Grüsse aus dem Homeoffice – Folge 10: Michael Kamm, Agence Trio

In der zehnten Folge unserer Serie «Grüsse aus dem Homeoffice» bewegen wir uns in die Westschweiz. Michael Kamm, CEO der Agence Trio, schildert, wie sich seine Agentur – die älteste der Schweiz – in der Krise schlägt.

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Michael Kamm begann seine Laufbahn in der Kommunikation vor über 30 Jahren als Kreativer. Der aus Glarus stammende Wahlromand, Unternehmer und Mann der Praxis übernahm 2003 die Führung der ältesten Werbeagentur der Schweiz, bevor er zwei Jahre später zu ihrem Inhaber und 2018 zum erster «Publicitaire de l’année» der Westschweiz gekürt wurde. Der heute 52-jährige Vater von fünf Kindern verteidigt beharrlich die Werte und Interessen der Branche in seinem Alltag als Agenturchef wie in seinen Funktionen in verschiedenen Berufsverbänden.

 

Werbewoche.ch: Seit wann befinden Sie sich im Homeoffice?

Michael Kamm: Die ganze Agence Trio ist seit Montag, 16. März, und bis auf weiteres im Homeoffice. Bereits zuvor war jeder Donnerstag schon möglicher «Jour de télétravail».

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Befindet sich Ihre ganze Agentur im Homeoffice?

Unsere zwanzig Mitarbeitenden nahmen alles notwendige Material mit nach Hause. Die Mitglieder der Geschäftsleitung wechseln sich momentan noch im Büro ab, um ein Mindestmass an Präsenz zu gewährleisten.

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Hatten Sie bei der Einrichtung Ihres Arbeitsplatzes mit technischen Problemen zu kämpfen?

Wir hatten keine Probleme. Die Anpassung an diese Arbeitsweise erfolgte unter den besten Bedingungen und wurde dank der guten Zusammenarbeit der gesamten Agentur sehr schnell eingerichtet. Wir lieferten Computer, Bildschirme und sogar Büros in die Wohnungen unserer Mitarbeitenden, um den Arbeitskomfort zu verbessern und vor allem, um unsere Kunden weiterhin so gut wie möglich zu bedienen. Wir müssen lediglich dafür sorgen, dass wir regelmässig Sicherungskopien von oft grossen Dateien auf unserem zentralen Server erstellen, um die Datensicherheit und die korrekte Übertragung von Dokumenten zu gewährleisten.

 

Wo haben Sie sich eingerichtet?

Ich hatte schon ein eingerichtetes Büro zuhause und war also schon «Plug & Play». Da ich in einem alten Holzhaus in Greyerz wohne, haben die Teilnehmer bei einer Videokonferenz das Gefühl, dass ich mit meinem Computer in einer finnischen Sauna sitze…

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Was benötigen Sie alles, um Ihrer Tätigkeit nachgehen zu können?

Wichtig ist für mich, dass ich dauerhaft mit Mitarbeitenden und Kunden in Verbindung bleiben kann. Ein einfacher Computer mit Wi-Fi-Zugang und mein Mobiltelefon sind also mehr als genug. Ganz zu schweigen von einem strategischen und kreativen Gehirn, das ich immer bei mir habe.

 

Ist es schwierig, sich genügend abzugrenzen, wenn die Kinder zuhause sind?

Ich habe fünf Kinder… ja, man kann Privat- und Berufsleben miteinander verbinden (lacht). Alle sind sozusagen «aus dem Nest» und der Jüngste ist sehr unabhängig. Unser Haus auf dem Land ist gross genug, um allen ihren eigenen Raum zu bieten. Schwieriger könnte sich  vielleicht die enge Zusammenarbeit mit meiner Frau gestalten. Sie ist als CFO in der Agentur tätig, hat aber ihr eigenes Büro (lacht).

 

Haben Sie Home-Office-Erfahrung oder handelt es sich um eine Premiere?

Ich habe immer auf Ad-hoc-Basis aus der Ferne und unterwegs gearbeitet. Homeoffice war bei Trio bereits für einige Mitarbeitenden an der Tagesordnung, aber in dieser unvorhergesehenen Phase – und in grösserem Umfang – werden wir viel davon lernen können.

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Aufgrund der ersten Erfahrungen: Welche Prozesse gestalten sich im Vergleich zum normalen Agenturalltag schwierig?

