Vitamin-B-Mangel bei Pharmalobby

Keine wesentlichen Lockerungen bei den neuen Werbevorschriften für Arzneimittel

Keine wesentlichen Lockerungen bei den neuen Werbevorschriften für ArzneimittelVon Andreas Panzeri Der Verband Schweizer Werbung lud zu einem Workshop über neue Werbevorschriften für Arzneimittel. «Ein Killer für kreative Werbung?» stand provokant als Frage über der Diskussion. Die Antworten tendierten zu einem Ja, denn Pharmawerbung bleibt in der Schweiz auch mit dem neuen Bundesgesetz stark reglementiert.
«Dies ist eine Heilmittelwerbung. Lassen Sie sich von einer Fachperson bei der IKS beraten und lesen Sie die Werberichtlinien!» Dieser leicht abgeänderte Pflichthinweis könnte abgegeben werden, wenn eine Agentur künftig Werbung für Arzneimittel machen will. Zwar haben die Pharmawerber auf den 1. Juli 2001 das Inkrafttreten eines neuen Gesetzes erwartet. Bereits im Dezember 2000 haben die Räte in Bern das neue Heilmittelgesetz verabschiedet, das die Richtlinien der Interkantonalen Kontrollstelle für Heilmittel (IKS) ersetzen soll. Weil die dazu nötigen Verordnungen aber noch nicht ausgearbeitet sind und am 2. Juli eine zweite Ämterkonsultation begonnen hat, wird die mit Spannung erwartete Verordnung erst ab Januar 2002 ihre neue Gültigkeit haben. Was wird sie uns bringen?
Alfred Jost, stellvertretender Direktor der IKS, fasste die Rahmenbedingungen für Arzneimittelwerbung zusammen und zeigte, dass mit dem neuen Gesetz kaum grössere Freiheiten seit der Liberalisierung im Jahr 1995 möglich geworden sind. Grundsätzlich bleibt die Liste mit den 17 «unzulässigen Werbeelementen» bestehen. Auch der Pflichthinweis «Dies ist ein Heilmittel…» wird nach wie vor obligatorisch sein.
Preisvergleiche dürften in der neuen Verordnung aber möglich werden. Dies jedoch nur bei der Fachwerbung, die sich an medizinisches Fachpersonal wendet. Dazu hat die Landesregierung in ihrem Bericht festgehalten, dass «Arzneimittel ein besonderes Gut mit beträchtlichem Miss- und Fehlgebrauchspotenzial sind». Publikumswerbung ist deshalb auch weiterhin nur für nicht rezeptpflichtige Arzneimittel zulässig.
Nebenwirkungen der PR dürfen nicht unterschätzt werden
Werbung darf auch «zu keinem übermässigen, missbräuchlichen oder unzweckmässigen Einsatz von Arzneimitteln verhelfen». Konkret: Eine Aktion «3 für 2» oder Packungen mit Mehrwert bleiben für die Endverbraucher unzulässig. Neu dürfen aber auch Patienten mit Treueprämien belohnt werden, so, wie sie ein Arzt oder Apotheker Ende Jahr vom Pharmalieferanten erhält.
Laut Jost ist allerdings «die Befürchtung falsch», dass Werbung den Konsumenten zu vermehrtem Kauf verleitet, denn gemäss Studien würden bei solcher Werbung «nur Marktanteile verschoben, ausser vielleicht bei Viagra».
Früher hat jede Kommunikation nur zweistufig mit dem ebenso zensurierend wie beratend dazwischengeschalteten Arzt oder Apotheker ablaufen können. Heute kann sich ein Patient auch persönlich über neue Medikamente informieren. Eine am Workshop offen gelassene Frage war daher, ob und wie die Nebenwirkungen von der PR in Zukunft mit entsprechenden Packungsbeilagen zum neuen Arzneimittelgesetz unter Kontrolle gehalten werden können.
Machtlos ist das neue Gesetz gegen international verbreitete Informationen im Internet, auch wenn hier klare Regeln zumindest für die aus der Schweiz aufgeschalteten Homepages bestehen, wie Sylvia Schüpbach vom Rechtsdienst der IKS wusste.
Kreativ sein heisst, die Grenzen des Machbaren ausschöpfen
Wie unter solchen Voraussetzungen kreative Werbung nach wie vor möglich – oder eben aus der Werbersicht unmöglich – ist, versuchte Simon Frey aufzuzeigen. Der Apotheker ist Advertisement Assessor IKS und muss die ihm vorgelegten Werbemittel bei Beanstandungen oder bei Anfrage auch schon mal vorab beurteilen.
Seine Grundregeln: Arzneimittelwerbung muss sachlich bleiben, darf nicht mit werbewirksamen Emotionen arbeiten. Stimulierende Musik in einem Spot ist genauso verpönt wie suggestive Illustrationen in einem Inserat.
Verboten ist es, mehr als eine Tagesdosis abzubilden, damit die Einnahme nicht als unbedenklich interpretiert werden könnte. Auch dürfen keine übertriebenen Hoffnungen gemacht werden wie etwa der Slogan «In 5 Minuten gesund». Ebenso gibt es kein einziges Mittel «völlig ohne Nebenwirkungen», wie Felix Schwarzenbach, Arzt und Sekretär des Pharma-Fachwerbungs-Kodex für die chemische Industrie, erklärte.
«Kreativ an der Grenze des Möglichen surfen» heisst somit das Rezept. Die neuen Vorschriften wurden auch als «Leitplanken» bezeichnet. Wer allerdings dagegen fährt, muss sich in Zukunft von Bundesbeamten beurteilen lassen, denn das Personal der IKS wird mit dem neuen Gesetz von einem rechtlich für alle Seiten verbindlicher greifbaren neuen Bundes-Heilmittelinstitut übernommen.

Weitere Artikel zum Thema