Klein gehalten

Publicom: St.Galler Tagblatt grenzt Top-Medien systematisch aus

Publicom: St.Galler Tagblatt grenzt Top-Medien systematisch ausVon Markus Knöpfli Die St.Galler Tagblatt Medien AG hält mit ihrer Marktmacht Radio und Tele Top klein. Dies zeigt eine Publicom-Studie. Demnach werden die Top-Medien vom St.Galler Tagblatt (SGT) redaktionell oft ausgeschlossen und benachteiligt. Zudem erzeugen Radio Aktuell und Tele Ostschweiz dank Crossmedia einen unverhältnismässigen Werbedruck.
«Publizistischer Wettbewerb setzt voraus, dass die Rezipienten ein neues Angebot wahrnehmen können», stellen die Autoren der neuen Publicom-Studie (siehe Kasten) fest, kritisieren aber, dass eben diese Voraussetzung im Raum St.Gallen nicht gegeben sei. Der Grund: Die St.Galler Tagblatt Medien AG, das zur NZZ-Gruppe gehörende Ostschweizer Multimediahaus, spiele seine Marktmacht voll aus und versuche systematisch, die Wahrnehmung der Top-Medien zu schmälern oder zu verhindern. Insgesamt behindere die SGT so den von Behörden erwünschten publizistischen Wettbewerb.
Die Studie machte in einer Analyse des SGT drei Behinderungsstrategien der Tagblatt-Gruppe aus. Zum einen berichtete das SGT im untersuchten Zeitraum dreimal häufiger und meist in grösseren Artikeln über die eigenen elektronischen Medien Radio Aktuell und Tele Ostschweiz (TVO) als über Radio und Tele Top. Ein aktuelles Beispiel: Selbst der Start von Radio Top in St.Gallen am 26. November 2001, ein Ereignis, über das nach journalistischen Kriterien wohl berichtet werden müsste, blieb unerwähnt. Radio und Tele Top würden zwar nicht einfach schlecht gemacht, jedoch «subtil schlechter behandelt», heisst es in der Studie. Im Falle von TVO stelle sich die SGT-Redaktion zudem «eindeutig in den Dienst des Sendermarketings».
Eine «massive Bevorzugung der eigenen Sender» machte die Studie bei den SGT-Programmhinweisen aus: Im untersuchten Zeitraum wurden 265 Hinweise für TVO, 109 für Radio Aktuell, einer für Radio Top und keiner für Tele Top gefunden. Dies könne aber weder durch journalistische Kriterien noch durch Zuschauergunst, sondern «einzig durch unternehmerische Erwägungen» begründet werden, schreiben die Verfasser. «Durch die Ausgrenzung eines wichtigen Wettbewerbers sollen hier offensichtlich unerwünschte Werbeeffekte ausgeschlossen werden.» Was in der Studie nicht erwähnt wird: Das SGT gewährt wohl TVO, nicht aber Tele Top eine tägliche Programmspalte. Für Radio Top besteht eine, sie ist aber halb so gross wie jene von Radio Aktuell.
SGT verneint Behinderung von Tele und Radio Top
Von einer «klaren Wettbewerbsverzerrung» spricht die Studie bezüglich des Werbedrucks von Radio Aktuell und TVO über das SGT. Der Gesamtwert der Anzeigen, den beide Medien im untersuchten Zeitraum schalteten, wurde auf brutto 900000 Franken und mit den Programmhinweisen auf 1,67 Millionen Franken geschätzt. Nur Migros und Coop inserierten für mehr Geld im Tagblatt. Der Wert der Inserate für TVO überstieg gar dessen Werbeeinnahmen im fraglichen Zeitraum.
Die Studie betont, dass es kaum Sinn mache, über die Konzessionen publizistischen Wettbewerb zu ermöglichen, der sich nicht entfalten könne. Man müsse damit rechnen, dass dominierende Medienhäuser ihre Redaktionen in den Dienst des Medienmarketings stellen. Deshalb solle neuen Anbietern künftig in der Startphase eine befristete Aufstockung des Marketingbudgets gewährt werden. Zudem sollen unabhängige Programmanbieter bei der Konzessionierung und dem Verteilen von Gebührengeldern bevorzugt werden.
Hanspeter Klauser, Geschäftsführer der Tagblatt-Gruppe, betonte, dass er die Studie bisher nicht gesehen habe. Sie zeige aber, dass Top-Chef Günter Heuberger versuche, die SGT auf allen möglichen Kanälen schlecht zu machen. «Schade, dass er nicht über Inhalte mit uns kämpft.» Dass für eigene Medien geworben werde, stelle keine Behinderung des Wettbewerbs dar, sagte er. Und in redaktionelle Belange mische er sich keineswegs ein.
2073 Programmhinweise analysiert

Der Titel der Studie lautet «Wettbewerbsvoraussetzungen in Räumen mit marktbeherrschenden Multimedia-Anbietern – Das Beispiel Radio- und TV-Markt St. Gallen». Im Auftrag von Radio Top hat die Publicom 309 redaktionelle SGT-Artikel (inklusive Splitausgaben) sowie 2073 Programmhinweise analysiert, die zwischen dem 1. Oktober 2000 und dem 20. September 2001 publiziert worden waren. Im gleichen Zeitraum liess die Publicom von Mediafocus den Bruttowert aller im SGT und im Split Wiler Zeitung erschienenen Inserate von Radio Aktuell und Tele Ostschweiz erheben. Auf eine Analyse anderer Tagblatt-Medien wurde verzichtet. Hingegen wurden ergänzende Fachgespräche mit St. Galler Politikern, Professor Roger Blum von der Universität Bern, Bakom-Vizedirektor Martin Dumermuth sowie SGT-Chefredaktor Gottfried F. Höpli geführt. Verfasser der Studie ist René Grossenbacher (Leitung).

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