Vom Medien- zum Content-Verbreiter

Vor zehn Jahren trat die damals zur Tamedia umfirmierte TA-Media mit dem Claim «Tamedia: Content for People» an die Öffentlichkeit. Konsequent umgesetzt wird der Claim jetzt aber von Ringier. Seine Strategie basiert nicht mehr auf Medienprodukten, sondern auf dem Content.  

Es ist offensichtlich: Ringier ist sich bewusst geworden, dass die Hauptkompetenz eines Medienhauses in erster Linie darin besteht, Informationen zu sammeln, aufzubereiten und weiter zu verbreiten. Dabei ist der Weg über bedrucktes Papier einfach eine von vielen Verbreitungsmöglichkeiten. Im Zeitalter der Digitalisierung stehen aber noch viele weitere Distributionskanäle zur Verfügung. Nur kann sich ein Medienhaus über die Distribution kaum profilieren. Drucken können sowieso alle. Und bei den digitalen Verbreitungswegen gibt es zwar Profilierungsmöglichkeiten, aus denen aber bestenfalls kurzfristige Wettbewerbsvorteile entstehen. Dann nämlich, wenn man als Erster auf eine technische Lösung setzt, die beim Publikum voll einschlägt. Ein Misserfolg ist aber etwa gleich wahrscheinlich. Unter dem Strich setzen wohl alle Medienhäuser etwa auf gleich viele erfolgreiche wie erfolglose Wege.

Ganz anders dagegen beim Sammeln und Aufbereiten von Informationen. Hier ist Kompetenz ein Asset, das von Menschen mit ihrem Wissen, ihren Erfahrungen und ihren Beziehungen abhängt und es so ermöglicht, sich damit von der Konkurrenz abzuheben. In den verschiedenen Redaktionen von Ringier ist Spezialwissen vor allem in den Themen Unterhaltung/People, Sport, Automobil, Essen und Trinken, Gesundheit, Politik und Wirtschaft vertreten (siehe Übersicht «Ringiers Themenfelder und Medien»).

Unterhaltung ist die Seele von Ringier
Das Thema Unterhaltung/People schlummert spätestens seit der Lancierung der Zeitschrift «Ringiers Unterhaltungsblätter» (1922) in der Seele von Ringier. Oder wie es CEO Marc Walder an der Dreikönigstagung ausdrückte: «Ringier-Medien sind in ihrer DNA unterhaltungsaffin.» Unterhaltung bzw. Entertainment ist auch jetzt der Themenbereich, in dem die konsequente Ausdehnung der Aktivitäten auf die ganze Wertschöpfungskette am weitesten fortgeschritten ist. Neu ist in diesem (aber auch im Sportbereich), dass ein Medienhaus nicht nur mit der Berichterstattung, sondern auch noch mit dem Management von wichtigen Exponenten Geld verdient. Stars und Sternchen, Künstler und Sportler werden sozusagen hausintern durchgereicht und von A-Z eingesetzt. Diese in der Medienbranche schon ausgiebig thematisierte Strategie ist grundsätzlich konfliktreich. Das lässt sich am besten an einem Beispiel aufzeigen.

Was macht der Blick-Journalist, der Internas zum Verhalten von Skistar Lara Gut kennt und zum Beispiel weiss, dass sich die junge Frau gegenüber dem Skiverband wirklich völlig unmöglich benommen hat? Sein Journalistenherz möchte natürlich die «Zicke Lara Gut» an den Pranger stellen. Sein Verstand als Angestellter der Firma Ringier, die mit Lara Gut einen Managementvertrag hat, wird es sich dagegen gut überlegen, was er tun soll: Mit dem Zweihänder zuschlagen, eine weichgespülte Version schreiben oder die Geschichte doch lieber vergessen. Wohlverstanden: Das hat mit irgendwelchen Firmen-internen Weisungen nicht das Geringste zu tun. Das sind einzig die Gedanken im Kopf eines Journalisten. Sein effektives Handeln hängt letztlich nur von seiner Charakterstärke ab. Entscheidet er sich gegen die «Herzvariante», werden sein Wissen und seine Beziehungen nicht optimal eingesetzt.

Ein weiteres Konfliktpotenzial besteht im Event-Bereich, wo Ringier ja schon seit vielen Jahren die Stimmenmehrheit an der Good News Productions AG besitzt und erklärtermassen das führende Unternehmen für Live-Events in der Schweiz sein will. Auch hier kommen Journalisten immer wieder in die Lage, dass ein von dieser Tochter veranstalteter Event kritisiert werden muss. Die Verantwortlichen in den Chefetagen wissen aber ganz genau, dass sie auch hier dem Redaktionspersonal den Rücken stärken müssen. So machte Ringier-CEO Marc Walder an der Dreikönigstagung darauf aufmerksam, dass der Blick das Madonna-Konzert in Dübendorf zerrissen habe. Und er wies auch auf eine sehr alte Analogie in Frankreich hin. Dort ist die grosse Sportzeitung L’Equipe Organisator der Tour de France. Gleichzeitig deckte sie aber auch immer wieder Dopingskandale auf. Denn der Verlag wisse ganz genau, dass es der Glaubwürdigkeit des Titels mehr schadet, wenn ein anderes Medium einen solchen Fall aufdecken würde.

Mit dem Sport erwähnte Walder genau jenen Themenbereich, wo bei Ringier noch die grösste Lücke klafft. Die Übersicht «Ringiers Themenfelder und Medien» weist nämlich ausgerechnet beim zuschauerträchtigen TV-Thema Sport keine Aktivitäten aus. Dabei ist die Ausgangslage eigentlich optimal. Mit den Beteiligungen an der Sat.1 (Schweiz) AG (50%) und der Teleclub AG (33,3%) sind bereits Beziehungen zu Verbreitungskanälen vorhanden. Für Sat.1 hatte Ringier auch vor Jahren jeweils am Sonntagnachmittag ein Spiel der Schweizer Fussballmeisterschaft übertragen. Die Rechte hielt dabei Sat.1.

