Der gelungene Flug des Bumerangs

Einführung ins Corporate Branding oder die Geschichte des Logos für die Olympischen Sommerspiele in Sydney

Einführung ins Corporate Branding oder die Geschichte des Logos für die Olympischen Sommerspiele in SydneyVon Werner Catrina Die australischen Ureinwohner, die Aborigines, lieferten mit ihrem Bumerang das Signet für die Olympischen Spiele. Für das gesamte Image-System der Olympischen Sommerspiele in Sydney zeichnet FHA Image Design.
«Die Ironie ist, dass eine Melbourner Designfirma das Logo für die Olympischen Sommerspiele in Sydney entwarf», schreibt die Zeitung The Australian. Das tönt etwa so, wie wenn eine Zürcher Agentur das Logo für die Basler Mustermesse entworfen hätte; zwischen den beiden australischen Metropolen herrscht seit jeher Rivalität. Eine rennende Figur, komponiert aus drei Bumerangs, darunter der Schriftzug Sydney 2000, zeigt das Logo für die kommenden Olympischen Sommerspiele, die vom 15. September bis am 1. Oktober die ganze Welt in Atem halten werden.
«Kommen Sie doch am Mittwoch nach der Arbeit vorbei, wir trinken ein Glas Wein», erklärt Richard Henderson spontan, als ich ihn aus dem Hotel in Melbourne anrufe. Der Group Design Director von FHA Image Design wirkt so, als ob er viel Zeit hätte; dabei beschäftigt die Firma, die er mit zwei Partnern leitet, sechzig Personen.
FHA musste zweimal für das Logo antreten
Abends um sechs wirkt das Atelier an der 123 Rosslyn Street in West Melbourne noch wie ein Bienenhaus, und die iMacs schimmern in allen Farben in den grossen Räumen des umgenutzten alten Lagerhauses aus Backsteinen. Henderson, in den Vierzigern, holt den Journalisten aus der Designhochburg Switzerland beim Empfang ab und führt ihn in das dezent mit letzter Hightech bestückte Besprechungszimmer mit den Ausmassen einer Loft.
Vor 20 Jahren gründeten Trevor Flett (Creative Director, Marketing Strategist), Richard Henderson (Group Design Director, Design Strategist) sowie Jeff Arnold (Production Director) das Unternehmen. Die drei Anfangsbuchstaben der Familiennamen ergaben das Firmenkürzel, das man beibehielt, auch wenn sich inzwischen in der Führungsriege eine Änderung ergeben hat.
Die Melbourner Designfirma hatte vor Jahren bereits den Wettbewerb für die Kampagne gewonnen, mit dem Sydney gegen die andern Olympiabewerber die Spiele gewann. Mit diesem Bonus begab sich das Team unter der Leitung von Richard Henderson erneut in die Arena, um das Logo für die Olympischen Sommerspiele zu schaffen.
Der relaxed wirkende Design Director lässt auf dem Grossbildschirm ferngesteuert Kaskaden von Entwürfen Revue passieren. «Die ersten Skizzen erfolgen immer auf Papier», erklärt er, «denn die Qualität der Linien ist am besten auf Papier; am Computer optimieren und retuschieren wir, bis der Entwurf sitzt.»
Ins Rennen ging FHA mit einem sehr klaren Logo, das den Schriftzug Sydney 2000 verschränkt mit den olympischen Ringen mit einer stilisierten Hand darüber zeigt. Dieses Logo siegte, doch einige Tage später teilte man dem perplexen FHA-Team mit, man müsse den Wettbwerb neu auflegen, weil der Vorschlag einem Jurymitglied missfalle.
Designer inspirierten sich an der Musik der Aborigines
Wohl oder übel kniete sich FHA mit vier weiteren eingeladenen Agenturen nochmals in die Arbeit. «Wir sagten jetzt erst recht: Das ist eine Herausforderung, die wir gewinnen wollen!», erinnert sich Henderson. «Mein Team arbeitete nachts am Olympia-Logo und tags an anderen Jobs.»
Das halbe Dutzend beteiligter Graphic Designer pflasterte die Wände mit australischen Sujets voll, hörte Musik der Aborigines; von den Ureinwohnern verzierte Steine und andere Gegenstände stellte man zur Inspiration neben die Bildschirme.
«Wir wollten Ursprünglichkeit und Energie», erklärt Richard Henderson, «und wir wollten ein Logo, so einfach, dass man es in den Sand zeichnen kann.»