Die persönlichen Treffen – untereinander oder mit Kunden – gestalten sich nun noch herzlicher und in Hinblick auf die Zusammenarbeit noch effizienter. Wir haben das Glück, sehr angenehme Räumlichkeiten in einem denkmalgeschützten Haus und nur wenige Schritte vom Genfer See entfernt zu haben.

 

Welche Arbeiten klappen problemlos?

Nach einigen Tagen ist der Austausch zwischen der Agentur, Kunden und Lieferanten wieder intakt und die Mandate, die momentan nicht auf Eis gelegt wurden, werden problemlos fortgesetzt.

 

Gibt es etwas, was sogar einfacher oder produktiver funktioniert im heimischen Büro?

Auch wenn unsere Agentur nicht in einem Openspace untergebracht ist, sondern mit separaten Büros ausgestattet ist, ermöglicht uns die Arbeit zu Hause, dass wir seltener unterbrochen werden und uns daher besser auf unsere täglichen Aufgaben konzentrieren können. Wir sind aber natürlich nicht von der Aussenwelt abgeschnitten. Verschiedene Tools ermöglichen es uns, schnell auf Anfragen von Kollegen zu reagieren oder unsere verschiedenen laufenden Projekte operativ zu verwalten. Darüber hinaus sparen wir Zeit, da wir nicht mehr herumreisen.

 

Sollte die Homeoffice-Phase länger dauern: Was tun sie dagegen, dass Ihnen nicht die Decke auf den Kopf fällt?

Solange noch möglich, jogge ich mir jeden Morgen den Kopf klar.

 

Was vermissen Sie am meisten am physischen Berufsalltag?

Täglicher Humor, Smalltalks und Aperitifs nach der Arbeit am Freitag in der Agentur! Nach einer Woche Homeoffice vermisse ich vor allem diese persönlichen Kontakte sehr.

 

Denken Sie, dass Ihre Agentur unbeschadet aus der Krise herauskommt?

Seit ihrer Gründung im Jahr 1931 hat Trio etliche Glanzperioden erlebt, aber auch Mangelzeiten während des Zweiten Weltkrieges, Feuer und Flammen bei einem Brand, der in den sechziger Jahren ihre Büros verwüstete, oder die massive Rezession in den neunziger Jahren. Die Geschichte hat uns gelehrt, dass jede Krise temporär ist. Die aktuelle Krise wird die Agentur sicherlich verändern und die laufende Entwicklung beschleunigen, doch wir werden alles tun, um noch lange die älteste Werbeagentur der Schweiz zu bleiben!

 

Bekanntlich hat alles auch seine positiven Seiten. Was ist es in Ihrer aktuellen Homeoffice-Situation?

In den kreativen Berufen erfindet man sich ständig neu und ich bin überzeugt, dass wir aus dieser vorübergehenden Situation lernen können, insbesondere was die Flexibilität der Formen unserer Zusammenarbeit betrifft. Wenn wir uns nicht in einer Pandemie befänden, könnten wir dieses Thema bei einem Kaffee, einem Bier oder Glas Wein besprechen. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben…

 

Was möchten Sie Ihren Branchenkolleginnen und -kollegen mit auf den Weg durch die Krise geben?

Unser täglicher Job ist, den Botschaften unserer Kunden Gehör zu verschaffen. Es ist wichtig, auch die Stimme der Branche unisono zu Gehör zu bringen. Solidarität ist das ganze Jahr über ein Schlagwort in unseren Unternehmen, und mehr denn je müssen Agenturen, Werbetreibende und Medien in diesen schwierigen Zeiten vereint bleiben. Ich möchte meinen Kollegen einfach sagen, dass sie diese destabilisierenden Momente nutzen sollten, um ihre Strategie anzupassen, ihr Geschäftsmodell zu überdenken und so schnell wie möglich wieder an die Arbeit zu gehen, um den bevorstehenden Aufschwung vorzubereiten.

Das Coronavirus hat die Gesellschaft fest im Griff. Wer zuhause bleiben kann, bleibt zuhause. Auch die Werbe- und Kommunikationsbranche verlagert den Betrieb grossflächig ins Homeoffice. Mit der Serie «Grüsse aus dem Homeoffice» beleuchtet Werbewoche.ch den Berufsalltag in den heimischen vier Wänden.

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