Schwarze Magie Sozialforschung

Die Nachteile der verschiedenen Plakatforschungsmodelle sind noch lange nicht überwunden

Die Nachteile der verschiedenen Plakatforschungsmodelle sind noch lange nicht überwundenVon Wolfgang KoschnickWirkungsforschung beim Plakat bleibt Glückssache. Dennoch gibt es neue Ansätze in der Plakatforschung aus Österreich, Deutschland und den Niederlanden. Aber auch sie leiden an der Tatsache, dass die Zuverlässigkeit der Messdaten nicht über alle Zweifel erhaben ist.
Während das britische Postar-Modell bei Laien Verwirrung erzeugt (WW 44/00), glänzt die Plakatwertung Österreich (PWÖ) durch Einfachheit: ein Verfahren, das den Interessen der Auftraggeber entspricht und auch dem Werbeträger Plakatfläche nützt.
In einem ersten Schritt wurden alle rund 85000 in Österreich vorhandenen Flächen nach demselben Muster nach ihrer Qualität bewertet. Je nach Bundesland waren zwischen 10 bis 20 Prozent der Flächen so schlecht, dass sie vom Markt genommen wurden. Sie entsprachen nicht den Mindestanforderungen. Jetzt gibt es in Österreich nur noch rund 71000 Anschlagflächen, die den objektivierten Qualitätskriterien der PWÖ genügen und ihr Siegel tragen.
Bei der Bewertung der österreichischen Flächen nach einem einheitlichen Verfahren spielten folgende Kriterien für die Definition eines Standorts eine Rolle: Sichtbarkeit und Entfernung, Abstand zur Strasse, Tafelstellung zum Betrachter, Frequenz, Geschwindigkeit, Häufungsfaktor. Das Modell wurde in der WerbeWoche bereits beschrieben (WW 27/00).
Der PPI erlaubt auch
Splittungen nach Regionen
Der Plakatwert einer Stelle ist eine nach den Faktoren Einsehbarkeit und Standortgrösse gewichtete, tägliche Kontaktangabe. Die PWÖ-Grundformel beruht dabei auf der Multiplikation der Frequenz mit der technischen Beobachtungszeit (= Sichtbarkeitsdauer dividiert durch 1,5 Sekunden) einer Plakatfläche, vermindert um den Häufungsfaktor und bezogen jeweils auf den Durchschnitt aller kategorisierten Flächen.
Der Plakatwert liefert Daten über die Leistungsfähigkeit einer Plakatfläche. Zusätzlich zur PWÖ haben führende Stellenanbieter in Zusammenarbeit mit der Mediaagentur Turcsanyi Media Consulting als Planungsinstrument den Poster Performance Indicator (PPI) entwickelt. Er erlaubt die Planung einer Kampagne nach Poster Points, die ähnlich wie die aus der Mediaplanung wohl bekannten Gross Rating Points (GRP) einen Indikator der Reichweiten und erinnerten Kontakte darstellen.
Der PPI ist ein nachvollziehbares Modell, das es ermöglicht, die im Rahmen der PWÖ erhobenen täglichen Kontaktchancen nachvollziehbarer zu machen und gleichzeitig mit den auch bei anderen Medien verfügbaren Reichweitenzahlen zu kombinieren.
Beim PPI werden die im Rahmen der PWÖ erhobenen Frequenzen aller Plakatstellen mit den jeweils aktuellen Plakatwerten der österreichischen Mediaanalyse verknüpft. Die Berechnung der Bruttokontakte im PPI basiert auf den Frequenzmessungen (=garantierte Kontakte). Dabei sind sogar Splits und Filterungen nach Regionen möglich. Grundlage der Reichweitenberechnung sind die Werte der Media-Analyse 1999, in der für eine Stichprobe von 18000 Befragten Angaben darüber vorliegen, an wie vielen von sieben Tagen sie normalerweise an einer Plakatfläche vorbeikommen.
Aus diesen Angaben werden Reichweiten für Zielgruppen und Bundesländer berechnet. Daraus resultiert eine Leistungswertkurve des Plakats und der konkreten Plakatkampagne.
