Verleger verkaufen ihre Inhalte immer teurer

Auf der Suche nach einem neuen Geschäftsmodell holen die Schweizer Verleger immer mehr Geld bei den Lesern: Darum erhöhen sie auch per 2013 wieder die Abo-Tarife und oft auch die Preise am Kiosk. Immer mehr Verlage setzen zudem auf Bezahl-Formen im Internet.

Den Zeitungsverlegern laufen die Werbekunden und Abonnenten davon, vorab ins Internet. Dort sind viele Zeitungsinhalte gratis und die Werbepreise tief. Weitaus schlimmer aus Sicht der Verleger ist aber die mobile Nutzung ihrer Inhalte – denn im mobilen Bereich sind die Werbeerträge nochmals deutlich tiefer. Die Folge: Den Verlegern brechen die Abo- und erst recht die Werbeumsätze weg. Darum sind die Verleger auf der Suche nach einem neuen Business-Modell. «Noch haben wir es nicht», gestand der abtretende Tamedia-CEO Martin Kall Anfang Dezember in einem Interview mit der NZZ am Sonntag.

Gleichzeitig sagte er, in welche Richtung die Branche derzeit sucht: «Die Werbeerträge reichen nicht aus, darum versuchen wir es nun mit der Bezahlschranke im Internet.» Zwei Untersuchungen der Werbewoche bestätigen Kalls Aussage: Aus der Umfrage zu den Anzeigetarifen, publiziert in der letzten Werbewoche-Ausgabe, geht hervor, dass bloss ein Viertel der Zeitungen für 2013 eine offene Erhöhung bei den Anzeigepreisen wagt. Mehrere verharren gar schon seit zehn Jahren auf demselben Seitenpreis. Die nun vorliegende zweite Umfrage zeigt, dass mehr als die Hälfte der Zeitungen aber eine Paywall oder eine andere Form des Paid Content plant – oder bereits eingerichtet hat. Viele ziehen dabei die «klassische» Variante vor: Ob via PC oder mittels Handy – frei zugänglich sind die titeleigenen Artikel nur für Print- oder Online- Abonnenten. In Einzelfällen ist eine kleine Auswahl eigener Artikel freigeschaltet. Die aktuelle Umfrage zeigt ferner, dass zwei Drittel aller Zeitungen ihre Abo-Tarife per 2013 erhöhen – nicht zum ersten Mal: Einige tun dies jährlich. Mit anderen Worten: Die Verleger schonen die Werbekunden und holen das Geld zunehmend bei den Lesern.

Die «Alte Tante» ist nachgerade frech

Von den hier erfragten 60 Titeln und 17 Abo-Kombinationen lassen nur 26 ihren Abo-Preis auf bisherigem Niveau. Alle anderen schlagen auf – zwischen 0,8% (Le Nouvelliste) und 15,1% (Finanz und Wirtschaft, FuW). In absoluten Zahlen gibt es Aufschläge um bis zu 50 Franken – so bei der erwähnten FuW, sie kostet neu 382 Franken. Auch wer das St. Galler Tagblatt mit der neuen Ostschweiz am Sonntag kombinieren will, blättert ab 1. März 50 Franken mehr hin als bisher. Auf Platz zwei folgt die NZZ, die mit einem Aufschlag von 33 Franken die 600-Franken- Grenze überschreitet und neu pro Jahr 628 Franken kostet. Ihre Abopreisentwicklung ist bemerkenswert: 2009 kostete das NZZ-Abo noch 488 Franken, seither wurde es jährlich um über 30 Franken angehoben – seither resultiert ein Preisanstieg in vier Schritten um insgesamt 140 Franken oder 29%. Damit ist die NZZ jener Titel, der die Zahlungsbereitschaft seiner Nutzer am radikalsten auslotet. Die «Alte Tante» nähert sich dabei mit Riesen- sprüngen dem bisher höchsten Abopreis hierzulande, jenem der Westschweizer Wirtschaftszeitung Agefi: Deren Jahresabo kostet – allerdings seit Jahren konstant – 700 Franken. Nebenbei: Auch der Tages-Anzeiger verlangt jährlich mehr: Seit 2009 ist sein Abo von damals 364 Franken um 21% beziehungsweise 77 Franken erhöht worden.

Zwei weitere Titel, die ihre Leser in dieser Runde deutlich stärker zur Kasse bitten, sind die Südostschweiz- Ausgaben Glarus und Gaster See: Ihre Abos schlagen um 29 und 30 Franken auf 322 und 339 Franken auf, die Südostschweiz Graubünden hingegen belässt ihren Tarif bei 353 Franken. Das zeigt: In Chur arbeitet man auf einen einheitlichen Abotarif für alle Ausgaben hin. Die grössten Preisaufschläge in der Westschweiz sind übrigens bei Tamedia- Titeln auszumachen: 24 Heures, Tribune de Genève und Le Matin semaine kosten ab 2013 einheitlich 429 Franken, 20 Franken mehr als bisher. Speziell ist die Situation zudem in der Nordwestschweiz: Basellandschaftliche Zeitung und bz Basel treten selbstbewusst auf und verlangen für ihre Abos erstmals zehn Franken mehr als ihre Konkurrentin Basler Zeitung.

