Die grösste Schweizer Agenturgruppe kommt in die Schweiz

Die von einem Schweizer gegründete Serviceplan kommt «zurück» in die Schweiz. Am 21. Dezember startet das internationale Netzwerk mit einer eigenen Agentur in Zürich. Christian Baertschi ist Geschäftsführer und Sacha Moser Creative Director. Serviceplan-Partner Florian Haller nimmt Einsitz im Verwaltungsrat.  

WW: Serviceplan Suisse startet am Tag eines möglichen Weltuntergangs. Seid Ihr Optimisten?
Florian Haller: Wir finden, der 21. Dezember 2012 ist ein ideales Datum für den Beginn einer neuen Ära.
 
Startet diese bei null?
Christian Baertschi: Nein. Ich bringe meine 2005 gegründete Agentur BMB in die Gründung von Serviceplan Suisse mit ein. BMB ist voll funktionierend und dürstet danach, dass wir noch mehr machen können. Wir haben auch interessante Kunden, die sich über die neue Perspektive freuen. Sacha Moser kommt nicht alleine, sondern mit einem eingespielten und starken Kreativ-Team. Wir starten sicher mit 22 Festangestellten. Wir sind aber noch auf der Suche nach weiteren Mitarbeitern.
 
Ist die Zeit gut für eine solche Personalsuche?
Sacha Moser: Es gibt viele attraktive Arbeitgeber. Aber wenn ein Serviceplan Suisse gegründet wird, ist das ein sehr attraktives Thema, vor allem wenn man schaut, wie Serviceplan im Moment abgeht. Auf der einen Seite das Wachstum, fantastische 18 Prozent im vergangenen Jahr. Der zweite Punkt ist die Kreativität. Serviceplan hat sich kontinuierlich toll positioniert und ist soeben neu auf Platz 1 im deutschen Kreativranking der Zeitschrift Werben & Verkaufen vorgerückt. Serviceplan hat damit den langjährigen Sieger Jung von Matt «vom Thron gestossen», wie es in der Headline der Fachzeitschrift heisst.
Florian Haller: Da bin ich ein bisschen stolz drauf. Es ist für mich ein wichtiges Thema, dass wir nicht nur als erfolgreiche Agentur gelten, sondern auch als Innovationstreiber in der Branche.
 
Deshalb werden auch weitere interessante Leute wechseln?
Moser: Als meine Kollegen von diesem Projekt hörten, haben sich einige natürlich sofort beworben. Ich bin froh, dass wir in dieser Konstellation als Kreativteam weiterarbeiten können. Wenn man über längere Zeit eine solche Konstellation aufgebaut hat, ist das sehr wertvoll.
 
Wie ist Serviceplan heute aufgestellt?
Florian Haller: Wir sind eine Agenturgruppe, die sehr expansiv ist, und erwirtschaften ungefähr 200 Millionen Euro pro Jahr. Es gab drei Phasen der Unternehmensentwicklung. Die erste war in München, wo aus einer Werbeagentur ein «Haus der Kommunikation » gebaut wurde. Das heisst: unter einem Dach alles aus einer Hand. So sind wir im Markt heute aufgestellt mit Serviceplan, Mediaplus und PlanNet. Der zweite Schritt war raus aus München nach Hamburg und Berlin. Hamburg ist ein siamesischer Zwilling zu München. Berlin ist eine spezielle Agentur, dort machen wir politische Kommunikation. Der dritte Schritt ist jetzt international voran zu machen. Das ist einerseits getrieben, weil es eine geschäftliche Chance ist. Auf der anderen Seite ist es aber auch getrieben, weil unsere Kunden immer mehr internationales Know-how verlangen. Und es macht uns auch ein bisschen Spass, weil es einfach toll ist, Leute unterschiedlicher Länder mit unterschiedlichen Sprachen und ihrem oft anderen Verständnis von Kommunikation in einer gemeinsamen Agentur zu haben.
 
Welche Rolle spielt die Schweiz bei dieser internationalen Expansion?
Haller: Die Schweiz ist für uns natürlich ein ganz wichtiger Markt. Erstens, weil es ein interessanter Wirtschaftsraum ist. Es gibt hier sehr viele internationale Kunden, die auch international Kommunikation machen. Tolle Marken. Es ist für mich aber auch ein bisschen eine Herzensangelegenheit, in der Schweiz ein tolles Agenturkonzept an Stand zu bringen. Unsere Vision hier ist, in Zürich ein «Haus der Kommunikation» aufzubauen.
 