Diese kann zusätzlich in Poster Points (PP) per Schilling oder per Durchschnittskontakt definiert werden. Die PP bestimmen einen Wert, der sich aus der Kombination von Reichweite und erinnerten Kontakten ergibt. Die Zahl der PWÖ-Bruttokontaktchancen definiert die PP und beschreibt die Wirksamkeit eines garantierten Kontakts. Die Nettoreichweite lässt sich von Kumulationskurven ablesen, die aus der Media-Analyse berechnet werden.
Damit hat die PWÖ die Möglichkeit einer nationalen Plakatbewertung geschaffen, ohne auf Daten aus einer eigenen Befragung zurückgreifen zu müssen. Aber wenn es im zweiten Schritt darum geht, Reichweitenwerte und personenbezogene Daten zu entwickeln, hat die PWÖ eben nicht mehr als eine Notlösung gefunden, indem sie auf vorhandene kontinuierliche Erhebungen zurückgreift und auf dieser Basis die PWÖ-Frequenzzahlen auf 13 Prozent «erinnerungswirksame Kontakte» heruntergewichtet.
Da es aber keine «wahren Reichweiten» gibt, ist das Ergebnis auch nicht falsch. Aber dies ist nicht der Königsweg. Dieser muss erst noch gefunden werden. Man kann ein Gewässer überqueren, indem man ein Floss baut oder Bretter zur Brücke zusammennagelt. Wirklich einmalig ist eben nur die Golden Gate Bridge.
Weltweit gibt es nur wenige zufrieden stellende Lösungen für dieses Problem. Aber es gibt einige. Die deutsche Plakat-Media-Analyse (PMA) hat ein Verfahren entwickelt, das auf Befragungsdaten über die «Erinnerung an zurückgelegte Wege» basiert und zu vernünftigen Werten führt. Es hat allerdings auch Schwächen, die dazu führten, dass Erinnerungswerte «validiert» werden mussten. Tatsächlich wurden empirisch gemessene Werte durch Kalibrierung korrigiert. Und Gewichtungen zur Korrektur empirisch erhobener Daten sind etwas grundsätzlich anderes als die gerechtfertigte Gewichtung beispielsweise von Sichtbarkeitsfaktoren. Immerhin hat sich das Modell in Deutschland dennoch so weit durchgesetzt, dass es wohl schon bald in die Media-Analyse (MA) aufgenommen wird.
Erinnerungswerte aus Befragungen haben sich international in der Plakatforschung als prekäre Informationen erwiesen. Das gilt selbst für Werte, die speziell für die Plakatforschung erhoben wurden. Und es gilt natürlich erst recht für Werte, die für einen ganz anderen Untersuchungszweck erhoben und in die spezifische Studie übernommen wurden.
Zwischen den Extremen – Postar und PWÖ – liegt die niederländische Buitenreclame 2000. Sie enthält Elemente der Einzelstellenbewertung und der Mobilitätsanalyse. Dazu verwendet sie Daten der offiziellen Verkehrszählungen der niederländischen Raumplanungsbehörde auf der Basis einer Stichprobe von jährlich 120000 Befragten. Aus diesen Zählungen kennt man in den Niederlanden jeweils den Anfangs- und den Endpunkt der zurückgelegten Wege – nicht jedoch den Weg selbst.
Da die Zählungsdaten über
das «Routenwahlverhalten» (route choice behavionr) der Bevölkerung nicht direkt für die Plakatforschung verwendet werden können, entwickelte das Marktforschungsinstitut Intomart ein Modell. Es basiert auf einer Stichprobe von 7000 Personen des Marktforschungsinstituts. Für die Personen in dieser Stichprobe werden nach einem komplizierten Verfahren Routen ausgerechnet, bei denen sie sich wahrscheinlich für den jeweils «leichtesten» Weg entscheiden. Einfacher: Aus den Verkehrsströmen der offiziellen Verkehrszählungen errechnet man Wahrscheinlichkeiten für Plakatstellenkontakte. Diese Wege werden alsdann in eine digitale Landkarte übertragen.