Am Kiosk kosten Zeitungen ebenfalls mehr

Auch beim Einzelverkauf sind die Nutzer finanziell immer stärker gefordert. Zwar bleibt die Wochenzeitung mit unverändert 6 Franken pro Kiosk-Exemplar die teuerste Zeitung, die FuW, die neu 5.50 Franken kostet, ist ihr aber schon dicht auf den Fersen. Mit etwas Abstand folgt die Basler TagesWoche (5 Franken). Den grössten Preisaufschlag macht die Rheintalische Volkszeitung: Sie erhöht ihren EV-Tarif um einen Franken oder 50% auf 3 Franken. Andere, etwa der Nouvelliste und der Zürcher Oberländer, kosten neu 2.50 Franken, 25% beziehungsweise 50 Rappen mehr als bisher. Zusätzliche 30 Rappen verlangen auch der Walliser Bote und die Sissacher Volksstimme. Die meisten anderen Titel, darunter auch die Tamedia-Titel in der Romandie, schlagen am Kiosk um 20 Rappen auf, einige wenige um 10 Rappen. Übrigens: Mit ihrem 20%-Aufschlag kostet die Volksstimme neu 1.80 und ist nun nicht mehr die Zeitung mit dem günstigsten EV-Tarif. Den Tiefenrekord hält neu La Quotidiana, die ihren Kiosk-Preis bei 1.60 Franken belässt, gefolgt vom Boten der Urschweiz, der weiterhin 1.70 Franken kostet. Spezielles gibt es aus der Westschweiz zu vermelden: Dort nehmen Le Temps und La Liberté bei ihren Samstagsausgaben Preisreduktionen vor – um 11% und 5%. So kostet eine samstägliche Le Temps neu am Kiosk 4.20 statt 4.70 Franken, La Liberté verlangt gleichentags neu 3.70 statt 3.90 Franken.

Drei Preisstrategien für E-Paper und App

Im Onlinebereich und speziell bei den E-Paper zeichnen sich drei Strategien der Verlage ab. Agefi zum Beispiel sieht sich primär zuständig für das Bereitstellen der jeweiligen Inhalte auf verschiedenen Kanälen – auf Papier, als E-Paper, auf der Website oder mittels App für die mobile Nutzung. Der Nutzer kann wählen, was er will, er bezahlt aber in jedem Fall denselben Abo-Preis. Der zweite Ansatz ist eher bei kleineren Zeitungen anzutreffen: Der Online-Zugang zu den Inhalten – insbesondere mittels App – stellt für sie ein Zusatzaufwand dar, den sie auch zusätzlich verrechnen. So verlangt etwa die Volksstimme von ihren Printabonnenten noch 50 Franken, wenn diese auch das neue App benützen wollen. Ähnlich der Bote der Urschweiz und La Gruyère: Sie verlangen von Printabonnenten weitere 20 bzw. 30 Franken für die E‑Paper-Nutzung.

Die dritte Philosophie: Digital-Abos und oft auch Apps sind günstiger als Printabos, weil Druck- und Vertriebskosten wegfallen. Wie viel diese Kosten ausmachen, darüber herrscht aber in der Branche keine Einigkeit. Die meisten Reduktionen gegenüber dem Printabo bewegen sich zwischen 20 und 35 Prozent, doch Blick, SonntagsBlick, die Zürichsee Zeitung, Le Nouvelliste, die Tribune de Genève und La Liberté gewähren auch Nachlässe bis zu 50%. Andere hingegen sind knausriger: So ist etwa das E-Paper der Rheintalischen Volkszeitung bloss 1% günstiger als das Printabo, bei den Freiburger Nachrichten sind es 11,5%, beim St. Galler Tagblatt 13,4% und beim Bund 17,8%.

Der «ideale» Tarif fürs Digital-Abo steht noch aus

Interessant ist ferner, dass beim E-Paper manche Titel nach wie vor den idealen Abo-Preis suchen. Darauf weisen einige happige preisliche Änderungen hin. So haben etwa 24 Heures, die Tribune de Genève, Le Matin semaine, La Liberté, Le Nouvelliste und La Regione Ticino das E-Paper-Abo per 2013 um 46% bis 49% gesenkt, beim Quotidien Jurassien und bei der Südostschweiz am Sonntag sind es immerhin 33%.

Umgekehrt gibt es offenbar auch Titel, die ihr EPaper- Abo bisher zu tief angeboten haben – sie nehmen eine deutliche Preiserhöhung vor. Dazu gehören die Freiburger Nachrichten (+41,1%), La Gruyère (+30%) und das St. Galler Tagblatt (+22,8%). Weiter fällt das dreistufige Abo-Modell von Le Temps auf: Das Print-Abo kostet 504 Franken, das E-Paper-Abo 384 Franken und für das App-Abo bezahlte man bisher 360 Franken. Letzteres wurde per 2013 aber um 66,7% auf 120 Franken gesenkt, weshalb es nun 76% günstiger ist als das Print- Abo. Ob da die Rechnung noch aufgeht? Speziell ist ferner der Ansatz der Neuen Fricktaler Zeitung: Bei ihr kosten Print- und E-Paper-Abo je 184 Franken, das App-Abo dagegen 240 Franken, also 31% mehr.

Markus Knöpfli

Tabelle: Abo- und Kiosk-Tarife 2013 (PDF)
 

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