«Ich finde die Gender-Diskussion müssig. Nicht nur in unserer Branche. Generell.»

Herrscht in Werbeagenturen Lohngleichheit? Wieso gibt es nicht mehr Frauen in den Führungsetagen der Kommunikationsbranche? Erfährt man als Frau in diesem Berufsfeld Nachteile – und braucht es überhaupt eine Gender-Diskussion? Die Werbewoche hat nachgefragt. Bei acht der erfolgreichsten Werberinnen der Schweiz, alle in leitenden Positionen in führenden Agenturen tätig. Wir publizieren die Interviews im Newsletter – und starten mit Pam Hügli.

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Werbewoche: Wieso gibt es nicht mehr Frauen in den Führungsetagen der Kommunikationsbranche?

Pam Hügli: Weil es mehr Männer gibt, die sich auf den Job bewerben.

Wie viele Frauen arbeiten in Ihrer Agentur und wie viele Männer?

In unserer Agentur arbeiten mehr qualifizierte Frauen als Männer.

Herrscht in Ihrer Agentur Lohngleichheit?

Ja, dafür sorge ich.

Angenommen, Ihre Agentur führt eine Frauenquote ein. Was halten Sie davon?

Nichts. Ich bin für die «Können-Quote» – schon immer.

Was müsste sich ändern, damit sich Familie und Karriere für Frauen besser unter einen Hut bringen liessen?

Die Einstellung der Arbeitgeber. Aber mitunter auch der Wunsch und die Bereitschaft der Mütter, beides zu vereinbaren. Und die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Arbeitstätige Frauen werden in der Schweiz immer noch stigmatisiert. Sätze wie «Wieso hat die ein Kind bekommen, wenn sie arbeiten gehen will?» sind völlig daneben, reflektieren aber die Haltung der Gesellschaft. In meinen Augen völlig unzeitgemäss. Wir sollten uns ein Beispiel an unseren Nachbarn in Frankreich nehmen: Dort wird Erwerbstätigkeit für Mütter gezielt gefördert und das Betreuungsangebot für Kinder ist viel besser. Zudem ist es selbstverständlich, dass man nach dem Mutterschaftsurlaub wieder in den Job einsteigt.

«Sätze wie «Wieso hat die ein Kind bekommen, wenn sie arbeiten gehen will?» sind völlig daneben, reflektieren aber die Haltung der Gesellschaft.»

Wären Sie ein Mann – wären Sie heute an einer anderen Position?

Als emanzipierter Mann wäre ich heute eventuell zuhause und würde mich um die Kinder kümmern.

Was können Männer – bezogen auf Ihr berufliches Umfeld – besser?

Männer haben das «Buddy-Gen». Es hilft ihnen dabei, sich schon nach kurzem Small Talk gegenseitig kameradschaftlich auf die Schulter zu klopfen, um zu networken.

Was können Frauen besser?

Frauen haben das «Trust-Gen». Es hilft ihnen dabei, bei einem Gespräch Vertrauen aufzubauen, um zu networken. Sie sehen: Der Unterschied ist zwar da, aber gar nicht so gross, wie wir immer meinen.

Wieso gibt es mehr Werber des Jahres als Werberinnen des Jahres?

Weil sie nicht nominiert werden.

Welche Berufskollegin hat Sie in ihrer bisherigen Karriere am meisten beeindruckt?

Ich finde all jene Frauen cool, die das Gender-Thema nicht zum Thema, sondern einfach einen guten Job machen. Was – wie wir alle wissen – eben gar nicht immer ganz so einfach ist. Übrigens auch für Männer nicht.

Haben Sie – bezogen auf Ihre berufliche Laufbahn – schon einmal negative Erfahrungen gemacht, die Sie als Mann nicht gemacht hätten?

Diese Frage habe ich mir noch nie gestellt. Generell sollten wir Frauen aufhören zu denken, dass wir uns ständig mit unseren männlichen Kollegen vergleichen müssen.

Was raten Sie jungen Frauen, die in diese Branche einsteigen und mittel- bis langfristig Ihre Position erreichen wollen?

Ich rate generell allen jungen Leuten, egal welchen Geschlechts, hart zu arbeiten, um ihre Ziele zu erreichen. Von nichts kommt nichts. Unsere Branche verlangt sehr viel ab. Leidenschaft ist dabei unerlässlich. Und etwas «leiden» muss man, um an die Spitze zu kommen.

Empfehlen Sie jungen Frauen den Einstieg in Ihre Branche?

Natürlich, unbedingt. Ich coache sie auch gerne.

Was halten Sie von der Gender-Diskussion in Ihrer Branche grundsätzlich?

Ich finde die Diskussion müssig. Nicht nur in unserer Branche. Generell. Wenn man etwas erreichen will, muss man sich darum bemühen. Und für sich selber einstehen.

Am Montag: Petra Dreyfus, Wirz

Redaktion: Ann-Kathrin Kübler, Thomas Häusermann

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