Das wird sich auch so nennen?
Haller: Da muss ich noch aufpassen. Vielleicht passt der Begriff nicht ganz in einem mehrsprachigen Land. Aber es ist die strategische Vision – mit Kreation, Media und Online unter einem Dach. Mit Mediaschneider sind wir ja bereits eine Verbindung eingegangen. Der grosse Teil, der uns bisher in der Schweiz noch fehlte, ist eine Kreativagentur. Da sind wir jetzt sehr froh, dass wir mit Sacha Moser und Christian Baertschi zwei Partner gefunden haben, mit denen wir diese Agentur hier aufbauen können.
 
Baertschi und Moser werden Partner?
Haller: Partner ist für uns ganz wichtig. Sacha und Christian sind nicht angestellte Geschäftsführer in der Schweiz, sondern sind substanzbeteiligte Partner, die einen grossen Teil des Aktienkapitals selber halten. Das Partner-Modell ist für uns ein wichtiger Erfolgsfaktor. Das heisst, dass wir eben nicht geführt werden von der Börse und auch nicht von irgendwelchen Finanzinvestoren. Wir werden geführt von uns, von Geschäftsführern, die immer einen substanziellen Anteil halten an den Aktien. Das wollen wir in der Schweiz auch so machen.
Baertschi: Ein wichtiger Erfolgsfaktor neben dieser Beteiligung ist auch die tatsächlich funktionierende Integration. Zwar haben sich das alle seit längerer Zeit auf die Fahne geschrieben. Aus Erfahrung kann ich aber sagen, dass es noch nirgends wirklich funktioniert, wie es eigentlich sollte. Im Gegensatz zu Serviceplan. Hier hat die Gruppe mit ihren Standbeinen Serviceplan (Kreation), Mediaplus (Media) und PlanNet (Digital) drei Marken, die in ihrem Bereich zu den Marktführern gehören.
 
Zürich baut auf den Zugriff zum deutschen Netzwerk? Baertschi: Ja. Wir haben natürlich den Zugriff auf das Know-how, das im deutschen Markt vorhanden ist. Das ist insbesondere im digitalen Bereich sehr wertvoll. Das gibt eine andere Ausgangslage, als wenn man argumentiert, man habe «alles unter einem Dach», weil derjenige, der ein bisschen Dialog macht, auch noch gleich die Flash-Animation gestaltet. Was ja oft ein bisschen die Realität ist. Wir haben hier die Situation, dass sich im kleinen Schweizer Markt kaum eine Agentur das wirklich selber aufbauen kann. Man sagt immer, die Schweiz hinkt bei der digitalen Entwicklung hinten nach. Aber ein Grund mitunter ist, dass alles zehnmal kleiner ist. Da kann weniger investiert werden.
Haller: Dieser integrative Ansatz ist sicher ein wesentlicher Wachstumstreiber von unseren 18 Prozent bei Serviceplan allein im letzten Jahr – in einem Markt, der eigentlich gesättigt ist.
 
Hat Serviceplan deshalb andere Länder im Visier?
Haller: Wir sind in Österreich, in Mailand für Italien, in Frankreich und Dubai bereits mit Agenturen präsent. Wir haben uns im letzten Jahr auch an einer Agentur beteiligt, die uns nach Moskau, Indien und Südkorea gebracht hat. Wenn man ein inter nationales Geschäft machen will, muss man die wichtigsten Wirtschaftsräume auch abdecken und vor Ort seine Kompetenz haben.
 
Gibt es in der Schweiz bereits andere Kunden als diese von BMB?
Baertschi: Das Interesse ist statistisch noch nicht erhärtet. Aber wir stecken in mehreren Pitches. Ich musste ja unsere Kunden informieren, die hatten Priorität in der Information. Die Reaktionen sind durchaus positiv. Hier kommt wieder das Integrationsthema. Die Kunden sehen schnell die Vorteile. Für viele Kunden ist diese ganze Fragmentierung zu einem leidigen Thema geworden: Was gebe ich welcher Agentur? Das merken wir auch in Pitches. Da findet sich auf einmal eine Digitalagentur in der Runde, eine klassische Agentur und plötzlich auch noch eine weitere Spezialagentur. Das heisst: Die Kunden wissen eigentlich gar nicht mehr, was wem zu geben ist. Dieser Entscheid wird dem Kunden abgenommen, wenn er sich aus dem gesamten Fundus von Serviceplan bedienen kann.
 
