Hartmeiers heilsamer Handstreich

Der neue Tagi-Chefredaktor entschlackt und optimiert seine Führungscrew

Der neue Tagi-Chefredaktor entschlackt und optimiert seine FührungscrewVon Oliver Classen Gerade mal einen Monat im Amt des Chefredaktors und schon folgt der erste Paukenschlag: Mit seiner im Eiltempo durchgezogenen Reform der Kaderstruktur will Peter Hartmeier für mehr Inhaltsakzente und Effizienz beim Tages-Anzeiger sorgen. Schlüsselfunktionen kommen dabei dem Blauen Bund und den beiden Nachrichtenchefs zu.
Dem redaktionellen Wasserkopf eine Drainage verpassen, ohne viel Know-how abfliessen zu lassen: So beschreibt der sichtlich unter kreativer Hochspannung stehende Nachfolger von Philipp Löpfe, der zuletzt fünf gleichgestellte Stellvertreter um sich scharte, seine kleine personelle Palastrevolution. Statt über eine ganze Ersatzmannschaft verfüge er mit Daniela Decurtins und Roland Schlumpf nun über «zwei flinke rechte Hände», die ihn im planerischen (Schlumpf) und publizistischen (Decurtins) Tagesgeschäft «punktuell entlasten und ergänzen» sollen.
Alte Köpfe, aber keine alten Zöpfe im neuen Organigramm
Die wichtigere Neuerung innerhalb der höchsten Redaktionsstufe dürfte indes die Ernennung der Hartmeier besonders nahe stehenden Rita Flubacher und Hanspeter Bürgin zu blattmachenden Nachrichtenchefs sein – Bürgin kehrt von der Aargauer Zeitung, bei der er zuletzt als Korrespondent in Berlin arbeitete, zum Tages-Anzeiger zurück. Von dieser funktionalen Differenzierung verspricht sich der Ex-Unternehmenssprecher «eine deutliche Erhöhung unserer Reaktionsgeschwindigkeit» sowie die bessere Vernetzung übergreifender Themen wie Klonbabys oder World Economic Forum. Die traditionelle Ressortstruktur stehe zwar nicht zur Disposition, eine stärkere themenorientierte Kooperation der einzelnen Bünde dafür aber ganz oben auf der Reformagenda.
Alter und Geschlecht haben laut Hartmeier bei den Rochaden keinerlei Rolle gespielt. Über den vergleichsweise respektablen Frauenanteil sei er jedoch «sehr, sehr froh». Dennoch fällt auf, dass die Mittdreissiger (mit Ausnahme von Decurtins) ins zweite Glied der Ressortleiter versetzt wurden. Auch wenn diese, wie der Leiter des Blauen Bunds, Peter Haerle, weiterhin matchentscheidende Positionen bekleiden: Der von Ex-Chefredaktor Roger de Weck 1992 eingeläutete Generationenwechsel – damals auch noch keine 40 Jahre alt – ist erst einmal auf Eis gelegt. Übrigens: Bei de Weck segelte der von Hartmeier zum Schlüsselressort stilisierte Zürich-Bund mit Stadt und Region (inklusive des ab Juni
als Stadtmagazin erscheinenden Züritipps) bereits unter einer Flagge. Hartmeier behauptet denn auch gar nicht, dass seine Ideen neu seien: «Auf dem Papier existierte das meiste schon; mein Job ist jetzt die Um- und Durchsetzung.»
Nächster zentraler Programmpunkt im ambitiösen Änderungskatalog des Tagi-Chefredaktors wird – nach der Überarbeitung des sechsten (Gesellschafts-) Bunds Anfang März – die optische wie inhaltliche Akzentuierung
der diversen Bundaufschlagseiten sein. Dies nicht zuletzt im Blick auf die anstehende hausinterne Tabloidkonkurrenz namens Express. Hartmeier betrachtet seine Ressortschaufenster als «bewusst zu pflegendes und einzusetzendes Differenzierungsmittel gegenüber den Gratisblättern».
Dem Berufsoptimisten bleibt Zeit für mehr Überraschungen
Dass ihn der auf Frühling angekündigte Umbau des ZürichExpress zum Express in zusätzlichen Zugzwang bringt, mag Hartmeier zwar nicht bestätigen; seine Betonung, dass die Tamedia-Verlegerfamlilie ebenso wie die Unternehmensleitung unabhängig von der Absatzentwicklung grössten Wert auf personelle Kontinuität legen, spricht indes Bände. Bedeutet es letztlich nichts anderes, als dass der von Hartmeier für den Moment sicher ausgefüllte Chefredaktorensessel ohne Stabilisierung der Auflage schnell wieder zum Schleudersitz werden kann. Bis dahin bleibt dem Berufsoptimisten aber wohl noch einige Zeit für weitere Überraschungscoups – organisatorische, aber hoffentlich auch publizistische wie die Sicherheitsnummer zum Jahreswechsel oder die aktuelle Nordkoreaserie.

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