Die zum Zeitpunkt der Erhebung noch bestehenden fünf holländischen Plakatfirmen (heute sind es nur noch vier) trugen in diese digitale Karte ihre insgesamt 21000 Plakatflächen ein. Auf diese Weise konnten wahrscheinliche Wege der Passanten in Zusammenhang mit den tatsächlich vorhandenen Anschlagflächen gebracht werden. Da jeder, der an einer Fläche vorbeikommt, nicht automatisch und zwangsläufig Kontakt mit den darauf vorhandenen Plakaten hat, wurde in das Modell noch eine Reihe von Merkmalen zur Einzelstellenbewertung wie die Entfernung von der Strasse oder der Sichtwinkel aufgenommen. Auch für das niederländische Modell gilt also als Massstab die Kombination von Einzelstellenbewertung und Analyse des Mobilitätsverhaltens.
Sind die meisten holländischen Plakate unsichtbar?
Die Reichweite einer Anschlagstelle wird dabei als «Präsenz in der Strasse» definiert. Diese – nicht sehr überzeugende – Definition wurde schon in der ersten Summo-Buitenreclame-Studie von 1990 verwendet. Weil mit dieser sehr breit gefassten Festlegung jeder Mensch, der bloss an einer Plakatstelle vorüberkommt, in den Reichweitenwert eingeht, änderte man die Definition in der jüngsten Studie und berücksichtigte Sichtbarkeitsfaktoren. Das tat man durch Beobachtung.
Allerdings erweist sich das niederländische Sichtbarkeitsmodell als eine Farce, obwohl sich die Marktforscher dabei grosse Mühe gegeben haben. In einem Land wie den Niederlanden, wo jeder viel mit dem Rad unterwegs ist, stellt die Beobachtung der Sichtbarkeit von Anschlagflächen ein besonderes Problem dar. Fährt jemand eine Strecke mit dem Fahrrad, kann er beim Fahren nicht gleichzeitig Notizen über die «zichtbaarheid van buitenreclame» machen, ohne den Verkehr zu gefährden. Also liess man die Strecken per Tandem abfahren. Vorn sass der Beobachter und hinten notierte einer fleissig, was der Lenker vorne sah.
Um die Sichtbarkeit der einzelnen Plakatstellen zu erheben, trug man den Feldarbeitern des Intomart-Instituts auf, den aus dem Routenwahlmodell her bekannten Wegen nachzugehen oder nachzufahren und nach Plakatflächen zu suchen. Das ist ein extrem suggestives Vorgehen, das in keiner Weise der natürlichen Passage an Plakatflächen vorbei entspricht. Im Gegenteil.
Wer normalerweise durch die Strassen geht oder fährt, sucht nun einmal nicht nach Werbeflächen. Er hat anderes im Kopf, und Plakate gehören am wenigsten dazu. Doch das Erstaunliche war: Obwohl die Feldarbeiter ausdrücklich gehalten waren, nach Plakatstellen zu fahnden, gaben sie an, dass sie nicht mehr als
32 Prozent aller Stellen sehen konnten. Sind Hollands Plakate so raffiniert versteckt, dass man sie auch bei gezielter Suche nicht finden kann?
Nein, aber sehr viele von ihnen werden doppelseitig genutzt und stehen im Winkel von 90 Grad zu den beiden Verkehrsströmen einer Strasse, sodass man sie im Prinzip auch von beiden Seiten sehen kann. Doch nutzen die meisten Passanten stets nur die dem eigenen Verkehrsstrom zugewandte Seite.
Das ganze Sichtbarkeitsmodell der Holländer taugt also nichts. Wegweisend ist indes die Nutzung der jährlichen Verkehrszählungsdaten für die Herstellung digitaler Karten. Allerdings: In welchem zweiten Land der Erde gibt es alljährlich neue Verkehrszählungen, die sich für das Plakatnutzungsverhalten der gesamten Bevölkerung einsetzen lassen?
