Sonntagsblatt mit Sprengpotenzial

Die Ostschweizer Tageszeitungen Werdenberger & Obertoggenburger und Rheintalische Volkszeitung tanzen auf zwei Hochzeiten: Werktags bei der Südostschweiz, sonntags bei der neuen Ostschweiz am Sonntag. Wie lange noch?

Das haben bisher bloss Anzeigenkunden erfahren: Die neue Ostschweiz am Sonntag (OaS), die am 3. März mit einer Auflage von etwa 100 000 Exemplaren startet, wird nicht nur den Abonnenten des St. Galler Tagblatts (SGT) zugestellt, sondern auch jenen des Werdenberger & Obertoggenburgers (W&O) und der Rheintalischen Volkszeitung (RVZ) – und das sind immerhin weitere 13 700 potenzielle Interessenten. Alle drei Verlage bestätigten dies auf Anfrage. Dass sich die beiden lokalen Tageszeitungen aus dem Hause Buchs Medien und Rheintal Verlag AG sonntags mit der OaS einlassen, ist bemerkenswert, sind sie doch werktags bereits eng liiert mit der Südostschweiz (SOCH) von Verlegerpräsident Hanspeter Lebrument: Beide sind Teil des SOCH-Inserateverbundes, der W&O übernimmt zudem redaktionelle SOCH-Seiten, und beide halten je eine Beteiligung an der Südostschweiz Partner AG, dem gemeinsamen Druckzentrum in Haag.

Zwar ist die sonntägliche Hinwendung nach St. Gallen trotz werktäglicher Bindung an Chur für W&O und RVZ an sich noch nichts Aussergewöhnliches. «Wir tanzten schon bisher auf zwei Hochzeiten », gesteht etwa Max Müller, Geschäftsführer der Buchs Medien. So übernehme der W&O jeweils den überregionalen Mantelteil der SOCH und pflege gleichzeitig im Regionalbereich einen regen Artikeltausch mit dem SGT. Bei der RVZ ist es ähnlich, wie Verlagsleiter René Wuffli erklärt: Die Ein-Bund- Zeitung erhalte Anzeigen aus dem SOCH-Inseratekombi, sei sonst aber redaktionell und werblich identisch mit dem Regionalbund des «Rheintalers», der wie die RVZ in der Rheintal Verlag AG erscheint, aber ins SGT-Kopfblatt-System eingebunden ist.

Südostschweiz: Kündigungstermin naht

Die Tatsache aber, dass sich die beiden Zeitungen gerade jetzt enger beim SGT und seiner Sonntagsaus- gabe anlehnen, lässt dennoch aufhorchen. Denn bei Lebruments Medienverbund naht ein wichtiger Kündigungstermin: Bis zum 30. Juni ist der SOCHVertrag per Ende 2013 auflösbar (nicht jedoch der Vertrag beim Druckzentrum, dieser dauert länger). Hinter den Kulissen laufen deshalb intensive Verhandlungen unter den zwölf SOCH-Partnern. Lebrument bemüht sich natürlich um die Fortführung des bisherigen Verbundes. Ob ihm dies im bisherigen Umfang gelingen wird, erscheint aber fraglich: Dass sich RVZ und W&O sonntags für die OaS entschieden haben, lässt vermuten, dass sie sich auch werktags dem SGT-System anschliessen werden. Umso mehr, als der W&O zu 57 % der St. Galler Tagblatt AG und damit zur NZZ-Gruppe gehört. Auch Lebrument ist sich dessen bewusst. Mehr noch: «Dass der W&O auf den 1.1.2014 den SOCH-Verbund verlässt und ins SGT-System wechselt, steht bereits fest», weiss er. «Und bei der RVZ ist dieser Schritt ebenfalls möglich.» Das fände er zwar bedauerlich. «Aber schlaflose Nächte habe ich deswegen keine», sagt er.

Vage Antworten aus dem Rheintal und aus Zürich

RVZ-Verlagsleiter Wuffli hingegen will die Hinwendung zur OaS keineswegs als Signal verstanden wissen dafür, dass er sich aus dem werktäglichen SOCH-Verbund verabschieden werde. Entscheidend sei, wo die RVZ kommerziell mehr profitiere. Dazu führe er derzeit mit SGT und SOCH Gespräche und stelle entsprechende Berechnungen an, sagt er. Beim W&O und bei der NZZ vertröstet man dagegen auf später: Ob die Kooperation des W&O als affiliierter SOCH-Partner weitergeführt werde, «wird zu gegebener Zeit kommuniziert», sagt Müller. Die Antwort aus Zürich lautete ähnlich unverbindlich. Doch egal, ob die OaS den SOCH-Verbund nun sprengen wird oder nicht – warum kümmert sich eine kleine Zeitung wie der W&O überhaupt um den Sonntagsmarkt? «Der Sonntag ist ein wichtiger Lesetag geworden, es geht deshalb darum, in diesem Markt mit einer gut gemachten Zeitung schon mal einen Platz zu besetzen», sagt Müller. Der Geschäftsführer der Buchs Medien weist denn auch auf die Liewo hin, ein Gratis-Sonntagsblatt aus dem Hause Liechtensteiner Vaterland, das seit Jahren an alle Haushalte in Liechtenstein und im W&O-Gebiet verteilt wird. «Inhaltlich lässt die Liewo zwar zu wünschen übrig, im Werbemarkt aber ist sie durchaus eine Konkurrenz», sagt er. Brisant: Auch das Liechtensteiner Vaterland ist werktags Teil des Südostschweiz- Verbunds.

Dank OaS keine eigene Sonntagsredaktion nötig

Doch wenn Müller sonntags Präsenz markieren will, weshalb tat er dies nicht schon früher zusammen mit der Südostschweiz am Sonntag (SOSo)? «Weil es bis vor Kurzem in unserem Gebiet keine sonntägliche Frühzustellung gab – und eine aufzubauen wäre zu teuer gewesen», sagt er. Dies habe sich erst vor einem Jahr geändert, als der W&O wegen des Service- Abbaus der Schweizerischen Post die werktägliche Frühzustellung einführen musste. «Ein Ausbau auf sieben Tage ist für den W&O nun leichter stemmbar», erklärt Müller. Nebenbei: Für die Frühzustellung engagierte er die Liechtensteinische Post. Und weshalb zieht er die OaS der SOSo vor? Müller nennt drei Gründe: Zunächst die geografische und politische und damit inhaltliche Nähe zum Blatt aus St. Gallen. Zudem sei die OaS eine Zeitung für die ganze Ostschweiz – ohne Regionalsplits. Das erspare dem W&O den Aufbau einer eigenen Sonntagsredaktion. Anders bei der SOSo und ihrem Nachfolgeprodukt «Schweiz am Sonntag»: Hier wäre eine eigene Lokalredaktion vom Konzept her zwingend. Und drittens erinnert Müller daran, «dass die St. Galler Tagblatt AG bei uns das Sagen hat».

Markus Knöpfli
 

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