Hier geht es zur Übersicht: Ringiers Themenfelder und Medien.pdf.

Erwirbt Ringier Schweizer Fussball- und Eishockey-Rechte?
2012 laufen die Übertragungsrechte für die Spiele der nationalen Meisterschaften in Fussball und Eishockey aus. Da stellt sich natürlich die Frage, ob Ringier bei der Neuvergabe mitreden will. Dazu meint Kommunikationsleiter Estermann: «Auf Grund der Diversifizierung unseres Geschäfts prüfen wir im Rahmen der Ringier-Strategie derzeit in diversen Bereichen neue Engagements. So durchaus auch im Bereich der Sport-Übertragungsrechte.» Das Problem daran: Bisher waren die Kosten für Produktion und Rechte deutlich höher als die möglichen Erträge. Und nachdem die Ligen bereits seit Jahren jammern, dass der Ertrag aus den TV-Rechten in der Schweiz viel zu tief sei, braucht es also einen Geniestreich, um diese Rechnung wieder ins Lot zu bringen. Immerhin ist die Ausgangslage inzwischen etwas besser als noch vor wenigen Jahren. So würden zum Beispiel für Sat.1 die deutschen Werberegelungen gelten. Die-se sind deutlich liberaler als die damaligen Schweizer Regelungen, als Sat.1 letztmals Schweizer Fussballspiele übertrug. In einen allfälligen Deal könnte Ringier auch das Ticketing einbringen. Schon jetzt verkauft Ticketcorner für viele Clubs Karten für ihre Heimspiele.

Weitere Möglichkeiten könnten sich bei der Fussball Champions League ergeben. Dort hält ProSiebenSat.1 noch bis Ende der Saison 2011/2012 die Rechte in Deutschland und hat Sat.1 wieder als Fussballsender positioniert. Falls der deutsche Konzern auch für die Zukunft mitbietet, wäre theoretisch ein Anschlussdeal für die Schweiz denkbar. Dieses Szenario ist aber laut Auskunft von Ringier kaum vorstellbar. Bereits im TV-Geschäft verankert ist Ringier immerhin mit den Blick-TV-Apps für iPhone und iPad, für die auch Geld verlangt wird. Gratis sind dagegen die iPhone-Apps zu den Themen Fussball, Eishockey und Ski Alpin.
Mindestens Berührungspunkte zum Sport gibt es beim Thema Automobil. Mit dem Blick hat Ringier einen Titel im Portefeuille, der den Automobilsport seit Jahrzehnten pflegt. Sein Mitarbeiter Roger Benoit wird vom Schweizer Journalist als bester Formel-1-Kenner weit und breit bezeichnet. Angesichts von 41 Jahren Erfahrung in der Formel 1 ein leicht nachvollziehbares Urteil. Und die Schweizer Illustrierte sowie ihre welsche Schwester bearbeiten das Thema Auto regelmässig mit Beilagen und Rubriken. Dazu kommen Produktion und Redaktion der Motorshow in Deutsch und Französisch, ausgestrahlt auf den zweiten Programmen der SRG in den beiden Sprachregionen.

Weitere Themen mit weniger breiten Angeboten
Etwas weniger breit ist das Angebot bei den Themen Essen und Trinken, Gesundheit, Wirtschaft und Politik. Alle vier Themen werden auf den Kanälen Print, Online, Mobile und TV gespielt. Beim Thema Gesundheit gibt es auch eine gemeinsame Website Vitagate.ch, die von der Online-Tochter Gate 24 zusammen mit dem Schweizerischen Drogistenverband betrieben wird. Dazu kommt die TV-Sendung Gesundheit – Sprechstunde auf SF 1 samt entsprechendem Online-Auftritt. Sie steht im Dauerclinch mit dem Bakom, das immer wieder Verletzungen der eher restriktiven Vorschriften für das Sponsoring anmahnt.
Weitaus weniger Ärger trägt das Thema Essen und Trinken ein. Hier besteht mit der Marke Betty Bossi schon seit langer Zeit ein vermutlich hoch rentables Joint-Venture mit Coop. Insgesamt wies Betty Bossi für 2009 einen Umsatz von rund 90 Millionen Franken aus. Davon ist immerhin die Hälfte in den Büchern von Ringier zu finden. Dazu kommt die Produktion aller Print-Produkte von Betty Bossi. Das sind nicht zuletzt zehnmal jährlich über 800 000 Exemplare der Betty Bossi Zeitung. Und aus der Küche von Ringier TV kommt die neue Kochsendung «Ab in die Küche», die SF 1 ab April 2011 ausstrahlen wird.

Etwas schwächer auf der Brust ist seit dem Wegfall der gedruckten Ausgabe von Cash der Bereich Wirtschaft. Denn die Blick-Titel sind im Printbereich nicht wirklich der ideale Partner. Aber mit www.cash.ch, iPhone-Apps sowie der TV-Sendung Cash-TV auf SF zwei verfügt auch dieses Thema über eine ansprechende Breite an Kommunikationskanälen. Ähnlich sieht es beim Thema Politik aus, wo im Westschweizer Printmarkt mit L’Hébdo immerhin ein publizistisches Schwergewicht verlegt wird. Nimmt man die Blick-Titel sowie die Tessiner Sonntagszeitung Il Caffè dazu (an der Ringier 45 Prozent hält), ist das Thema Politik sogar in allen drei Sprachregionen der Schweiz präsent. Eine geografische Breite, die kein anderes Schweizer Medienhaus anbieten kann.

Ueli Custer

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