Heute wird das anders gesehen

Die Veranstaltung Young Pioneers wirft einen Blick auf visuelle Trends

Die Veranstaltung Young Pioneers wirft einen Blick auf visuelle TrendsVon Bruno Amstutz Unsere Sehgewohnheiten haben sich unter dem Einfluss neuer Medien entscheidend gewandelt. Die Grenzen zwischen Kunstobjekten und Konsumgütern, zwischen elitärer Hochkultur und massentauglicher Unterhaltung verschwimmen zunehmend.
In dieser Grauzone suchen kreative Köpfe einen neuen Umgang mit visueller Wahrnehmung, Brands und Images. Drei junge Pioniere stellt das Gottlieb-Duttweiler-Institut zusammen mit der Trendagentur Pepper am 7. Juni vor.
Offene Grenzen fördern die Verbindung verschiedener Einflüsse zu einem neuen Ganzen. Mit den Lounges Substrat, Granulat und Stratos sucht Philipp Meier einen Grenzgang zwischen Galerie, Installation, Bar, Nachtclub und Konzertbühne.
Im Substrat, bis vor kurzem im Rohstofflager auf dem Escher-Wyss-Areal beheimatet, trugen Elektrotüftler ihre Klangexperimente vor, projizierten Videokünstler ihre Kreationen und kramten DJs unbekannte Scheiben aus der Plattenkiste – alles am gleichen Abend. Das Granulat funktioniert nach einem ähnlichen Konzept, Stratos ist ein Club im Club. «Das Kino ist mir zu linear, und an Konzerten fühle ich mich oft unterfordert», begründet Meier seine Suche nach neuen Formen des Nachtlebens. «Ich möchte die Leute nicht bevormunden, sondern mit optischen und akustischen Reizen eine Umgebung schaffen, in der jeder seine eigenen Bilder erzeugen kann.» Sich selbst sieht er als Kurator, der den Künstlern, DJs und Musikern eine Plattform bereitstellt, wo sie sich ohne einschränkende Vorgaben entfalten können.
Die Vielschichtigkeit von Meiers Events wird auch vom Publikum goutiert: Die Lounges ziehen Gäste aus allen Richtungen an – von Kunstliebhabern über Partyvolk bis zu Musikfreaks.
Black Box and White Box – die Kunst kommt vom Sockel
«Philipp Meier bespielt die Black Box des Nachtclubs, ich bespiele die White Box des Museums», erklärt Rein Wolfs, Kurator des Migros-Museums für Gegenwartskunst. Er und Meier kennen sich von Koproduktionen sowohl im Substrat als auch im Migros-Museum.
Auch Wolfs sieht die Verwischung klassischer Grenzziehungen: «Die Kunst ist vom Sockel gekommen. Sie löst die Spannung zwischen High und Low, zwischen Hoch- und Massenkultur auf.» Während sich die Kunst spielerisch gibt, nimmt sich zum Beispiel die Werbung selbst immer wichtiger. «Die Kunst könnte in Zukunft auch in Gebiete gehen, welche die Werbung schon betreten hat», meint Wolfs. Beispielsweise die Esoterik-Schiene, auf der die Werbung des Mobilnetzbetreibers Orange fährt.
Kunstvorstellungen sind aber immer auch Realitäts- oder eben Wahrnehmungskonzepte. Oder wie es der Kurator ausdrückt: «Kunst ist bis zu einem gewissen Grad auch Lifestyle.»
Wo alte Kunstformen ihre Stellung einbüssen, können sich neue im Windschatten der neuen Medien etablieren. Eine Plattform dafür bietet Conny E. Voester als künstlerische Leiterin der VIPER. Das internationale Fes-tival für Video, Film und neue Medien gilt als wichtigstes Medienkunstfestival der Schweiz. «Die VIPER verfolgt ein grenzüberschreitendes Konzept», erläutert Voester, «wir sind flexibel und können auf aktuelle Entwicklungen eingehen.»
Netzkunst wird erst erfunden
Eine spezifische Netzkunst wird ihrer Meinung nach zurzeit erst erfunden. Doch als Kunstform grenzt sie sich mit der klassischen Definition von der Massenkultur ab: Kunst soll kritisch hinterfragen und irritieren, sie kann utopische Räume schaffen und entzieht sich dem leichten Konsum.
An der VIPER begegnen sich Techniker, Fachleute vom Kunstmarkt und interessierte Jugendliche. Diese sind es vor allem, die durch den spielerischen Umgang mit Internet und Videogames auch neue Sehgewohnheiten entwickeln.

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