Früher war alles schlechter

Eine gute Werbeidee zu haben, ist heute wie früher gleich schwierig. Nur war es früher schwieriger, diese gute Idee zu realisieren. Warum ist denn die Werbung nicht besser geworden, wo doch alles einfacher geworden ist? Von Theophil Butz

Theophil Butz, einst Starwerber (Ringier), heute Inspirator und ab jetzt auch noch Motzer. «Nicht eine einfache, aber eine notwendige Rolle, die ich hier alle 14 Tage wahrnehme». Sachdienliche Hinweise bitte an theophil@undbutz.ch.

Zuerst muss ich erklären, worum es geht: Ich habe den Eindruck, dass heute ein Grossteil der Werbung noch ideenloser, noch weniger unterhaltend und schon gar nicht überraschend daher kommt. Diese Werbung sieht aus wie Werbung und wird deshalb nicht beachtet. Als Beispiel nehme ich dieses Mal die AXA-Kampagne.

 


axa
 


Meine Theorie ist folgende: AXA möchte, dass wir Versicherten zu ihnen rüberwechseln. Es wird auf den Inseraten aber explizit gezeigt, dass nur gesunde, fitte und jugendlich wirkende Kunden erwünscht sind. Also solche, die noch locker über einen roten Strich hüpfen können. Welchen Vorteil sich daraus ergibt, ist zwar nicht ersichtlich. Hüben und drüben ist die Landschaft identisch grau.

Da gibt es auch noch Werbespots, bei denen nicht gehüpft, sondern sogar Weitsprung gezeigt wird. Auf den TV-Spot, bei dem Tausende gesunde Menschen auf einer riesigen betonierten Ebene den Sprung über den roten Strich wagen, möchte ich nicht näher eingehen. Nur soviel: eine beklemmende Möchtegern-Hollywood-Produktion für viel Geld und wenig Überzeugungskraft. Ein Sprung in eine ungewisse Zukunft.

An dieser konstruierten Kampagne zeichnen 4 Spezialisten von der Kundenseite und 20 aus der Werbeszene verantwortlich. Zwei Texter haben sich die Finger wund geschrieben. Und was ist dabei herausgekommen: «Kommen Sie auf unsere Seite.»

Diese Kampagne wird jetzt schon seit einem Jahr dem Konsumenten unter die Nase gehalten.

Ich behaupte, dass das Ende solcher Symbolwerbung naht. Das Ganze hat keine Ausbaufähigkeit. Der Strich muss immer gemalt und auf einer harten Unterlage platziert sein. Er kann auch nicht krumm sein, nicht über Wasser oder Schnee führen. Die hübschen, gesunden Models können vielleicht mal andere Kleider oder Verkleidungen tragen. Aber springen und lachen müssen sie immer. Ich bin froh, dass man sich in der Werbung noch über George Clooneys Nespresso-Kapseln, den begehbaren Heineken-Bier-Schrank oder das Migros-Huhn freuen kann.

Liebe Werber, nutzt Eure Zeit für gute, witzige, ausbaubare und auffällige Ideen. Eine Headline in Futura oder Garamond abzusetzen, hat früher zwei Tage und viel Geld gekostet. Ein Foto von einer Madame A. Meilland-Rose zu finden, geht heute auf Klick. Eine Inseratvorlage musste drei Wochen vor Erscheinen zum Lithografen für den Andruck und eine Woche vor Erscheinen zum Verlag. Heute ist es viel besser, weil viel effizienter. In der eingesparten Zeit könnte man für uns Konsumenten eine noch bessere Idee finden. Dann kommen sie eher auf Eure Seite.

Aufgestellt haben mich am letzten Dienstag die ADC-Jury-Kollegen der Kategorie Plakate und die zum Teil hervorragenden und intelligenten Einsendungen.

 

Weitere Artikel zum Thema