«Die ASW ist agil und forsch»

Geschäftsführer Karl Heinrich von Grote über Branchenverbände und Philosophie

Geschäftsführer Karl Heinrich von Grote über Branchenverbände und PhilosophieNach langjähriger Tätigkeit für den Branchenverband tritt ASW-Geschäftsführer Erik Sörensen auf die kommende GV zurück. Sein Nachfolger heisst Karl Heinrich von Grote, ist promovierter Physiker und diplomierter PR-Berater. Er setzte sich gegen rund 70 (!) Mitbewerber durch und will die ASW weiter vorwärts bringen.Herr von Grote, haben Sie vor, die Politik Ihres Vorgängers, Erik Sörensen, in wesentlichen Punkten zu ändern?
Karl Heinrich von Grote: Nach vier Monaten an Bord kann ich nicht sagen, ich würde die ASW in allen wesentlichen Aspekten kennen. Meine Sicht der Dinge ist durch die Einführung von Erik Sörensen geprägt. Mit der Zeit wird sie an Eigenständigkeit gewinnen. Dabei werden sich die Schwerpunkte gegenüber den vorhergehenden Jahren sicher verschieben. Die Grundstruktur der ASW-Geschäftsführung sind aber nach wie vor das Erkennen und Befriedigen der Mitgliederbedürfnisse, die Beziehungspflege zu befreundeten Branchenverbänden und das Herausheben der eigenen Identität und der Stärken der ASW.
Was hat Sie dazu bewogen, sich um den Job des ASW-Geschäftsführers zu bewerben?
von Grote: Im Wechsel der Managementtrends in Grossfirmen wurde einmal mehr die Forschungsabteilung aufgelöst, deren PR-Mann ich war. Frühzeitige Pensionierung hiess das Verdikt. Gleichzeitig fahndete die ASW für ihre Geschäftsführung nach einer Person mit Erfahrung, Elan und realistischen Ansprüchen. Das erste Gespräch mit dem Präsidium zeigte eine herausfordernde Aufgabe, mit der ich mich identifizieren konnte und wollte: Profilierung durch persönlichen Einsatz und konsequentes Agieren. Jetzt, da ich die Aufgaben hier näher kenne, sehe ich, es stimmt: Ich habe eine fantastische Chance und anspruchsvolle Aufgabe hier. Und die Menschen der zugehörigen Umgebung sind prima. Die Chemie stimmt, und es stehen zweckdienliche Erwartungen im Raum.
Sie haben sich also mit den Stimmführern der ASW zusammengefunden – aber hoffentlich nicht, um sich als stiller Funktionär auf fremde Kosten einen bequemen Lebensabend zu gönnen…
von Grote: Nun, beim Ritt auf dem Tiger darf man nicht hinunterfallen. Dieses Vergnügen ist nichts für Bequeme. Lebensabend ist willentliche Gestaltung, neuer Aufbruch aus alten Zwängen, kreatives Sehen, wo das Leben geschieht, sich Unbequemes und Neues zumuten. Das finde ich beim Hochseesegeln und bei der ASW.
Wo sehen Sie die Rolle eines Branchenverbandes wie der ASW, also eines Verbandes von KMU, neben dem BSW, dem SDV, dem SWA, der IGMA, dem Sawi, der IGEM, der SUISA, aber auch innerhalb der SW? Können Sie alle diese Abkürzungen dechiffrieren, ohne nachzudenken?
von Grote: Nein, noch nicht alle! Das Gedächtnis braucht Ankerpunkte, also Erlebnisse, Vernetzungen, Affekte. Das Sawi kenne ich als Gastgeber der PR-Ausbildung des SPRI in Biel. Beim BSW, der SW und dem SWA kenne ich bereits die Geschäftsleiter beziehungsweise die Geschäftsleiterin und beginne, die Gemeinsamkeiten und die Differenzen zu erkennen. Zur Rolle der ASW: Sie will nicht ein klassischer Brachenverband sein, sondern eben eine Allianz. Die Differenzierung gegenüber dem BSW ist nicht mit «klein und mittel» erledigt. Das Ranking der Agenturgrössen von BSW und ASW zeigt einen breiten Überlappungsbereich. Die ASW stellt das spezifische Engagement der von ihren Inhabern selbst geführten Agenturen in den Vordergrund. Das macht die KMU-Qualität aus und die ASW-Agenturen für KMUs wiederum besonders attraktiv. Die ASW hat nicht die Beschwerlichkeit der Würde, sondern ist agil, forsch, risikobereit und sehr aufmerksam nach innen und nach aussen. Sie hat einen Part im Konzert der Verbände, aber nicht denjenigen der Pauke.