Daten über die Einzelstellenbewertung ergeben sich bei der Buitenreclame 2000 gewissermassen im Umkehrschluss. Da man ja über alle Informationen bezüglich Standort-, Stellen- und Sichtbarkeitseigenschaften jeder einzelnen Anschlagstelle verfügt, kann man mit Hilfe der Regressionsanalyse errechnen, in welcher Weise und in welchem Masse jeder einzelne Faktor zum Gesamterfolg der Stellen beiträgt – «könnte man», muss es heissen. Könnte man nämlich, wenn das niederländische Sichtbarkeitsmodell etwas wert wäre.
Erinnerungen an den
Blickkontakt mit dem Plakat
Lange schien es so, als hätte man in Deutschland mit der Plakat-Media-Analyse (PMA) den Stein der Weisen gefunden. Doch heute herrscht eher Skepsis. Die PMA ist eine Single-Source-Datei für Grossflächen, City-Light-Poster (CLP), Ganzsäulen und Allgemeinstellen, die zusätzlich auch Konsumgewohnheiten und -interessen erhebt – also eine durch Konsumdaten angereicherte Media-Analyse. Sie wurde 1994 vom Fachverband Aussenwerbung (FAW) in Auftrag gegeben, um der Mediaplanung personenbezogene Plakatnutzungsdaten zur Verfügung zu stellen und damit das Medium Plakat planbar zu machen. Die PMA ist heute das wichtigste Planungsinstrument für die strategische Rahmenplanung des Plakats in Deutschland. Es steht kurz davor, in die Media-Analyse aufgenommen zu werden.
Methodologisch basiert die PMA auf der von der Mathematikerin Gunda Opfer konzipierten «Plakatabfrage anhand erinnerter Wege» in einem persönlichen Interview mit Gedächtnisstützen. Neben Informationen über die Konsumgewohnheiten und -interessen in 40 Produktbereichen wurde auch eine kurze Abfrage der Fernsehnutzung eingegliedert, sodass insgesamt eine mehrdimensionale Planungsdatei entstanden ist, die Informationen über die Leistungsfähigkeit der klassischen Plakatwerbeträger mit weiteren Zielgruppenmerkmalen verknüpft.
Die PMA erfragt die Erinnerung an den Blickkontakt mit bestimmten Anschlagstellen anhand der zurückgelegten Hin- und Rückwege sowie von Teilabschnitten dieser Wege. Dabei wird von der Fragestellung ausgegangen, aus welchem Anlass die befragten Personen ausser Haus waren. Über die Anlasshäufigkeit, die zurückgelegten Hin- und Rückwege und die benutzten Verkehrsmittel werden erste Informationen zur Mobilität sowie zur Kontakthäufigkeit erhoben und die Erinnerung an bestimmte Teilabschnitte des Weges gestützt. Danach erfolgt die Abfrage der an den einzelnen Teilstücken erinnerten Werbeträger und die Zuordnung zu bestimmten Werbeträgerarten mit Hilfe von farbigen Abbildungen.
Leistungswerte gelten auch
für Teilbelegungen
Die PMA liefert alle für die Mediaplanung benötigten Leistungswerte für sieben Tage und für alle vorhandenen Plakatwerbeträger. Diese Leistungswerte lassen sich auf die Belegungseinheit Dekade, also auf durchschnittlich 10,5 Tage, hochrechnen. Da die Anzahl der Anschlagstellen einbezogen wurde, die eine Person gesehen hat, lassen sich die Leistungswerte auch für Teilbelegungen einer Werbeträgerart berechnen. In der Planung können für Vollbelegung oder Teilbelegung folgende Leistungswerte eingesetzt werden:
? Weitester Seherkreis (WSK): die Gesamtheit der Personen, die überhaupt eine Plakatanschlagstelle gesehen haben.
? Reichweite (in Prozent und in Millionen): alle Personen einer beliebigen Grundgesamtheit, die innerhalb der letzten Dekade mindestens einen Kontakt mit einem Werbeträger der jeweiligen Art hatten.
? Opportunity to see (OTS): die Anzahl der Kontakte, die eine erreichte Person durchschnittlich innerhalb der letzten Dekade mit einer Anschlagfläche hatte.
