Uhrenwerbung im Stillstand

Das Marketing des Statussymbols wird immer mehr eine Angelegenheit von wenigen Luxuskonzernen

Das Marketing des Statussymbols wird immer mehr eine Angelegenheit von wenigen LuxuskonzernenVon Luca AloisiTrotz Kurseinbrüchen an Börsen und sich verdüsternden Konjunkturprognosen strahlt die Schweizer Uhrenindustrie mit Rekordumsatzzahlen. Während sich die Hersteller in Kreativität überbieten, zeigt sich die Uhrenwerbung alles andere als innovativ. Sie baut die Aura des Luxusprodukts mit globalen Millionenetats für Events und Stars auf.
Einen besseren Auftakt als den glänzenden Geschäftsbericht der Swatch Group letzte Woche konnte sich die diesjährige 29. Weltmesse für Uhren und Schmuck in Basel nicht wünschen. Steht er doch tendenziell und stellvertretend für die ganze Branche. Und weil bei vielen das Geld immer noch locker in der Tasche sitzt, rechnen die Messeorganisatoren, dass auch heuer mit an die 90000 Besucher nach Basel strömen. Vor allem teure Produkte erfreuen sich steigender Beliebtheit. Und mit der starken Forcierung des Luxussegments liegt die Branche denn auch voll im Trend.
Die erfreulichen Resultate haben aber kaum mit neuen revolutionären Kommunikationsstrategien zu tun. Wie die Zeiger immer in der lächelnden 9-nach-10-Uhr-Position stehen (müssen), scheint sich die Uhrenwerbung seit einigen Jahren nicht an neue Ideen heranzuwagen. Die Konzentration der Luxusgüterkonzerne sowie deren Globalisierung von Werbung und Distribution haben den Zeitmesser emotional stark beladen und die ehemals beschaulichen Nuancen durch Imagecodes aus der Modebranche übertüncht.
Jasmina Steele, International PR-Director bei Patek Philippe, bestätigt denn auch: «Viele Marken haben sich von der technik- und produktorientierten Kommunikation verabschiedet und setzen vermehrt auf eine emotionale, international einsetzbare Bildsprache.» Wenn man vom Design der Ticker selbst absieht, haben sich inzwischen die meisten Kampagnen wieder angeglichen – Austauschbarkeit statt Profilierung.
Das Kredo vieler Uhrenwerber:
«The product is the hero»
Dem Stiltrend entgegengesetzt hat sich hingegen die Uhrenmarke Ebel, die seit Oktober 1999 zum Luxusgüterkonzern LVMH gehört. Nach originellen Umsetzungen wie die kunstvollen Traumlandschaften und der nach einer Marktanalyse als kontraproduktiv erkannten und sistierten Strategie mit den Handgelenken von Stars wie Madonna oder Harrison Ford folgte letztes Jahr eine Kampagne, die die Uhr verstärkt in den Mittelpunkt stellt und Detailansichten visualisiert.
«Der Glanz des Metalls oder das Aufblitzen eines Diamanten sollen Emotionen wecken und den Esprit von Ebel widerspiegeln», erklärt die PR-Verantwortliche Edith Weibel zum neuen Auftritt des Uhrenmachers, der den Brandclaim «The Architects of Time» in den letzten Jahren allzu unstet verbildlichte. Letzterer wird mit der auf kommenden Herbst geplanten neuen Kampagne nur noch in abgeschwächter Form eingesetzt.
Mit dem Ansatz, die Uhr in den Mittelpunkt zu rücken, reiht sich Ebel in die lange Liste derjenigen Marken ein, die das Produkt als Angelpunkt ihres Marketings verwenden. Besonders imageprägend gelingt das allerdings nur den Marken, die ausserordentliche Merkmale tatsächlich auch aufweisen. So dramatisiert Grey, Genf, seit zwei Jahren für Jaeger-Le-Coultre deren legendäre Drehgehäuse.
Wer mit solchen Partikularitäten nicht aufwarten kann, sucht in der Markenhistorie nach abgrenzenden Merkmalen und stellt diese so faszinierend dar, wie es die Mailänder Agentur Lowe Pirella Göttsche für Panerai tut. Auf eine für die Uhrenbranche einzigartige, da provozierende Art schlägt Wirz für die Prestigemarke IWC die Brücke zwischen grossformatiger Uhr und ironischem Machismo-Lebensgefühl.