Moser: Als es zum Teil schon durchgesickert ist, haben wir Anfragen bekommen. Dabei kommt es sehr positiv und sympathisch an, dass wir ein partnergeführtes Netzwerk sind. Das ist eine ganz andere Arbeitsweise vom Einsatz her. Die ganze Verantwortung wird anders eingeschätzt. Man sieht auch die Probleme des Kunden als Unternehmer und versucht diese gemeinsam zu lösen. Das sieht man in der Schweiz und auch in anderen Märkten, dass die inhabergeführten Agenturen in dieser Branche freier an etwas rangehen. In der Regel sind es dann auch die kreativeren Agenturen.
 
Also keine lange Überlegung für einen Einstieg?
Moser: Wir haben ja erst vor ein paar Monaten ein Interview geführt wegen Red Lion. Ich war damals ganz happy mit dieser Situation und es ist auch sehr schön angelaufen. Wir haben schöne Kampagnen machen können. Es hat praktisch nichts gegeben, was mich von dort weggebracht hätte. Aber eine solche Konstellation, wie sie mir Serviceplan jetzt bietet, gibt es nur alle zehn Jahre einmal, wenn überhaupt. Ein neuer Markeneintritt – und ich kann mich sogar selber einbringen.
Haller: Das war für uns ein ganz entscheidender Punkt. Die Frage: Wieso habt ihr so lange gebraucht, um in der Schweiz eine Kreativagentur zu machen? Der Grund ist, weil es nicht einfach ist, Partner zu finden, mit denen man ein solches Unternehmen zusammen aufbauen kann und mit denen man das auch möchte. Das ist es, was uns ein Stück weg von anderen Agenturen unterscheidet. Wir wollen eben nicht irgendjemanden aus Berlin, Hamburg oder München abkommandieren, der hier in der Schweiz eine Niederlassung von Serviceplan aufbaut. Wir wollen mit jemandem zusammen eine Agentur richtig aufbauen. Das ist es, was uns am Ende erfolgreich machen wird.
 
Wurde ein Headhunter eingesetzt?
Haller: Wir haben selber evaluiert. Natürlich haben wir mit mehreren Leuten gesprochen, so wie das notwendig ist. Aber neben der fachlichen Komponente spielt immer auch die menschliche eine ganz starke Rolle. Wir sind kein Finanzkonstrukt, sondern wir müssen auch zusammen arbeiten und Spass daran haben. Das war für uns neben der fachlichen Qualifikation ein ganz wichtiges Thema.
 
Habt ihr euch schon gut gekannt?
Moser: Christian ist auf mich zugekommen. Das ist noch nicht sehr lange her. Aber wir kennen uns inzwischen sehr intensiv. Mich hat auch sehr überzeugt, dass Christian schon seit 2005 eine Agentur erfolgreich führt. In den letzten paar Jahren hat es ja viele Agenturgründungen gegeben, aber noch viel mehr haben auch wieder zumachen müssen. Christian mit BMB hat das wunderbar geschafft. Mit diesem Set-up sowie dem internationalen Partner ist das noch einmal eine ganz andere Perspektive. Aber sicher mal eine sehr solide Basis.
Baertschi: Wieso Sacha Moser? Als die ersten Gespräche mit Serviceplan stattfanden, war die Liste von Möglichkeiten nicht wahnsinnig lang. Sacha hat bewiesen, dass er auf grossen und schwierigen Kunden sehr herausragende Arbeiten machen kann. Das ist eine Qualität, die ganz wenig Kreative wirklich mitbringen. Dazu kommt: Im Bereich Bewegtbild gibt es in der Schweiz niemand, der so viel Erfahrung mitbringt. Und im Bereich Bewegtbild werden die kommenden Entwicklungen stattfinden.
 
Wie wird die Arbeitsteilung sein?
Baertschi: Wir sind beide Partner. Ich habe sicher Beratung und Strategie Hintergrund, Sacha Kreation. Wir werden uns gegenseitig ein bisschen dreinreden. Haller: Ich sitze im Verwaltungsrat. Aber ich habe keine operative Verantwortung. Da brauchen die beiden mich nicht.
 
Es gibt viele Kreativleute aus Deutschland. Wie schweizerisch wird Serviceplan Suisse sein?
Haller: Wir wollen eben nicht hier eine Filiale einer deutschen Agentur installieren, sondern hier eine Schweizer Agentur sein. Deshalb kann es nicht die Idee sein, dass wir jetzt die Kreation in Deutschland machen, sondern es muss ein Aufbau vor Ort sein. Das muss stark schweizerisch besetzt sein. Es können Leute von allen Nationalitäten kommen, da sind sicher Deutsche auch nicht unwillkommen. Eine Stärke ist: Wir können sehr stark atmen. Wir sind hier erst mal ein überschaubar grosses Team. Aber wir können natürlich sehr schnell reagieren, Leute aus dem Netzwerk zusammenziehen und sehr schnell auch grosse Aufgaben und Projekte stemmen. Diese Leute können auch aus Italien oder Frankreich kommen.
 
