe jeden, der solche verschluderten Begriffe benützt, im Verdacht, auch mit minderer Ware zu handeln. Wer mich auf die Kollegenoder Partner-Masche «hereinzunehmen» versucht statt mit überzeugender Qualität und Dienstleistung, ist verdächtig.
 
Der Gebrauch der Sprache verrät die inneren Zustände. Mephisto sagt, wie es ist: «Denn eben wo die Begriffe fehlen, da stellt ein (Schlag-)Wort zur rechten Zeit sich ein.» Goethe war definitiv kein Werbetexter. Eher, wenn schon, «Ihr Partner für den vornehmen Sprachgebrauch».

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