Auch der arrivierte Uhrendesigner Ruedi Külling (ehemaliger Werber und Mitinhaber von Advico Young & Rubicam) bleibt seiner Devise «The product is the hero» in der Werbung für seine Marke Xemex treu. «Schliesslich befasst sich der bewusste Käufer mit der äusseren Erscheinung des Produkts», sagt er, gesteht aber, dass man oft auch Bestätigung im Markennamen sucht und dieser über eine Zusatzwelt wie Prominente oder Lifestyle erschlossen wird.
Lifestyle und Promis als
sichere Emotionenvermittler
Nahe liegend, tatsächlich aber eher selten wird beschaulicher Lifestyle als Umfeld für die Visualisierung der Uhr eingesetzt. Nur wenige Manufakturen wie Patek Philippe und zum Teil Baume & Mercier appellieren mit hedonistischen Codes an die begehrenswerten Ikonen des Habens und Seins.
Elegante Personen führen in dezenten Anzeigen einen elitären Lebenswandel vor, strömen Stilsicherheit, Macht und Charme aus und tragen dazu das traditionsreiche Statussymbol am Handgelenk, das über Generationen hinaus seinen Wert behält. Allerdings unterscheiden sich solche Anzeigen kaum vom Glamour der Mode- und Parfumwerbung, die mit den gleichen Codes für Statussymbole arbeitet. Exemplarisch für die starke Anlehnung an die Mode: Die neue Kampagne für Patek Philippes Twenty-4-Uhr, die von einem bekannten Team realisiert wurde, das sonst für Mode- und Kosmetik arbeitet.
Die Welt des Erfolgs und des Prestiges lassen immer mehr Uhrenmarken durch weltberühmte Sportler, Schauspieler, Musiker und Künstler verkörpern. Nicht nur Omega setzt auf Zugpferde wie Cindy Crawford und Michael Schumacher. Tag Heuer, Longines, Movado, Rolex und andere gingen erfolgreich eine Symbiose von Uhren und Celebrities ein. Nur: Wer erinnert sich letztlich daran, ob Boris Becker für Omega oder für Tag steht? Das Committment mag noch so authentisch wirken, selbst Promiwerbung hat ihre Grenzen und kann schnell wanken, wie zurzeit Beckers angekratztes Image beweist.
Für Newcomer dürften die
Erfolge trügerisch sein
Uhrenwerbung hat heute hauptsächlich zum Ziel, den Bekanntheitsgrad der Marke zu halten oder gar zu steigern, was bei der zunehmenden Konkurrenz nicht ganz einfach ist. Die guten Geschäftsabschlüsse könnten dazu anregen, die gegenwärtige Marketingtaktik als erfolgversprechendes Perpetuum mobile zu sehen. Denn so lange der gesamte Umsatzkuchen wuchs, brachten selbst Newcomer ihre teuren Ticker an die Frau und den Mann, obwohl das junge Brandprofil in der Masse unterging.
Aber was wird sein, wenn die Frühindikatoren Recht bekommen sollten und eine globale Rezession droht? Tatsächlich ändert sich die Marktsituation: Zum einen dürfte der günstige Frankenkurs bald Vergangenheit sein;
zum anderen beschränken sich die negativen Nachfrageschocks nicht mehr nur auf die USA und Japan.
Gerade bei den Luxusgütern ist dannzumal eine erkennbare Markenpersönlichkeit und ein grosses Markenguthaben Gold wert. Aber wie lässt sich Markenbekanntheit und deren wahrgenommene Einzigartigkeit aufbauen, wenn keine millionenschwere Marketingwalze erschwinglich ist? Mit Uniqueness, besonders in den Werbekonzepten.
Der Schweizerische Uhrenverband ist davon überzeugt, dass bei mangelnden Anstrengungen auch Luxusmarken vom Untergang bedroht sind. Heute mehr denn je. In das Image müsste eine Uhrenfirma laut Analysten mehrere Millionen Franken oder rund ein Viertel des Umsatzes investieren. Dass aber viele – nicht nur junge – Marken sich während des Aufschwungs nicht um ein dichtes semantisches Netzwerk in ihren Werbeauftritten kümmerten, könnte sich rächen. Obschon Luxus rezessionsresistent ist, die Reihen unter den Prestigemarken könnten sich in Zukunft lichten.

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