Was könnte die ASW durch ihre Tätigkeit bewegen, im Schweizer Werbebusiness oder in der Politik?
von Grote: Warum der Konditional in Ihrer Frage? Die ASW bewegt bereits eine Menge. Viele gemeinsame Arbeitspapiere des BSW, SWA und der ASW tragen die Handschrift auch der ASW. Die ASW puscht durch beispielhaftes Vorreiten etwa die Internetauftritte von Verbänden. Die ASW hat mitgezogen bei den Kampagnen gegen unnötige Werbeeinschränkungen. Die ASW ist bei Ausbildungsinstitutionen der Branche personell beteiligt, namentlich beim Sawi.
In Ihrem Curriculum ist eine Karriere in Industrie- und Hightech-Betrieben aufgeführt. Sie hatten hoffentlich nichts mit Gentechnologie oder verwandten Anwendungen zu tun?
von Grote: Ich sehe das differenziert: Jetzt ist Gentechnologie der Inbegriff des Bösen. Zuvor war es die Atomtechnik, und noch früher waren es die Erkenntnisse Galileis. Warten wir ab, was daraus wird. In jedem Fall ist der Mensch sein eigenes Projekt, in der Erziehung, der persönlichen Entwicklung, in Philosophie, Soziologie und Politik, in Wissenschaft und technischer Anwendung. Wenn es nicht mehr um den Menschen und die ihn hervorbringende Natur geht, dann ist das Böse nicht fern. Meine Karriere: Elektronen- und Laserstrahlen für Materialbearbeitung und Laser für die Ophthalmologie waren mein Thema, bevor ich mich neu ausrichtete und in die Telekommunikation wechselte.
In welchem Alter machten Sie Ihre Ausbildung zum PR-Berater? Was bewog Sie dazu, nachdem Sie schon einen Doktortitel in Physik Ihr Eigen nannten?
von Grote: Erik Herzog war gerade dabei, das SPRI zu übernehmen, als ich den PR-Berater machte. Ich war so gegen Mitte 50, zehn Jahre älter als der Nächstälteste in der Klasse und fast eine Generation älter als der Schnitt der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Ich war durchaus nicht der einzige mit Studium und Doktortitel in der Klasse. Jetzt ist Erik Herzog Kollege in der Bürogemeinschaft SPRI-ASW. Zu meiner Motivation: Das Leben ist Lernen, und die Halbwertszeit der Aktualität meiner Physikkenntnisse war längstens überschritten.
Geben Sie mir ein Beispiel, wie Sie ihre Losung «Kultur heisst Hege und Pflege im Gegensatz zu Macht und Gewalt» umgesetzt haben wollen.
von Grote: «Kultur ist Hege und Pflege» ist eine Tautologie. Nur hat das Wort Kultur heute eine andere Konnotation. Ich will damit auf die ursprüngliche Bedeutung durch die Abgrenzung gegenüber Macht und Gewalt hinweisen. Kultur ist nicht immer nett und empathisch. Sie soll bestimmt sein. Ein Beispiel: Einen Markt mitsamt seiner Vielfalt und Konkurrenz hegen und pflegen heisst, ihn nicht mit zig Werbemillionen oder Fusionen zu monopolisieren und zu vereinheitlichen. Oder Wirtschaftsstandorte mit deren Lebensqualität nicht durch Abbau der Kaufkraft, der Karrieremöglichkeiten, der Ausbildungs- und Kulturangebote veröden zu lassen. Interview: Beat Fritsch

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