RTL9 schmiedet grosse Pläne in der Romandie

Der erfolgreiche französische TV-Mann Claude Berda will den Westschweizer TV-Markt aufmischen

Der erfolgreiche französische TV-Mann Claude Berda will den Westschweizer TV-Markt aufmischenWas seit einiger Zeit vermutet wurde, ist Gewissheit geworden: der französische TV-Sender RTL9 will ein Schweizer Programmfenster. Ein Konzessionsgesuch liegt beim Bundesamt für Kommunikation – chancenlos ist es nicht.Als kürzlich das Konzessionsgesuch von RTL9 deponiert wurde, ging in der Romandie das grosse Rätselraten los: RTL9 – Wer ist das? Die Luxemburger RTL-Gruppe ist es nicht mehr. Sie hat vor einiger Zeit die Aktienmehrheit an eine französische AB Groupe verkauft. Nur: Unter AB Groupe ist im Genfer Telefonbuch nur eine im Agro-Business tätige Dienstleistungsgesellschaft verzeichnet – und so nahrhaft ist nun RTL9 auch wieder nicht.
Schliesslich treibt die WerbeWoche den AB-Hauptaktionär Claude Berda in seinem Genfer Wohnsitz auf. Der gibt sich aber zugeknöpft: Einstweilen gebe es zum Konzessionsgesuch nicht viel zu sagen. Die WerbeWoche möge doch noch eine Woche zuwarten, dann «mache ich Ihnen einen schönen Artikel». Und zum Abschied: «Je vous rappellerai» (Ich werde zurückrufen.)
Weil nun die WerbeWoche nicht warten will, hat man sich anderswo erkundigt. Der Franzose Claude Berda hat sich zuerst als TV-Produzent einen Namen gemacht, in den letzten Jahren aber auch grosse Mengen von TV-Konserven zusammengekauft.
Seine AB Groupe, die er zusammen mit einem Partner namens Azulai gegründet hat, produzierte mit der französischen TV-Nurse vom Dienst, Dorothée, erfolgreiche TV-Sendungen für Kinder und Heranwachsende.
Ein nicht zu unterschätzender Einstieg in der Westschweiz
Seit einiger Zeit ist Berda Besitzer der französischen TV-Kette RTL9, die lange Zeit in Frankreich ein Mauerblümchendasein fristete, seit Berdas Einstieg aber schwarze Zahlen schreibt. Der Sender bietet vor allem Konserven an, produziert aber auch eigene Sendungen – etwa mit dem etwas verblichenen französischen Ex-Fussballmanager (Olympique Marseille), Ex-Parlamentarier und Ex-Minister Bernard Tapie.
Nun will RTL9 der Romandie ein sprachregionales Programm- und Werbefenster anbieten, nachdem es bereits schon mal in welschen Kabelnetzen präsent war. Vier Redaktionsstellen sollen für die Helvetisierung des Senders und für die Produktion eines täglichen, halbstündigen Newsmagazins genügen.
Ein Sendebudget von rund 600000 Franken ist bescheiden. Dennoch ist RTL9 nicht zu unterschätzen. Berda hat in Frankreich bewiesen, dass er ein Geschäftsmann ist, der etwas vom TV-Geschäft versteht. Zudem sind die welschen TV-Konsumenten empfänglich für französische Kost.
In der Chefetage der Télévision Suisse Romande (TSR) wird die Offensive darum durchaus ernst genommen – zumal TV-Programmdirektor Raymond Vouillamoz seinen neuen Konkurrenten gut kennt, da er – wie im TSR-Hochhaus gern eingeräumt wird – gute Geschäftsbeziehungen zur AB Groupe unterhält. «Gute Profis», urteilt man im TSR-Hochhaus am Quai Ernest-Ansermet über Berda und Co.
TSR-Generaldirektor Guillaume Chenevière, der in Erwartung von Ringier-Kapitän Gilles Marchand noch das TSR-Ruder hält, hatte im Gespräch mit der WerbeWoche geradezu honigsüsse Worte für RTL9 übrig.
Konkurrenz sei immer heilsam. Die TSR gedenke keineswegs, sich gegen das Konzessionsgesuch zu stellen. Letzteres habe gute Chancen: «Wir haben ein sehr liberales TV-Gesetz und das ist gut so».
Auf unsere Bemerkung, wir hätten Monsieur Chenevière auch schon kämpferischer erlebt, sagt der gestandene TSR-Chef, das Konzessionsgesuch sei doch geradezu eine Hommage an die TSR: «Wir haben den welschen TV-Werbemarkt attraktiv gemacht.» Er glaube aber nicht, dass sich RTL9 ein grosses Stück des welschen TV-Werbekuchens (rund 100 Millionen Franken) unter den Nagel reissen könne.
Einstweilen steht aber die Konzession für RTL9 noch aus. Nach Auskunft des Bundesamtes für Kommunikation dürfte es etwa ein halbes Jahr dauern, bis der Bundesrat über das Gesuch entscheidet. Sollte der Entscheid positiv ausfallen, wird die TSR mit turbulenteren Zeiten rechnen müssen. Zumal nicht nur RTL9, sondern auch das mit Edipresse verbandelte Star-TV und andere Konkurrenten Appetit auf den welschen Werbekuchen verspüren.
Christophe Büchi

Weitere Artikel zum Thema