Zynischer Idealismus

Nichts provoziert heftiger und nachhaltiger als der ultimative, plakative Widerspruch.

Nichts provoziert heftiger und nachhaltiger als der ultimative, plakative Widerspruch.Und keiner beherrscht diese Kunst des Affronts so vollendet wie Oliviero Toscani. Aids, Krieg, Todesstrafe und – Pullover: In seinen stilbildenden Benetton-Kampagnen inszenierte die Mailänder Anti-Ikone jeweils den unversöhnlichsten aller kommunikativen Gegensätze, jenen zwischen Werbung und Weltverbessertum.Juck- oder Brechreiz?Aus demselben opportunistischen Zorn wie Toscanis Visuals speist sich auch seine 1995 erstmals publizierte Programmschrift «Die Werbung ist ein lächelndes Aas». Dennoch gehört diese hasserfüllte Hommage an die Evangelisten unserer bis auf die Knochen ökonomisierten Zeit zum Anregendsten, was Werber (sich) an Selbstreflexion in den Neunzigerjahren geleistet haben. «Ich kratze die öffentliche Meinung dort, wo es sie am meisten juckt.» Von Toscanis diesbezüglicher Treff- und Instinktsicherheit liesse sich heute gewiss noch einiges lernen. Und seis nur, dass man ihr aus vollem Werberherzen widerspricht.
> Die Werbung ist ein lächelndes Aas von Oliviero Toscani. Bollmann Verlag, Mannheim 1996. 196 Seiten, Fr. 28.40.
(oc)

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