Gattungsmarketing statt «Ellbögle»

Die Schweizer Onlinewerbebranche braucht eine starke Stimme, welche die Möglichkeiten publik macht

Die Schweizer Onlinewerbebranche braucht eine starke Stimme, welche die Möglichkeiten publik machtVon Clemens HörlerDie Onlinewerbebranche kränkelt. Nötig wäre nun ein starkes Gattungsmarketing und Aufklärungsarbeit. Doch die Branche hat keine hörbare gemeinsame Stimme. Das Schweizer Internet Advertising Bureau konnte bisher nur wenig bewirken.
Dass es der Onlinewerbewirtschaft nicht wunschgemäss läuft, pfeifen die Geier längst von den Dächern. Dass Onlinemarketing zu Erfolg führen kann, haben aber zahlreiche Fallbeispiele gezeigt. Warum also macht die Werbung im Internet trotz wachsender Netzgemeinde nur ein müdes Prozent des Werbekuchens aus?
Ein Grund ist wohl, dass vielen Werbetreibenden noch nicht richtig bewusst ist, welche Möglichkeiten im Internet überhaupt zur Verfügung stehen. «Viele Entscheidungsträger und Berater aus der klassischen Werbewirtschaft sind immer noch zu wenig aufgeklärt über die Möglichkeiten des Onlinemarketings», beobachtet Christoph Morach, Managing Director von Qualiclick Switzerland.
Verschärft wird diese Situation durch die Tatsache, dass die Vertreter der Onlinewerbeindustrie oft in Terminologien sprechen, die den klassischen Marketern, Werbern und Mediaplanern nicht vertraut sind.
«Um die Onlinewerbeindustrie anzukurbeln, bräuchte es ein starkes Gattungsmarketing», ist Peter Strassmann, Geschäftsleiter von ActiveAgent Switzerland überzeugt. Ein von der gesamten Branche gestütztes Gattungsmarketing inklusive Aufklärungsarbeit war in der Schweiz bisher aber nur in Ansätzen auszumachen. Stattdessen rangeln die Vermittler und Vermarkter mit allen Mitteln um Marktanteile.
Kopieren die Schweizer das deutsche Modell?
Das Internet Advertising Bureau Schweiz (IAB), eigentlich prädestiniert und geschaffen für ein geschlossenes Auftreten der
Branche, konnte bisher nur wenig Aufmerksamkeit erlangen. Der Vorstand des IAB (www.iab. schweiz.ch) ist überlastet. «Wir haben viel zu wenig finanzielle und personelle Ressourcen», erklärt Martin Radelfinger, Präsident des IAB Schweiz und Geschäftsführer von AdLink Internet Media Schweiz. Schliesslich seien die meisten Vorstandsmitglieder und Mitglieder der Arbeitsgruppen zu über 100 Prozent im Beruf ausgelastet. Auch für Morach ist die Doppelbelastung vieler Mitglieder ein wichtiger Grund dafür, dass das Schweizer IAB bisher kaum Zählbares zu Stande gebracht hat.
Für die Zukunft des IAB sieht Radelfinger grössere Chancen unter dem Dach eines stärkeren Verbandes. Schon bald wird die Generalversammlung des IAB darüber abstimmen, ob man der Swiss Interactive Media Association (Sima) beitreten solle. Radelfinger: «Das Modell einer IAB-Arbeitsgruppe mit Repräsentation im Sima-Vorstand entspricht dem deutschen IAB-Modell, das sehr gut funktioniert.»
Im Verhältnis der Vermarkter und Vermittler untereinander sehen Radelfinger und Morach Licht am Horizont: Man setzt sich zusammen und bespricht Massnahmen für Gattungsmarketing.
Das Interesse an einem florierenden Onlinewerbemarkt hat einzelne Vermarkter und Vermittler bereits dazu getrieben, über Firmen- und Produktewerbung hinaus ihre Stimme auch fürs digitale Marketing zu erheben.
So etwa Real Media im Gespann mit Borsalino.ch und Search.ch und weiteren Websitebetreibern. Diese führten im November 2000 den New Media Circle durch, der sich vor allem an Vertreter von Mediaagenturen richtete.
Bereits erste Vorstösse für ein Gattungsmarketing
Der Anlass sollte der stärkeren Integration der neuen Medien in die Werbe- und Mediaplanung klassischer Agenturen dienen. Auch wegen personeller Veränderungen bei Borsalino und einer fundamentalen Restrukturierung bei Real Media kam es bisher noch zu keiner Neuauflage. Vor allem der Mitorganisator Search
.ch zeigt sich aber weiter aktiv
und organisiert beispielsweise im Rahmen von Messen Seminare zum Thema Onlinewerbung, die nicht einfach nur Werbung für die eigene Plattform sind.
Auch Qualiclick will die klassischen Werber zur Brust nehmen und zusammen mit dem BSW auf bswjobs.com den Werbeagenturen Hilfe und Tipps rund um Werbung im Internet und Seminare anbieten. Derzeit sei man noch dabei, Inhalte für die Website zu generieren, erklärt Morach. Die ersten Seminare sollen vom 6. bis 8. Juni über die Bühne gehen. Die hohe Zahl der bisherigen Anmeldungen spreche für das Informationsbedürfnis. Qualiclick, so Morach, sei bemüht, die Veranstaltungen in den Dienst des Gattungsmarketings zu stellen und nicht einfach Eigenwerbung zu treiben.
Mitte Mai hat sich auch ActiveAgent erstmals als Veranstalter profiliert: ActiveTalk soll laut Strassmann eine Informations- und Diskussionsplattform für neue Trends und Technologien sowie erfolgreiche Case Studies werden. Strassmann: «In der klassischen Werbung wird haufenweise Geld zum Fenster hinausgeworfen – aber niemand kann das messen. Online ist das eben anders. Die vielen schlechten Beispiele verderben den Ruf des Mediums statt denjenigen des Onlinewerbers. Und deshalb ist es so wichtig, dass Aufklärungs- und Ausbildungsarbeit getan wird, um noch viel mehr erfolgreiche Beispiele zu erhalten.»
Hinter diesen Einzel- und Kleinallianzvorstössen ist immer auch Eigeninteresse zu sehen. Das muss aber nicht negativ sein, wenn zusätzlich die ganze Branche eine gemeinsame starke Stimme bekäme. Gefordert sind nicht nur Vermarkter und Vermittler, sondern auch Websitebetreiber. Auch die Aktivitäten der Forschungsunternehmen, die Daten über die Internetnutzung erheben, dienen letztlich der Branche.

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