Der rosa Traum von der Zukunft

Die Dokumentation «All-American Ads» entdeckt die Fifties noch einmal als Ideenquelle

Die Dokumentation «All-American Ads» entdeckt die Fifties noch einmal als IdeenquelleVon Andreas Panzeri Werbung in den Fünfzigerjahren war vor allem geprägt von Amerika. Während der Kalte Krieg eskalierte, brachen US-Familien, vom Kaufrausch getrieben, ins Zeitalter der modernen Technik auf. Eine dankbare Herausforderung für die Werbebranche, wie der ideenreiche Sammelband «All-American Ads» auf über beinahe tausend Bildseiten zeigt.
In der Werbung der Fünfzigerjahre spiegeln sich amerikanischer Stolz und ein Gefühl der Sicherheit. Dem sowjetisch gefärbten Kommunismus steht das Land der unbeschränkten Möglichkeiten gegenüber. Das kapitalistische System verspricht der Gesellschaft kurz nach dem Krieg ein neues Lebensgefühl mit Tausenden von neuen Produkten. Aus der damals endlosen Vielzahl von immer bunter werdenden Magazinen ergiesst sich eine Flut von Anzeigen über die Leser.
«Es gibt in den Fünfzigerjahren kein Produkt, für das nicht geworben wird», schreibt Jim Heimann im Vorwort zu seinem Buch «All-American Ads». Der Grafiker, Autor und Historiker lebt in Los Angeles und lehrt am Art Center College of Design im kalifornischen Pasadena. Heimann hat sich einen Namen gemacht mit zahlreichen Büchern über Architektur, Populärkultur und über die Geschichte Hollywoods.
Bereits im letzten Jahr hat Heimann den Bildband «All-American Ads» mit Werbung aus den Vierzigerjahren publiziert. Nach den Fifties gibt es in diesem Jahr auch noch die Sammlung mit Anzeigen und Plakaten aus den Sixties und den Dreissigerjahren sowie im kommenden Jahr die «Ads» aus den Zwanzigern und den Siebzigern.
Herausgegeben werden diese für Kreative und für an Kulturgeschichte Interessierte wertvollen Dokumentationen vom deutschen Taschen Verlag. Das Kölner Verleger-Ehepaar Angelika und Benedikt Taschen – mit Wohnsitz inzwischen auch in Los Angeles – gilt als «Popstar der Branche» und geniesst weltweiten Erfolg mit seinen Kunst- und Erotikbüchern.
Begonnen hatte alles 1980 mit einem nicht funktionierenden Comicbuchladen. Vier Jahre nach der Gründung stand der 24-jährige Besitzer Benedikt Taschen vor der Pleite. Der Zufall wollte es aber, dass er 40000 amerikanische Magritte-Bücher für einen Dollar pro Stück aus einer Konkursmasse ergattern konnte. Zwei Monate später waren alle wieder für 9.95 Mark verkauft.
Das brachte den Verleger auf den Geschmack. Taschen produzierte Kunstbücher von Renoir, Chagall oder Picasso und brachte alle zu Schleuderpreisen zwischen 9.95 und 49.95 Mark auf den Markt. Das Erfolgsgeheimnis: Taschen nutzte Qualitätsdruckplatten, um Auflagen bis zu 100000 Exemplaren zu drucken. Eine im Kunstbuchmarkt bisher nie gewagte Zahl. Doch die billigen Bücher hat Taschen gleich palettweise in die grossen Buchhandlungen liefern können.
Heute verkauft Taschen jährlich rund 15 Millionen Bücher in den Bereichen Architektur, Design, Lifestyle, Kunst und Erotik. «Taschen hat mit diesem Massengeschäft die Grenze zwischen Trivial- und Hochkultur abgeschafft», anerkennen namhafte Kulturkritiker. Gleichzeitig hat Taschen mit dem 30 Kilogramm schweren Fotoband «Sumo» von Helmut Newton werbewirksam nicht nur die schwerste, sondern für 5000 Mark auch eine der teuersten Neuerscheinungen auf den Markt gebracht.
Viel Kreativität für nur ein paar Rappen pro Idee
«All-American Ads» kostet 49.95 Franken pro Band oder knapp einen Rappen pro abgebildetes Werbesujet, denn auf vielen Seiten hat Jim Heimann gleich mehrere Ads zum gleichen Thema zusammengestellt. Im Buch sind diese Inserate und Plakate unkommentiert, aber sinnvoll nach Kapiteln wie Alcohol&Tobacco, Atomic/Defense, Automobiles, Consumer Products, Entertainment, Fashion & Beauty, Food and Beverage, Industry, Interiors sowie Travel eingeteilt.
Die Anzeigen mit Träumen und Alltagsszenen aus den Fifties lassen den Betrachter förmlich in andere Zeiten und Welten eintauchen. Für den Werber bilden die Sujets nicht nur eine überquellende Dokumentation zur Stilgeschichte. Sie sind auch eine verführerische Anregung zum Ideenklau oder zumindest Basismaterial für amüsante und weiterführende Brainstormings. «All-American Ads», Taschen Verlag, www.taschen.com

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