Das Lamm im Wolfspelz

Frank Bodin landet bei der Wahl zum Werber des Jahres 2000 auf Platz drei

Frank Bodin landet bei der Wahl zum Werber des Jahres 2000 auf Platz dreiVon Ernst WeberSeit Frank Bodin 1996 als Creative Director zum Genfer Ableger der Werbeagentur McCann-Erickson stiess, gewinnt die Agentur an nationalen und internationalen Wettbewerben Auszeichnung um Auszeichnung. Mit dieser Leistung erreichte der ehemalige Musiker bei der Wahl zum Werber des Jahres 2000 die dritthöchste Stimmenzahl.
«Mein Ego fühlt sich schon etwas gebauchpinselt, doch meine Nomination zum Werber des Jahres 2000 zeichnet eher die Agentur McCann-Erickson, Genf, aus als mich», sagt Frank Bodin, der sich nicht so sehr als Einzelkämpfer und die Werbung nicht als Tummelplatz für falsch verstandenes Heldentum begreift. Die Entstehung guter Kampagnen sei eine konzertierte Aktion. Kein CD könne alles, deshalb habe man schliesslich eine Agentur im Rücken. Nur gemeinsam könne man erfolgreich sein, meint der 38-Jährige.
Frank Bodin wollte nie in der Werbung landen. 1989 rutschte er dennoch hinein, durch Zufall und unter dem Motto «Was ein Jean Etienne Aebi, ein Andy Steiner oder Reinhold Weber können, das kann ein Frank Bodin schon lange.» Diesen Eindruck hatte der damalige Musiker und Jurastudent auf diversen Szenepartys und einem ADC-Fest gewonnen, zu denen er seine Freundin begleitete. Aus seinem künstlerisch- und universitär-elitären Blickwinkel kam ihm die Werbung primitiv vor. Doch Bodin war Werkstudent. Als Kursreporter an der Börse verdiente er zwar nicht schlecht, lukrativer war es aber, für die Werbung zu texten.
Als Frank Bodin die Partituren beiseite legte und Texter wurde
Sein erstes leichtes Geld verdiente Frank Bodin mit drei Anzeigen, die er im Auftrag von Edgar Iten für das Grand Hotel Viktoria Jungfrau in Interlaken schrieb. Diese erste Freelancearbeit trug ihm auch gleich die erste Auszeichnung des Art Directors Club Schweiz (ADC) ein, nämlich einen Bronzewürfel. In der Folge freelancte der Quereinsteiger bei Andy Steiner, dem Werber des Jahres 1988, der damals unter anderem die Mandate IWC und LNN betreute. Von ihm lernte er, grosse Mengen an Arbeit zu bewältigen.
Als Frank Bodin Vater von Zwillingen wurde, entschied er sich, die Partituren zugunsten einer sichereren Existenz beiseite zu legen und den Klavierstuhl gegen einen Texterstuhl einzutauschen, der bei GGK, Küsnacht, frei geworden war. Sieben Monate arbeitete er bei Hermann Strittmatter, danach nahm er eine vakant gewordene Texterstelle bei Aebi & Partner an.
In diesem komplexen Agenturgebilde kam ihm eine Erfahrung zugute, um die er in der GGK «Strittis» reicher geworden war: dass man nämlich seine Persönlichkeit sehr radikal ausleben, einbringen und einem Kunden auch einmal Nein sagen kann. Opfer für Dinge zu bringen, an die man glaubt, «ein Lamm im Wolfspelz zu sein» und analytisch-taktisches Vorgehen brachte ihm Jean Etienne Aebi, sein dritter Coach, bei. Über dessen Schule sagt Frank Bodin mit Bert Brecht: «Jean Etienne war ein schlechter Lehrer, es war eine gute Schule.»
Ohne Disziplin ist der genialste Einfall verlorene Mühe
«Kaum sind dir bei Aebi ein paar nette Kampagnen gelungen, gehst du in die Werbeprovinz, um den grossen CD zu spielen», spöttelten nicht wenige Kollegen, als sich Frank Bodin nach Genf orientierte. Er freilich war überzeugt davon, dass «starke Werbung in Genf genau so gut entstehen kann wie in Zürich, São Paolo, New York oder Bümpliz.»
Die Richtigkeit seiner Ansicht stellte sich bereits drei Monate später heraus: durch eine erste Auszeichnung, die der Agentur für einen Auftritt verliehen wurde, den sie für Elnapress konzipiert hatte.
Einen genialen Einfall erkennt Frank Bodin etwa daran, dass er sich ärgert, weil er nicht von ihm stammt oder wenn er sagen kann: «Das habe ich noch nie gesehen.» Weiteren Aufschluss gibt ihm die Intensität der Aura einer Umsetzung.
Ausserdem bewertet er eine Idee rational anhand einer ZehnPunkte-Checklist und im Wissen, dass eine gute Kreation in der Regel zu etwa 10 Prozent aus Intuition und zu etwa 90 Prozent aus Transkription besteht, das heisst aus Arbeit.
«Disziplin habe ich durch die Musik gelernt: Wenn man sich hinsetzt und ein Stück zu spielen beginnt, bedarf das hundertprozentiger Konzentration», sagt Frank Bodin, der Mitglied des Weltjugendorchesters war und unter anderem mit der Berliner Philharmonie konzertiert hatte.
Diese hundertprozentige Konzentration legt er auch als Creative Director an den Tag, wenn er über eine Strategie oder über ein Konzept nachdenkt. Obwohl Frank Bodin mittlerweile mit über 200 nationalen und internationalen Auszeichnungen überschüttet wurde und anzunehmen ist, dass der Preisregen wohl noch lange anhalten wird, darf man ihn nicht zu den Werbern zählen, die permenant an einer Überschätzung ihres eigenen Wirkens leiden und fehlendes Selbstbewusstsein mit materiellen Gütern kompensieren müssen. «Wir tun einen äusserst bescheidenen Job, wir sind lediglich Dienstleister
im Räderwerk der Wirtschaft», meint der Cannesjuror des vergangenen Jahres.
Die Schweiz kann sich als
Werbeland profilieren
Als eloquenter Botschafter der Schweizer Werbebranche im Ausland plädiert Frank Bodin vehement für ein Konzept zur Förderung des Ansehens der Schweizer Werbekultur als internationale Marke, das die hiesige Werbeindustrie gemeinsam erarbeiten soll.
In ähnlich kleinen Werbeländern wie etwa Holland, Norwegen oder Schweden würden zwar mehr Agenturen als in der Schweiz durchgängig auf internationalem Niveau agieren, meint der Creative Director, der zuweilen zur Feder greift, um seine Meinung kundzutun. Gleichwohl habe die Schweiz durch ihre Lage im Herzen Europas und die durch ihre Mehrsprachigkeit bedingte multikulturelle Anlage sehr gute Voraussetzungen, paneuropäische und multinationale Kampagnen zu entwickeln.
«Wir brauchen unser Licht nicht unter den Scheffel zu stellen. Die Werbung sieht hier nicht schlechter aus als anderswo», sagt Frank Bodin, dessen Werbung freilich ein glänzendes Aushängeschild für die Schweizer Werbekultur ist.

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