? Gross Rating Points (GRP): die Gesamtheit der erzielten Kontakte als Prozentwert. GRP sind ein Planungswert für Werbedruck und werden durch die Multiplikation von Reichweite (in Prozent) und OTS (Durchschnittskontakte) gebildet.
? Gesamtkontakte in Millionen: die Anzahl aller insgesamt erzielten Kontakte mit einer Plakatanschlagfläche in absoluten Zahlen.
? Tausendkontaktpreis (TKP) in DM.
Die zusätzliche Erhebung, ob ein Plakatkontakt am Wohnort des Befragten stattgefunden hat oder nicht, erlaubt eine Differenzierung von Kontakten am Ort und Pendlerkontakten. Alle Leistungswerte lassen sich mit dem Planungsprogramm PC-DAP-Plakat für alle in der Media-Analyse erhobenen demografisch und konsumspezifisch definierbaren Zielgruppen berechnen. Opfer sieht in der PMA lediglich ein «Instrument der Grobplanung».
Auch das PMA-Modell kann nicht alles erfassen
Die grosse Begeisterung der Mediaplaner ist einer ebenso grossen und wachsenden Skepsis gewichen. Ein hauptsächlicher Einwand richtet sich dagegen, dass die in der MA ausgewiesenen Plakatkontakte nur eingeschränkt für den Intermedia-Vergleich geeignet sind. Die Abfrage von ungestützt erinnerten Blickkontakten mit bestimmten Anschlagstellen entspricht in der Plakatwerbung dem Ausweis von Werbemittelkontaktchancen ohne Einbezug eines redaktionellen Anteils – der Kontakt ist also ausserordentlich hart definiert.
Eine vom Fachverband Aussenwerbung 1997 in Auftrag gegebene Validierungsstudie hat gezeigt, dass bei der «Plakatabfrage anhand erinnerter Wege» ein grösserer Teil der Passagefrequenz und auch der tatsächlich stattgefundenen Blickkontakte mit Anschlagstellen gar nicht erfasst wird. Dieser durch die angewandte Methodologie unvermeidliche «Underclaim» ist auch noch je nach Plakatwerbeträger unterschiedlich. Die Vergessensrate tatsächlich beachteter Stellen steigt mit der Anzahl der am Wege liegenden Anschlagstellen sowie auch mit der Länge der beschriebenen Wege und der Dichte der Plakatstellen.
Die PMA arbeitet also mit richtig erinnerten Leistungswerten, die lediglich 59 Prozent der tatsächlichen Passagefrequenz und 78 Prozent der tatsächlich beachteten und bekannten Anschlagstellen repräsentieren. Die MA weist also Kontaktwerte auf, die der tatsächlichen Werbeträgerleistung des Plakats nicht voll gerecht werden. Und je nach Anzahl und Dichte der Stellen sind Anschlagflächenarten teils mehr, teils auch weniger betroffen.
Konsequenz aus der Validierungsstudie: Die in der PMA ausgewiesenen, ungestützt erinnerten Kontakte werden nachträglich um die weiteren, ebenfalls beachteten, jedoch vergessenen Plakatkontakte «aufgestockt». Dazu wurde für Orte ab 100000 Einwohnern der Kalibrierungsfaktor 1,27 abgeleitet, um die tatsächliche Kontaktleistung der Plakatanschlagstellen zu errechnen. Im Durchschnitt weist die PMA rund 13 Prozent weniger Plakatkontakte aus, als tatsächlich stattgefunden haben. Gunda Opfer sieht das gelassen: Die «harten» empirischen Werte gehen «eher in Richtung Werbemittelkontakt», die validierten Werte «eher in Richtung Werbeträgerkontakt».
Schwarze Magie in der
Sozialforschung
Man kann das auch so sehen: Die Messgenauigkeit der PMA ist miserabel. Deutlicher kann man mit dieser wüsten Rechnerei nicht sagen, dass die empirischen Kontaktwerte der PMA nicht viel taugen. Auf jeden einzelnen Erhebungswert für Orte ab 100000 Einwohnern müssen noch einmal 27 Prozent des Originalwerts draufgesattelt werden. Dann kommt das Richtige heraus.
