«Grossverteiler-Inserate sind die Konfitüre auf der Schnitte, nicht das Brot»

Verleger Urs Gossweiler über die ersten sieben Monate seiner Jungfrau Zeitung

Verleger Urs Gossweiler über die ersten sieben Monate seiner Jungfrau ZeitungTrotz scheinbar erdrückender Konkurrenz durch die Berner Zeitung (BZ) gedeiht der Lokalzeitungsverbund Jungfrau Zeitung (JZ) prächtig. Verleger Urs Gossweiler berichtet über die ersten sieben Monate.Wie geht es der Jungfrau Zeitung sieben Monate nach ihrem Start?
Urs Gossweiler: In den ersten drei Monaten haben wir 15000 JZ-Exemplare in der Region Interlaken gratis verteilt, seit dem 3. Januar hingegen ist sie eine normal abonnierte Zeitung. Das Resultat: Der ganze JZ-Verbund hat heute eine Auflage von 10000 Exemplaren, was im Oberland-Ost einem Marktanteil (MA) von 50 Prozent entspricht, Tendenz steigend. In Interlaken konnten wir bisher 2500 Neuabonnenten gewinnen. Wir gehen nun davon aus, dass wir bis Oktober noch einmal etwa 500 Abos zulegen können.
Wie erklären Sie sich den starken Zuwachs?
Gossweiler: Weil die Konkurrenz den Berner Oberländer ganz in der BZ aufgehen liess, mussten sich die Leute an eine ganz neue Zeitung gewöhnen. Einen weiteren Gefallen machte man uns, indem man ausgerechnet das Oberländische Volksblatt vom Markt genommen hat, das im Raum Interlaken seit 125 Jahren gut verankert war. Damit haben die Leser die gewohnte Zeitungsform verloren.
Welche neuen Ziele haben Sie sich gesteckt?
Gossweiler: Wir möchten bis in drei Jahren einen MA von 75 Prozent im Oberland-Ost erreichen. Dies vor allem wegen des Amtsanzeigers von Interlaken. Denn im Interlakener Inseratemarkt heisst unsere Konkurrenz nicht BZ, sondern Amtsanzeiger. Zwar erscheinen wir zweimal und der Amtsanzeiger nur einmal pro Woche. Dafür aber geht er an
alle Haushalte (inklusive jene mit Stoppkleber). Deshalb müssen wir ihm längerfristig 75 Prozent MA gegenüberstellen.
Wie sieht die Entwicklung bei der Zeitung Oberhasler aus, die vorher nicht zur Gossweiler Media AG gehörte?
Gossweiler: Bei der Lancierung am 6. Oktober hagelte es massive Leserproteste – aus unterschiedlichen Motiven. Ende Jahr hatten wir bei Echo von Grindelwald, Oberhasler und Brienzer gesamthaft 1000 Abonnementsverluste zu verkraften, die wir glücklicherweise wieder wettmachen konnten. Wir hatten nur mit 500 Verlusten gerechnet.
Sie hatten ja die Absicht, mit einer Auflage von 10000 Exemplaren nicht zuletzt für die Grossverteiler attraktiv zu werden. Ich hörte nun aber, dass diese ihre Anzeigen eher beim Amtsanzeiger von Interlaken schalten.
Gossweiler: Da muss ich Sie korrigieren: Der Amtsanzeiger hat weder von Coop noch von der Migros Aktionsinserate. Die JZ hingegen hat sowohl freitags ein halbseitiges Inserat der Migros-Aare als auch dienstags eine Panorama-Doppelseite des Migros-Genossenschafts-Bundes.
Warum kommt Coop nicht?
Gossweiler: Weil Coop generell bei den lokalen und regionalen Titeln zurückbuchstabiert, stattdessen die Strategie Swisspool fährt und gleichzeitig auf die CoopZeitung setzt. Aber vielleicht war das für uns auch gut so.
Warum?
Gossweiler: Damit sich keine Bequemlichkeit einschleicht. Wir haben mit Coop und der Migros in diesem Jahr gerechnet. Nun kam Coop nicht, und trotzdem haben wir unser Budget übertroffen. An sich aber wollen wir so rechnen, dass wir den Abgang eines Grossverteilers problemlos verkraften könnten. Ein Coop- oder Migros-Inserat soll die Konfitüre auf der Schnitte sein, nie jedoch die Butter und schon gar nicht das Brot. Denn wir wollen uns aus dem lokalen Raum refinanzieren.
Wie waren die Einnahmen?
Gossweiler: Aus dem Inserateverkauf erwirtschafteten wir seit dem Start einen Netto-Netto-Ertrag von über einer Million Franken. Zum Vergleich: Im ersten Halbjahr 2000 hatten wir einen Ertrag von 200000 Franken.
Wann rechnen Sie mit dem Breakeven?
Gossweiler: Jede Ausgabe der letzten sieben Monate schrieb netto schwarze Zahlen. Natürlich sind damit die Investitionen von insgesamt einer Million Franken noch nicht finanziert. Wenn es aber so weiterläuft, werden wir diese in drei Jahren abgeschrieben haben. Wir rechnen zudem mit einem Cashflow von 500000 Franken pro Jahr.
Beim Start haben Sie eine Werbekampagne mit Renzen & Partner gemacht. Läuft die Zusammenarbeit weiter?
Gossweiler: Nein, wir haben sie Ende April beendet, weil sie für uns zu aufwändig wurde. Aber die Zusammenarbeit damals war für uns absolut notwendig und auch super. Es ist durchaus möglich, dass wir bei einer Reaktivierungskampagne wieder mit Renzen & Partner kooperieren werden.
Ist etwas geplant?
Gossweiler: Ursprünglich dachten wir schon, dass wir eine zweite Kampagne brauchen, doch angesichts unserer guten Zahlen investieren wir lieber in unser Produkt: Seit zwei Wochen haben wir ein neues wöchentliches Tabloidmagazin mit 24 Seiten, Veranstaltungskalender und TV-Programm namens 7 Tage. Das kostet uns pro Jahr 200000 Franken mehr. Doch wir haben es für richtig befunden, dieses nun vorzuziehen und dafür auf die Kampagne zu verzichten. Interview: Markus Knöpfli
Das Gossweilersche Print-Kleeblatt

Bevor der Verbund Jungfrau Zeitung (JZ) am 6. Oktober 2000 startete, gab es im Berner Oberland noch die Oberland-Ausgabe der Berner Zeitung (BZ), den «alten» Berner Oberländer, das Oberländische Volksblatt (OV) und die Hasli Zeitung (HZ). Letztere gehörte zur Gossweiler Media AG. Seither wurde der Berner Oberländer in die BZ integriert und das OV eingestellt. Auch die Gossweiler Media AG liess die HZ eingehen, übernahm aber stattdessen den Oberhasler von der Konkurrenz und machte diesen, das Echo von Grindelwald, den Brienzer sowie die JZ zu Teilen des eigenen Print-Kleeblattes.

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