Grüsse aus dem Homeoffice, Folge 7: Frank Bodin, Bodin Consulting

In der siebten Ausgabe der Serie «Grüsse aus dem Homeoffice» zeigt Frank Bodin seine heimischen Büroräumlichkeiten.

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Frank Bodin ist Gründer von Bodin Consulting, einem international tätigen Unternehmen für Branding und Creative Leadership mit digitaler Intelligenz. Zudem ist er Twitter-Botschafter Schweiz, Präsident des ADC Switzerland und in zahlreichen Verwaltungs- und Beiräten. Sein Buch «Do it, with love – 100 Creative Essentials» ist ein Bestseller in der siebten Auflage und kann bei jeder Buchhandlung online bestellt werden.

 

Werbewoche.ch: Seit wann befinden Sie sich im Homeoffice?

Frank Bodin: Seit Freitag, den 13. März. Aber Ich bin nicht abergläubisch.

 

Befindet sich Ihr ganzes Unternehmen im Homeoffice?

Selbstverständlich. Schade, dass die offizielle Einweihung der neuen Geschäftsräumlichkeiten, eine ehemaligen Spenglerei im Zürcher Seefeld, ebenfalls dem Virus zum Opfer gefallen ist.

 

Hatten Sie bei der Einrichtung Ihres Arbeitsplatzes mit technischen Problemen zu kämpfen?

Ich hatte schon immer ein Homeoffice, weil es in unserer Branche vorkommen soll, dass man auch noch spät abends oder am Wochenende arbeiten will.

 

Wo haben Sie sich eingerichtet?

Eigentlich habe ich drei Homeoffices. Erstens ein kleiner, aber gemütlicher Raum mit Blick auf eine alte Tanne und den Zürichsee. Zweitens ein Gartensitzplatz bei schönem Wetter, Palmen inklusive. Und drittens an meinem Flügel.

 

Was benötigen Sie alles, um Ihrer Tätigkeit nachgehen zu können?

Einen klaren Verstand und Energie. Stift, Papier, Mobile sowie Laptop sind auch ganz praktisch.

 

Ist es schwierig, sich genügend abzugrenzen, wenn die Kinder zuhause sind?

Meine jüngste Tochter Ayleen ist zehn Jahre alt und sie macht das vorbildlich. Sie ist übrigens die Fotografin für diesen Beitrag inkl. Bildauswahl und Bearbeitung. Homeoffice und Homeschooling sind eine Chance, die alten Lern- und Arbeitsgewohnheiten selbstverantwortlich und neu zu gestalten.

 

Haben Sie Homeoffice-Erfahrung oder handelt es sich um eine Premiere?

Ich war in meiner Havas-Zeit für die Niederlassung in Österreich und für das Global Creative Board auch viel im Ausland. tätig. Dadurch habe ich gelernt, mich gut zu organisieren und jederzeit von überall aus arbeiten zu können.

 

Aufgrund der ersten Erfahrungen: Welche Prozesse gestalten sich im Vergleich zum normalen Berufsalltag schwierig?

Zoom, Skype, Google Hangout usw. sind prima Kommunikationsmöglichkeiten. Während meiner Zeit im Ausland haben meine Familie und ich sogar einige Male via Skype zusammen abendgegessen. Aber Technologie kann den menschlichen Kontakt nicht ersetzen.

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Gibt es etwas, was sogar einfacher oder produktiver funktioniert im heimischen Büro?

Der Arbeitsweg ist um einige Kilometer und Staus kürzer. Und ich sehe im momentanen Zwang, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen, auch grosse Chancen. Vielleicht werden wir rückwirkend sagen, dass das Corona-Virus die Welt von einigen schlechten Gewohnheiten geheilt hat. Vielleicht auch von schlechter Werbung.

 

Sollte die Homeoffice-Phase länger dauern: Was tun sie dagegen, dass Ihnen nicht die Decke auf den Kopf fällt?

Ich habe mir zwischen 13 und 14 Uhr und zwischen 18 und 19 Uhr Zeitfenster eingerichtet, um mit Freunden zu telefonieren und wenigstens so Kontakte zu pflegen. Man darf mich in dieser Zeit also ungeniert anrufen.

