Kopf der Woche: Herz und Marke

Markus Bircher ist Stratege bei der Werbeagentur By Heart und zudem – heute noch – Geschäftsführer von Brandezza. Diese Tochter entwickelt psychologisch Markentechnik für die Praxis

Erfolgreiche Marken bieten immer beides: Praktische Vorteile und emotionale Vorteile. Marken sprechen direkt unsere Gefühle, Motive und Träume an. Darum ist es für die Kreativen in der Agentur By Heart wichtig, Marken in der Gefühlswelt der Konsumenten zu positionieren. Aber wie?
«Wir sind überzeugt, dass Marken faszinieren müssen. Das ist, wie wenn ich in eine Bar hineingehe. Niemand hat hier die Chance, mir seine Lebensgeschichte zu erzählen und mich argumentativ von sich zu überzeugen. Ich setze mich nur zu jemandem, der mich unmittelbar anspricht, anmacht und fasziniert», vergleicht Markus Bircher. Marken funktionieren ähnlich und psychologische Mechanismen werden deshalb immer wichtiger. Vor allem auch in Zeiten, wo Werber gar nicht mehr die Gelegenheit und das Budget haben, um lange argumentieren zu können.
Die Werbeagentur By Heart ist vor 14 Jahren von Hans Siegwart und Markus Bircher gegründet worden. In einer ehemaligen Weintrotte am Zürcher Zeltweg arbeiten heute 15 Leute «für viele schöne Schweizer Premium-Marken», wie Markus Bircher stolz erklärt. Die Agentur ist stark positioniert für Markenwerbung. Wer zu By Heart kommt, will keinen «kreativen Überflieger». Dafür arbeitet die Agentur zum Teil schon neun Jahre für die gleichen Kunden, zum Beispiel die PKZ-Gruppe. Meist ist By Heart «sehr stark bis in die strategischen Fragen involviert».
Bei dieser langjährigen Suche nach neuen Ideen, wie man eine Marke stärken und ihr einen eigenständigen Auftritt geben kann, ist bei Markus Bircher und seinem Team immer mehr das Interesse gereift, noch mehr in Erfahrung zu bringen, wie Marken genau funktionieren.

Der Marke auf den Grund gehenAus diesem Bedürfnis ist vor fünf Jahren Brandezza gewachsen. Markus Bircher hat den Kontakt mit der Hochschule für Angewandte Psychologie in Zürich gesucht. Dort hat sich Professor Daniel Süss begeistern lassen. Bereits das erste Forschungsprojekt konnte mit Hilfe des Nationalfonds angegangen werden. Bei diesem ging es um die Frage der Messbarkeit von psychologischen und emotionalen Leistungen einer Marke.
Seither geht es in mehreren Studien immer wieder neu um die Frage: Wie viel Werbung braucht eine Marke? Was braucht sie genau? Welche Markenleistungen bieten die grösste Hebelwirkung auf die Markensympathie? «Als Werbeagentur ist man heute seinen Kunden gegenüber in einem Erklärungsbedarf», ist Bircher überzeugt. Werber müssen auch ehrlich sagen können: Was kann Werbung, und was kann sie nicht? Wo gibt es Möglichkeiten, auch mit anderen Instrumenten gleiche oder sogar bessere Effekte zu erzielen? Dazu ist für Bircher die Psychologie «ein wichtiges Erklärungsmodell». Man muss allerdings seine ethischen Gründsätze haben und Bircher hat im Verlauf seines Studiums auch ausgiebig über Vance Packard und seinen damaligen Aufreger «Die geheimen Verführer» diskutiert. Aber er ist überzeugt, dass es falsch wäre, nicht wirklich zu nutzen, was wir über psychologische Mechanismen wissen. «Das sind wir unseren Kunden schuldig. Werbung soll schliesslich funktionieren.» Leute können nicht mehr so einfach soziodemogafisch Marken und Märkten zugeordnet werden. Umso mehr ist es wichtig, seine Zielgruppen zusätzlich auch noch psychografisch anzuschauen. «Dann erkennt man, dass Werbung trotzdem nicht so unberechenbar ist.»
Markus Bircher hat in Zürich Germanistik studiert und schon während des Studiums «immer Werbetexte geschrieben». Er war Steiner-Schüler, «was vielleicht eine gewisse Affinität zu Marken erklärt, denn dort war Werbung ein Tabu». Mehr ausleben konnte er sein Interesse bei GGK, wo Bircher ein erstes Praktikum machte. Dann hat er sich sein Studium bei einer kleinen Agentur als «Bursche für alles» finanziert. Nach dem Studium ist er richtig bei GGK Zürich eingestiegen und hat dort «viel gelernt». Vertiefende Einblicke in die Werbung fand er später bei einer Nachfolgeagentur von Grendene und Lanz, bei der damaligen HSG&L. Dort hat Bircher seinen heutigen Geschäftspartner Hans Siegwart kennengelernt. Als nach zwei Jahren eine grosse Umstellung in der Geschäftsleitung anstand, entschlossen sich die beiden zur Selbstständigkeit. 1994 wurde By Heart gegründet. In den Räumen einer alten Weinhandlung am Zeltweg haben die zwei Kreativen «sehr klein angefangen». Es ging aber schnell voran und während die Weinhandlung immer mehr abbauen musste, haben die Werber parallel dazu immer mehr Räume übernehmen können.
Nach viel Aufbauarbeit in das Start-up-Unternehmen Brandezza wird Bircher sich nun wieder stärker auf By Heart konzentrieren. Brandezza ist gerade daran, sich räumlich und personell zu verselbstständigen. Denn die Nachfrage nach den innovativen Brandezza-Instrumenten hat sich beständig entwickelt und macht es nötig, dass dieses Unternehmen unabhängig auftreten kann.
Für Markus Bircher ist diese Entwicklung sehr positiv. Und By Heart bietet ihm immer noch durchaus genügend Aufgaben, mit denen er sich beschäftigen kann. In seiner Freizeit spielt Markus Bircher Klavier, «nicht sehr gut, aber leidenschaftlich». Neue Ideen reifen bei ihm auch, wenn er in seinem «kleinen, aber lustigen» Segelboot auf dem Zürichsee kreuzt.
Andreas Panzeri

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