So destillierte sich der rennende Athlet, komponiert aus den Bumerangs, heraus, womit FHA erneut alle andern Kontrahenten ausstach. Kritiker merken allerdings an, dass die an den Rand der australischen Gesellschaft gedrängten Aborigines sozusagen als Feigenblatt herzuhalten hätten. Ja sogar, es sei zynisch, ausgerechnet ein Symbol der Ureinwohner zum Logo von Olympischen Spielen in Australien zu missbrauchen.
Einer der Gründe für den erneuten Sieg war, dass FHA eine umfassende Lösung schuf, den «total Brand». Das Image-System umfasste die gesamte Palet-te vom Plakat über das Logo für die Sponsoren bis zum T-Shirt und zum Olympia-Einkaufssack. «Ich bin stolz, diesen Prozess aufzuzeigen», erklärt Richard Henderson, «dahinter stecken Schweiss und Tränen, aber auch Glücksgefühle. Einige Mitarbeiter verschoben ihre Ferien, riskierten durch ihre nächtlichen Einsätze gar ihre Beziehungen.»
Als böses Zwischenspiel kam aus heiterem Himmel eine Klage, FHA Image Design habe die Idee mit den Bumerangs bei der Konkurrenz abgekupfert. «Für fast ein Jahr waren wir draussen», erinnert sich Henderson, «doch dann waren die Vorwürfe entkräftet, man rief uns wieder und wir konnten weiter arbeiten.»
Zum Logo mit dem rennenden Mann schuf FHA noch eine zweite Ebene: fünf Ringe, die sich im Wasser spiegeln als Signet für das olympische Sydney, eine von Wasser umgebene Stadt. Diese leicht verschwommenen Ringe sind schon lange vor den Spielen in Sydney allgegenwärtig, sie erscheinen als Signet in Zeitungsberichten, flattern auf Fahnen und Halstüchern und werden wohl für immer zur Corporate Identity der Stadt gehören.
Image Guidelines als Bibel fürs Merchandising
Als erste Agentur in der Geschichte der Olympischen Spiele gestaltete FHA zuerst die Kampagne für die Ausscheidung, die zum Sieg Sydneys als Olympiastadt führte; dann Logo und Image-System für die Olympischen Spiele und auch für die Paralympics, die anschliessend an die Sommerspiele stattfinden.
Das Image-System kommt in einem dicken Buch, dem «Image Guidelines» daher; vorherrschend sind klare, kräftige Farben. Henderson beschreibt die Arbeit für Olympia als Marathon, wo man nicht zurück, sondern nur nach vorne blicke. «Wir haben so viel Zeit investiert, weil wir der Welt zeigen wollen, was wir können.»
Sechs Personen arbeiteten am Olympia-Logo und am ganzen Spektrum seiner Anwendung, wobei jedes einzelne Design immer «durch mehrere Hände geht», wie es Henderson ausdrückt. Das Budget für den Auftrag sei knapp, erklärt er, ohne Beträge zu nennen, doch am Ende werde sich der Einsatz für FHA bezahlt machen.
Trotz zunehmenden internationalen Wettbewerbs und rasanter weltweiter Vernetzung ist Richard Henderson überzeugt, dass bestimmte Grundprinzipien nach wie vor gelten. Dazu gehören «Hingabe, Geduld, Durchsetzungsvermögen, Humor und natürlich die Gottesgabe der Kreativität».
50 internationale Sponsoren werfen eine Milliarde Aussie-Dollar, wie die einheimische Währung hier genannt wird, auf und erwerben damit das Recht, ihre Produkte mit dem Logo zu schmücken. Einheimische Sponsoren pumpen eine weitere halbe Milliarde in das Grossereignis, bei dem das Global Village mitfiebern wird.
«Was wir gemacht haben, ist ein Global-Brand-Image-Projekt von gewaltigen Dimensionen», sagt der Group Design Director, «unsere Strategie umfasst alle Ausdrucksformen von Verpackung über Anzeigen und Sponsoring zu TV und Piktogrammen bis hin zu den Uniformen.»
«Unsere Arbeit für die Olympischen Spiele hilft zu zeigen, dass Design wirklich Mehrwert für die Kunden schafft», hält Richard Henderson beim Hinausgehen fest, «wir machen kein l’art pour l’art, der kreative Prozess ist letztlich immer mit dem Business verknüpft. Aber wir empfinden immer noch den gleichen Thrill wie vor 20 Jahren!»
Ob er so viel Feuer wegen des Nachruhms entfache, frage ich Henderson noch. Er blickt mich überrascht und belustigt an: «Unsere Arbeit ist nicht fürs Museum! So ist es halt, wir wissen, dass alles, was wir machen, früher oder später im Abfall landet.»

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