Diese Form der «Kalibrierung» jedoch ist etwas anderes als die «Gewichtung mit Sichtbarkeitskoeffizienten». Bei der Gewichtung liegen empirisch abgesicherte Erkenntnisse über die Sichtbarkeit und deren Beeinträchtigung einer Stelle vor. Die Gewichtung berücksichtigt also die tatsächlich bestehende reduzierte Sichtbarkeit einer Stelle. Die PMA-Kalibrierung jedoch ist die nachträgliche Korrektur eines Erhebungsfehlers. Mit anderen Worten: Die Erhebungsmethode führt zu unbestreitbar und unbestritten falschen Ergebnissen. Deshalb wird das Ergebnis korrigiert. Das ist die Übertragung der schwarzen Magie in die empirische Sozialforschung. Es ist der Versuch, mit untauglichen Mitteln eine Methode zu retten, die falsche Ergebnisse produziert.
In Stammländern ist
Plakatforschung bescheiden
Alle derzeit in Europa verbreiteten Modelle der Plakatforschung bewegen sich entweder unterhalb des methodologischen Niveaus dieser vier Modelle oder verwenden Variationen davon. Manche der Methoden, die sich unterhalb dieses Niveaus befinden, könnte man ohne zu zögern als Lachnummern abtun, wenn sie nicht in der konkreten Medienszenerie ihres Landes doch noch einigen Nutzen stifteten.
Nach Postar, PMA, PWÖ und Summo Buitenreclame 2000 sind in Europa Bemühungen im Gange, die Plakatforschung zu fördern. In Skandinavien entwickeln JCDecaux und die More Group (Clear Channel) einen neuen Ansatz, der rasch zu einer europaweit einheitlichen Plakatforschung führen könnte. Es scheint auf eine Adaptation des britischen Postar-Modells hinauszulaufen.
Dabei wird ein Grundmodul entwickelt, das für alle Länder identisch ist und je nach den nationalen Gegebenheiten modifiziert wird. In der Schweiz haben sich die beiden Plakatgesellschaften APG und Plakanda/AWI zusammengefunden, um einen neuen Ansatz für die Forschung zu finden, der im Grossen und Ganzen im europäischen Trend liegt und über Stellenbewertung und Mobilitätsanalyse wohl zu einem integrierten Modell führt.
Merkwürdig, dass die Plakatforschung ausgerechnet in den Stammländern der Aussenwerbung auf bescheidenem Niveau geführt wird. In der Schweiz sind wenigstens Bemühungen im Gange, den veralteten A-Wert durch einen zeitgemässeren Ansatz zu ersetzen.
Neuere Ansätzein der Plakatforschung
Nach dem ersten Teil der Serie (WW 44/00) über Grundprobleme der Aussenwerbewirtschaft werden im zweiten Teil Vor- und Nachteile neuerer Ansätze beschrieben, insbesondere die österreichischen, deutschen und niederländischen Forschungsmodelle.
Der Trend geht zur technischen MessungDer Trend bei den moderneren Verfahren der Mobilitätsanalyse geht eindeutig weg vom «Königsweg» der klassischen empirischen Sozialforschung – der Befragung – und hin zur Beobachtung durch technische Messung. Das hat vor allem zwei Gründe, von denen jeder einzelne ziemlich überzeugend klingt. Erstens: Beobachtung durch technische Messung ist ein Verfahren auf demselben Genauigkeitsniveau, wie es die Zuschauerforschung oder neuerdings auch die Hörerforschung praktiziert.
Die wahren Probleme entstehen zwar jenseits der Messgenauigkeit durch die Geräte, aber das hat der Akzeptanz bislang keinen Abbruch getan. Zweitens: Mit der technischen Messung mit Hilfe von Verfahren wie dem Geographical Positioning System (GPS) gibt es im Bereich der Plakatforschung bislang nur wenige – positive oder negative – Erfahrungen. In der Navigation hat es sich indes bewährt. Bis heute wird die Technik nur beim britischen Postar eingesetzt. Man weiss also bislang sehr wenig über die Tücken des Systems in der Mediaforschung. So lange darf man hoffen, dass es vielleicht funktioniert.

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