Wo wird die Agentur ihren Standort haben?
Baertschi: Im Moment sind wir bei BMB an der Seefeldstrasse 307. Wir werden aber im ersten Halbjahr umziehen und sind kurz davor, die Verträge für die neuen Räume abzuschliessen.
 
Was sind erste Ziele in der Schweiz?
Haller: Wir wollen uns nicht auf Ziele im Bereich Zahlen hinreissen lassen. Das einzige Ziel ist zunächst mal ein strategisch inhaltliches. Wir wollen hier eine ernst zu nehmende grosse Agentur sein mit dem Set-up aus der Kommunikation, das uns einmalig macht. Wir wollen Kampagnen kreieren, die innovativ sind, über die man spricht, die neue Ansätze zeigen. Diese drei Dinge müssen eintreffen. Aber wir sind nicht von der Zeit gedrängt.
Moser: Ein wichtiges Ziel ist, das wir zum attraktivsten Arbeitgeber in unserer Branche werden. Das wollen wir auch mit der Location manifestieren. Man soll den Spielraum haben. In Deutschland wird das sehr schön vorgelebt. Es ist uns sehr wichtig, dass wir einen extrem attraktiven Standort schaffen für unsere Mitarbeiter. Damit da die Kreativität voll entfaltet werden kann.
Haller: Das ist eine unserer Stärken in Deutschland. Die Leute finden bei uns ein Ambiente, in dem sie sich wohlfühlen. Bei einer Umfrage im letzten Jahr sind wir als der beliebteste Arbeitgeber von allen deutschen Werbeagenturen gewählt worden. Das macht uns stolz, weil es eben ein wichtiges Thema ist. Einerseits ein Arbeitsmarkt-Thema, wenn man junge Leute anziehen will, um die man sich schlagen muss. Das ist in der Schweiz ja noch schlimmer. Aber es ist auch ein Anliegen, dass sich die Menschen gut fühlen bei uns. Das gibt eine Kultur des Zusammenhalts.
Moser: Da schliesst sich der Kreis zur inhabergeführten Agentur. In einer solchen lässt sich so etwas viel einfacher durchsetzen.
Interview: Andreas Panzeri
 

serviceplan

Serviceplan Suisse
 
Christian Baertschi hat in St. Gallen Betriebswirtschaft studiert und startete seine Karriere in der Unternehmensberatung. Nach einer Zusatz-Ausbildung als Strategischer Planer sammelte er langjährige nationale und internationale Erfahrung bei Advico Young & Rubicam und Spillmann Felser Leo Burnett. Hier wirkte er seit der Gründung als Mitglied der Geschäftsleitung. 2005 gründete Christian Baertschi seine eigene BMB Werbeagentur mit heute zehn Mitarbeitenden im Zürcher Seefeld.
Sacha Moser machte die Kunstgewerbeschule und eine Lehre als Grafiker bei DDB. Bereits mit 23 Jahren wurde er AD bei Advico. Er arbeitete zwei Jahre als Senior AD bei Young & Rubicam in Puerto Rico und war Senior AD und Associate CD bei Young & Rubicam in New York, bevor er 2005 als CD zu Publicis zurück nach Zürich berufen wurde. Im Sommer 2012 wurde Sacha Moser die Führung als CD des neu gegründeten Spin-offs Red Lion anvertraut, bevor er jetzt mit der Chance zur eigenen Agenturgründung konfrontiert wurde.
Florian Haller ist einer der geschäftsführenden Partner der Serviceplan-Gruppe. Er gehört zu der Handvoll Schweizer, die im Ausland als Werber Karriere machten. Haller hat in St. Gallen studiert und hier auch «ein bisschen unfreiwillig» Militärdienst geleistet. Er arbeitete fünf Jahre in Genf bei Procter & Gamble, bevor er 2002 die Geschäftsleitung der von seinem Vater Peter Haller 1970 gegründeten Serviceplan in München übernahm. Florian hat die Ein-Standort-Politik aufgelöst. Heute ist Serviceplan auch in Hamburg, Berlin, Bremen, Zürich, Wien, Paris, Dubai, Delhi, Seoul, Moskau und Peking präsent. Der Honorarumsatz hat sich in Florian Hallers Zeit in nur acht Jahren von 54 auf rund 200 Millionen Euro gesteigert. Beim Deutschen Medienpreis wurde Florian Haller als «Media-Persönlichkeit 2010» ausgezeichnet.

Weitere Artikel zum Thema