 

Was vermissen Sie am meisten am physischen Berufsalltag?

Die Menschen natürlich. Der Mensch besitzt rund 650 Muskeln. Mein Laptop hat nur 79 Tasten, die grösste ist die Leertaste – das sagt alles.

 

Sind Sie zuversichtlich, dass Ihr Unternehmen die Krise unbeschadet überstehen wird?

Unbeschadet wird kaum ein Unternehmen bleiben. Wir stehen erst am Anfang dieser Krise. Eine Rezession ist in meinen Augen unausweichlich. Und noch mehr Angst macht mir die sich abzeichnende Inflationsgefahr. Nach einem Rekordjanuar habe ich zahlreiche Komplettausfälle zu verzeichnen. Ich habe also freie Kapazität! Was die Krise in der Medien- und Werbebranche betrifft, muss sich niemand etwas vormachen – sie war schon vorher da, aber ist durch die Corona-Krise ad extremis verschärft worden. Corona wird unsere Welt nachhaltig verändern. Auch die Werbewelt. Neue Arbeitmodelle sind nicht mehr nur Theorie, sondern sind über Nacht Realität geworden. «Social Distancing» führt gleichzeitig zu einer neuen Nähe. Zu Menschen, die wir wirklich lieben. Zu Freunden, die uns wirklich etwas sagen. «Relevanz» wird eine wirkliche Relevanz erhalten und nicht mehr einfach eine leere Marketing-Blabla-Hülse sein. Tschüss Plattitüde. Das wird herkömmliche Werbung wie ein Tsunami wegspülen. Zum Beispiel grottenschlechte Werbespots. Beispiel eins: «Kafi, La Semeuse, schonend gröschtet uf tusig Meter für volli Arome…» das ist inhaltlich schlecht wie kalter Kaffee mit einer Off-Sprecherin, die so schrecklich abgelöscht klingt wie sonst nur schwer Drogenabhängige. Beispiel zwei: «Familie isch alles. Und alles cha Familie si. Es sind d’Mänsche, die so ticket wie du. Die dich so nämed wie du bisch. Die, mit däne du alles teilsch. Alles, was du liebscht. Und wer das für dich isch, seid dir dis Härz. Toffifee. So fühlt sich Familie a.» Niemand will sich von einem klebrigen, in Unmengen von Plastik verpackten Schokobonbon sagen lassen, was Familie ist, schon gar nicht in diesen Zeiten. Wohltuend sind hierzulande nur die Galaxus-Spots, weil sie einem die Absurdität und Blödheit der derzeitigen Reklame vor Augen führen, bravo Galaxus! Ich kann mir gut vorstellen, dass dies auch dem letzten Marketing-Verantwortlichen die Augen öffnet, dass Werbung in erster Linie ein Investment in smarte Strategie und aussergewöhnliche Ideen bedeutet und nicht einfach nur Mediakosten. Das gilt nicht nur für Fernsehwerbung, sondern für alle Kanäle, egal ob Radiowerbegeschrei oder digitale Belästigung auf Schritt und Tritt usw. Ein Blick auf das Profil unseres Schweizer Super-Influencer-Girl Xenia Tchoumi genügt; sie hat auch in diesen Zeiten nichts anderes als die eigene Pose zu bieten und Worthülsen wie «Tough time forge character. Be rational, be strong, be adaptable.» Das ist erbärmlicher Schwachsinn. CEOs werden dies in ihren Homeoffices nun in aller Ruhe herausfinden.

 

Bekanntlich hat alles auch seine positiven Seiten. Was ist es in Ihrer aktuellen Homeoffice-Situation?

Meine Work-Live-Balance waren sich noch nie so nah.

 

Was möchten Sie Ihren Branchenkolleginnen und -kollegen mit auf den Weg durch die Krise geben?

Bleibt zuhause, bleibt gesund, auch in eurem Denken und Handeln.

Das Coronavirus hat die Gesellschaft fest im Griff. Wer zuhause bleiben kann, bleibt zuhause. Auch die Werbe- und Kommunikationsbranche verlagert den Betrieb grossflächig ins Homeoffice. Mit der Serie «Grüsse aus dem Homeoffice» beleuchtet Werbewoche.ch den Berufsalltag in den heimischen vier Wänden.

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